Der Preisträger malte virtuos drei Reisebilder
Wie sieht ein ideales Konzert aus? Zum Beispiel so: Man nehme den Gewinner des letztjährigen Young Conductors Award, ein äußerst verlässliches Orchester, mische ein Stück des aktuellen Festspiel-Residenzkomponisten mit zwei Klassikern des Repertoires und achte zudem auf thematische Verklammerung. Wenn dann noch die Felsenreitschule voll ist und das Publikum aus sämtlichen Altersund Einkommensschichten zu bestehen scheint, was will man mehr?
Samstag gab es all dies beim Debüt des jungen Ungarn Gábor Káli, der mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien drei sehr facettenreiche Reisebilder zum Klingen brachte. Pascal Dusapin, dessen Schaffen heuer an der Salzach umfangreich präsentiert wird, steuerte „Morning in Long Island“bei, einen feinfühligen, höchst sinnlichen Klangspaziergang. Im Raum verteiltes Blech sorgt für intensive Impulse, die groß besetzten Streicher bahnen nachvollziehbare, freilich recht überschaubare Wege durch die langsam erwachende, vor dem Finale kurz gewittrig groovende Tonlandschaft. Dusapins luftiges Spiel mit Licht und Schatten, die genau gestaltete Verknüpfung aus Mikrostrukturen und großer symphonischer Klammer ist gleichsam der erste Satz des Programms: eine facettenreiche Reisesymphonie, trotzdem aus einem Guss.
Zum Zweiten: Gustav Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“interpretiert der Südtiroler Bariton Andrè Schuen mit farbigem, zugleich erdigem Timbre, in jedem Moment wortverständlich und voller Emphase. Káli liefert mit dem Orchester eine detailreiche Begleitstimme, die sich nie in den Vordergrund drängt, aber zwischen den gesungenen Noten eigene Akzente setzt. Mahlers ziemlich düsterer Vierteiler um verlorene Liebe und fundamentale Einsamkeit erhält durch den vorher gehörten Dusapin noch ein wenig Restleuchten.
Dann folgte die Neunte von Dvořák, „Aus der Neuen Welt“, oft gehört, meist als zirzensisches Spektakel. Doch Káli strukturiert das Werk eigenständig und ungewohnt. Tiefe, verschattete Streicher im zweiten Satz, ein paar (ver)zögernde Rubati im vierten: Das Ergebnis ist ein kraftvoll strömender Fluss mit fulminanter, finaler Brandung – wuchtig und überwältigend, jedoch nicht triumphalistisch. Langer Jubel für ein außergewöhnliches Konzert, dessen Leiter übrigens mit einer sehr präzisen, völlig uneitlen Schlagtechnik punktete.