Gesichter, aus denen das Leben spricht
Dana Lixenberg hatte viele berühmte Menschen vor der Kamera. „Wahre Kraft aber strahlt die Normalität aus“, sagt sie.
SALZBURG. Nicht lange nachdem Rapper Tupac Shakur im Vorbeifahren erschossen worden war, prangt sein Gesicht auf einer Mauer in Manhattan. Ein anonymer Sprayer hatte sein Idol verewigt. Das war 1996. Das Gesicht des Rappers, das von der Wand in der Lower East Side schaute, sah vertraut aus. Das Graffiti war einem Foto nachgezeichnet, das damals schon auf dem Weg zu einer Ikone des Hip-Hop und der Popwelt war. Später taucht das Bild auch auf T-Shirts auf. Es stammt von der niederländischen Fotografin Dana Lixenberg.
Viele Berühmtheiten bekam sie vor ihre Kamera, nachdem sie 1990 nach New York übersiedelt war. Für den „Rolling Stone“, „The New York Times Magazine“oder „The New Yorker“arbeitete sie mit Leonard Cohen, Prince, Sean Penn und auch Donald Trump. Schon damals gelang es Lixenberg – oftmals durch neutrale Settings – einzufangen, was sonst bei solchen tausendfach Fotografierten verborgen bleibt unter dem Image. Lixenberg schafft Nähe und schaut unter die Oberfläche. Das gelang auch bei der Aufnahme von Tupac. „Es machte mich stolz“, erinnert sich Lixenberg beim Gespräch mit den SN im Salzburger Fotohof an das Wandbild in Manhattan. Es sei schön zu sehen, wie das Bild die Fans anspreche. Das Bild von Tupac ist im Salzburger Fotohof allerdings nur in dem Buch „Tupac/Biggie“zu sehen.
Die Magie des Bilds von Tupac, dem man auf dem Foto recht nahekommen kann, kennzeichnet die Schau „Imperial Courts“, derentwegen Lixenberg nach Salzburg kam, mit der sie sich in den vergangenen Jahren „am meisten und intensiv“beschäftigte und für die sie 2017 mit dem Deutsche-Börse-Photography-Preis eine der international renommiertesten Auszeichnungen der Fotowelt erhielt.
Es hängen große Schwarz-WeißPorträts im Fotohof. Man blickt in unbekannte Gesichter. Keine Stars tauchen da auf, stattdessen die Schönheit, der Zweifel, die Sorgen und auch die Freude normaler Menschen. Eine Frau auf einer Leiter, ein junger Mann mit seinem Fahrrad. Manche blicken stolz, manche mit einem Anflug von Misstrauen. Manchmal verschwimmt das. Kinder. Frauen. Männer.
Nie rückt die Umgebung entscheidend ins Zentrum, auch wenn sie die Atomsphäre unterstützt. Es geht um Gesichter, um den einen kurzen Blick, den Lixenberg fotografiert. Die Bilder entstanden seit 1993 in Los Angeles.
Für ein niederländisches Magazin war Lixenberg 1992 erstmals dorthin gereist. Es war das Jahr der Unruhen, nachdem vier weiße Polizisten freigesprochen worden waren, die ein Jahr zuvor den Afroamerikaner Rodney King mit Stöcken und Fäusten traktiert und schwer misshandelt hatten. „Es war ein Job, der meine Arbeit sehr prägte. Damals wusste ich das freilich noch nicht“, sagt Lixenberg.
Lixenberg kam damals zurück mit einer ersten Serie von Porträts aus Imperial Courts, einem Wohnprojekt in Watts. In der Gegend leben Afroamerikaner mit – wenn überhaupt – geringem Einkommen. Das Bild dieser Gesellschaft war geprägt von medial ausgebreiteten Klischees, die sich um Kriminalität, Drogen und Gewalt drehten. Lixenberg ging und geht es bei ihren Bildern um etwas anderes. Was sie tut, nennt sie „De-Sensationalisierung“. Mehr als sie sucht, findet sie. Es gibt keinen vorgegebenen Bildplan. Es gehe darum, „einfach dort zu sein“, „auch herumzuhängen“, sich in das Leben dort einzufühlen. So entstehen – auch über Leute, die sie dort schon lang kennt – stets neue Begegnungen.
Zwei Jahrzehnte lang war Lixenberg immer wieder in Watts – manchmal zwei Wochen, dann auch für ein, zwei Monate. Die Gegend hat sich im Lauf der Jahre verändert. „Jetzt hört man nicht mehr, dass man als Weißer nachts lieber nicht allein unterwegs sein soll. Das war am Anfang ganz anders“, sagt sie. Mit der Veränderung der Umgebung haben sich auch die Gesichter der Menschen verändert. Aus Kindern wurden Erwachsene mit eigenen Familien. Einige Personen, die Lixenberg vor der Kamera gehabt hatte, wurden auch getötet.
„Es geht darum, Leben zu zeigen“, sagt Lixenberg. Ungeschönt. Ohne künstliches Licht. Ohne Fassade und Requisiten. So gelingt es der Fotografin, besondere Momente festzuhalten. Und so gelingt es auch beim Betrachten, diesen völlig unbekannten Menschen ganz nahe zu kommen. Ausstellung: