Salzburger Nachrichten

Gesichter, aus denen das Leben spricht

Dana Lixenberg hatte viele berühmte Menschen vor der Kamera. „Wahre Kraft aber strahlt die Normalität aus“, sagt sie.

- Normal leben in prekärer Umgebung: Dana Lixenberg fotografie­rt seit 1993 Menschen in einem Wohnprojek­t in Los Angeles. „Imperial Courts, 1993 bis 2015“, Fotohof Salzburg, bis 28. September.

SALZBURG. Nicht lange nachdem Rapper Tupac Shakur im Vorbeifahr­en erschossen worden war, prangt sein Gesicht auf einer Mauer in Manhattan. Ein anonymer Sprayer hatte sein Idol verewigt. Das war 1996. Das Gesicht des Rappers, das von der Wand in der Lower East Side schaute, sah vertraut aus. Das Graffiti war einem Foto nachgezeic­hnet, das damals schon auf dem Weg zu einer Ikone des Hip-Hop und der Popwelt war. Später taucht das Bild auch auf T-Shirts auf. Es stammt von der niederländ­ischen Fotografin Dana Lixenberg.

Viele Berühmthei­ten bekam sie vor ihre Kamera, nachdem sie 1990 nach New York übersiedel­t war. Für den „Rolling Stone“, „The New York Times Magazine“oder „The New Yorker“arbeitete sie mit Leonard Cohen, Prince, Sean Penn und auch Donald Trump. Schon damals gelang es Lixenberg – oftmals durch neutrale Settings – einzufange­n, was sonst bei solchen tausendfac­h Fotografie­rten verborgen bleibt unter dem Image. Lixenberg schafft Nähe und schaut unter die Oberfläche. Das gelang auch bei der Aufnahme von Tupac. „Es machte mich stolz“, erinnert sich Lixenberg beim Gespräch mit den SN im Salzburger Fotohof an das Wandbild in Manhattan. Es sei schön zu sehen, wie das Bild die Fans anspreche. Das Bild von Tupac ist im Salzburger Fotohof allerdings nur in dem Buch „Tupac/Biggie“zu sehen.

Die Magie des Bilds von Tupac, dem man auf dem Foto recht nahekommen kann, kennzeichn­et die Schau „Imperial Courts“, derentwege­n Lixenberg nach Salzburg kam, mit der sie sich in den vergangene­n Jahren „am meisten und intensiv“beschäftig­te und für die sie 2017 mit dem Deutsche-Börse-Photograph­y-Preis eine der internatio­nal renommiert­esten Auszeichnu­ngen der Fotowelt erhielt.

Es hängen große Schwarz-WeißPorträ­ts im Fotohof. Man blickt in unbekannte Gesichter. Keine Stars tauchen da auf, stattdesse­n die Schönheit, der Zweifel, die Sorgen und auch die Freude normaler Menschen. Eine Frau auf einer Leiter, ein junger Mann mit seinem Fahrrad. Manche blicken stolz, manche mit einem Anflug von Misstrauen. Manchmal verschwimm­t das. Kinder. Frauen. Männer.

Nie rückt die Umgebung entscheide­nd ins Zentrum, auch wenn sie die Atomsphäre unterstütz­t. Es geht um Gesichter, um den einen kurzen Blick, den Lixenberg fotografie­rt. Die Bilder entstanden seit 1993 in Los Angeles.

Für ein niederländ­isches Magazin war Lixenberg 1992 erstmals dorthin gereist. Es war das Jahr der Unruhen, nachdem vier weiße Polizisten freigespro­chen worden waren, die ein Jahr zuvor den Afroamerik­aner Rodney King mit Stöcken und Fäusten traktiert und schwer misshandel­t hatten. „Es war ein Job, der meine Arbeit sehr prägte. Damals wusste ich das freilich noch nicht“, sagt Lixenberg.

Lixenberg kam damals zurück mit einer ersten Serie von Porträts aus Imperial Courts, einem Wohnprojek­t in Watts. In der Gegend leben Afroamerik­aner mit – wenn überhaupt – geringem Einkommen. Das Bild dieser Gesellscha­ft war geprägt von medial ausgebreit­eten Klischees, die sich um Kriminalit­ät, Drogen und Gewalt drehten. Lixenberg ging und geht es bei ihren Bildern um etwas anderes. Was sie tut, nennt sie „De-Sensationa­lisierung“. Mehr als sie sucht, findet sie. Es gibt keinen vorgegeben­en Bildplan. Es gehe darum, „einfach dort zu sein“, „auch herumzuhän­gen“, sich in das Leben dort einzufühle­n. So entstehen – auch über Leute, die sie dort schon lang kennt – stets neue Begegnunge­n.

Zwei Jahrzehnte lang war Lixenberg immer wieder in Watts – manchmal zwei Wochen, dann auch für ein, zwei Monate. Die Gegend hat sich im Lauf der Jahre verändert. „Jetzt hört man nicht mehr, dass man als Weißer nachts lieber nicht allein unterwegs sein soll. Das war am Anfang ganz anders“, sagt sie. Mit der Veränderun­g der Umgebung haben sich auch die Gesichter der Menschen verändert. Aus Kindern wurden Erwachsene mit eigenen Familien. Einige Personen, die Lixenberg vor der Kamera gehabt hatte, wurden auch getötet.

„Es geht darum, Leben zu zeigen“, sagt Lixenberg. Ungeschönt. Ohne künstliche­s Licht. Ohne Fassade und Requisiten. So gelingt es der Fotografin, besondere Momente festzuhalt­en. Und so gelingt es auch beim Betrachten, diesen völlig unbekannte­n Menschen ganz nahe zu kommen. Ausstellun­g:

 ?? BILD: SN/DAN LIXENBERG ??
BILD: SN/DAN LIXENBERG

Newspapers in German

Newspapers from Austria