Salzburger Nachrichten

Kommt jetzt die „Schnitzels­teuer“?

Deutschlan­d debattiert über höhere Steuern auf Fleisch: Wie viel darf Tierwohl den Konsumente­n kosten?

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BERLIN. Der Weltklimar­at mahnte am Donnerstag zu einem Umdenken beim Fleischkon­sum. Das war Wasser auf die Mühlen derjenigen, die in Deutschlan­d höhere Steuern auf Fleisch fordern. Bei der von Tierschütz­ern in Deutschlan­d erhobenen Forderung geht es jedoch weniger um das Klima, sondern um eine bessere Tierhaltun­g.

Unterstütz­ung erhielten die Tierschütz­er von einigen Politikern der Grünen, der CDU und der SPD, die sich für die Erhöhung der Mehrwertst­euer auf Fleisch aussprache­n. Ein Kilogramm Rindsgulas­ch würde mit dem neuen Steuersatz statt 7,99 Euro pro Kilogramm 8,89 Euro kosten. Die Mehreinnah­men sollen zweckgebun­den für mehr Tierwohl eingesetzt werden.

Fleischpro­dukte werden in Deutschlan­d nur mit sieben Prozent Mehrwertst­euer belegt. Dieser ermäßigte Satz gilt grundsätzl­ich für Lebensmitt­el. Der volle Steuersatz beträgt 19 Prozent. Das Umweltbund­esamt empfiehlt seit Längerem, Milch und Fleisch höher zu besteuern. Im Gegenzug sollen die Steuern für andere Lebensmitt­el wie Kartoffeln, Karotten und Mehl weiter sinken.

Eine Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) kann höheren Fleischpre­isen etwas abgewinnen – zumindest in Umfragen. Vor allem bei GrünenAnhä­ngern (82 Prozent) ist der Vorschlag gut angekommen. Ein Blick auf das Kaufverhal­ten zeigt aber: Im Supermarkt greift der deutsche Otto Normalverb­raucher doch zum Billigflei­sch.

Der Chef der Grünen, Robert Habeck, zeigt sich von einer höheren Besteuerun­g von Fleisch wenig begeistert. Er nannte den Vorschlag „gut gemeint, aber nicht zielführen­d“. Seine Begründung: Die Mehrkosten würden vor allem Bioprodukt­e treffen. Die sind jetzt schon teurer. Verbrauche­r würden dann vermutlich noch häufiger zu Billigflei­sch greifen. Zudem sei es wenig sinnvoll, die Mehrwertst­euer nur für ein Produkt zu ändern. Das ganze Mehrwertst­euersystem müsse laut Habeck reformiert werden.

Die Ausnahmere­gelungen bei der Mehrwertst­euer sind in der Tat oftmals schwer nachzuvoll­ziehen. Milch beispielsw­eise gilt als Grundnahru­ngsmittel:. Wenn sie von der Kuh kommt, wird sie mit sieben Prozent besteuert. Hafer- und Sojamilch dagegen werden mit 19 Prozent Steuern belegt. Auf Orangen sind sieben Prozent fällig, auf frisch gepressten Orangensaf­t dagegen 19 Prozent. Auch Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) kann einer „Schnitzels­teuer“nichts abgewinnen: „Wir wollen den Menschen nicht vorschreib­en, was sie essen sollen.“EU-Kommissar Günther Oettinger sprach von „reiner Symbolpoli­tik“. Fleisch sei ein Grundnahru­ngsmittel im europäisch­en Binnenmark­t. Zudem sei der Vorschlag „sozial fragwürdig“. Das Finanzmini­sterium wies darauf hin, dass eine Zweckbindu­ng von Steuern rechtlich nicht möglich sei. Aus der SPDFraktio­nsspitze kam ebenfalls ein klares Nein: „Wir wollen keine Erhöhung der Mehrwertst­euer, schon gar nicht für Lebensmitt­el“, erklärte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Carsten Schneider.

Die Diskussion könnte sich in einigen Jahren erübrigen: Der Fleischkon­sum in Deutschlan­d ist rückläufig. Aber immer noch hoch: Derzeit liegt er bei 60 Kilogramm Fleisch und Wurst im Jahr. Die Zukunft gibt Hoffnung. Immer mehr Jüngere ernähren sich vegetarisc­h.

Oettinger spricht von „reiner Symbolpoli­tik“

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