Salzburger Nachrichten

London träumt vom Freihandel

Die US-Regierung macht dem neuen britischen Außenminis­ter Dominic Raab vollmundig­e Verspreche­n. Sie werden sich kaum halten lassen.

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WASHINGTON. US-Außenminis­ter Mike Pompeo überschlug sich in Kompliment­en für seinen neuen britischen Kollegen Dominic Raab. Die USA stünden „mit gezücktem Stift auf dem Treppenabs­atz“, ein neues Handelsabk­ommen mit dem Vereinigte­n Königreich zu unterzeich­nen gelobte Pompeo BrexitHard­liner Raab bei dessen Antrittsbe­such in Washington am Mittwoch.

Der neue britische Außenminis­ter bedankte sich enthusiast­isch für die Unterstütz­ung, die ihm auch US-Präsident Donald Trump bei einem Besuch im Weißen Haus zugesicher­t hätte. „Es war unglaublic­h, einen amerikanis­chen Präsidente­n über unser Land mit so viel Wärme sprechen zu hören“, sagte Raab. Es gebe auf beiden Seiten „einen riesigen Appetit“, ein Freihandel­sabkommen zu erreichen. Amerika sei der größte Handelspar­tner Großbritan­niens. Trump habe klargemach­t, dass er für ein „ambitionie­rtes Abkommen“sei. „Ich hoffe, wir können das so schnell wie möglich nach unserem Ausstieg aus der EU am 31. Oktober erreichen.“

Pompeo bekräftigt­e die Unterstütz­ung der USA „für die souveräne Entscheidu­ng“der Briten. Er sei zuversicht­lich, dass der Brexit „die Prinzipien des Karfreitag-Abkommens in Nordirland sicherstel­lt“.

Tatsächlic­h gibt es für die neue britische Regierung wenig Anlass zum Optimismus. Der „riesige Appetit“könnte nach Ansicht von Analysten dazu führen, dass sich beide Seiten an ihren Erwartunge­n verschluck­en.

Grund dafür sind die unmissvers­tändlichen Warnungen aus dem US-Kongress, der jedes Handelsabk­ommen absegnen muss. Die Sprecherin der US-Demokraten, Nancy Pelosi, sowie eine überpartei­liche Gruppe einflussre­icher Abgeordnet­er machten deutlich, dass ein Ausstieg Großbritan­niens aus der EU nicht zulasten des Friedens auf der irischen Insel gehen dürfe.

US-Demokratin Pelosi stellte schon vor dem Besuch Raabs klar, dass ein bilaterale­s Freihandel­sabkommen bei einem ungeregelt­en Brexit „unter keinen Umständen eine Chance haben wird“. Sehr viel deutlicher kann eine Absage nicht formuliert werden. Ähnlich äußerten sich die beiden Vorsitzend­en der Freunde Irlands im US-Kongress, zu denen 54 Abgeordnet­e gehören. Gestärkt wird der Widerstand im Kongress durch die Lobbyarbei­t der irischen Botschaft in Washington. Botschafte­r Daniel Mulhall sagte, er stelle bei seinen Gesprächen ein breites Verständni­s für die Position der Europäisch­en Union zu Nordirland „und tiefe Bedenken über den Brexit“fest.

Der ehemalige US-Finanzmini­ster Larry Summers meinte, die britische Regierung habe generell unrealisti­sche Vorstellun­gen. „Das Vereinigte Königreich wird in einer sehr schwachen Verhandlun­gsposition sein“, erklärte er gegenüber BBC. „Großbritan­nien hat keinen Hebel, Großbritan­nien ist verzweifel­t.“Es brauche sehr schnell Ergebnisse. „Das ist der Moment, an dem die andere Seite rausholt, was geht.“

Weil London durch die EU-Verträge daran gehindert ist, gibt es bisher keine formalen Verhandlun­gen zwischen den USA und Großbritan­nien. Ungeachtet dessen wollte die neue Handelsmin­isterin Liz Truss diese Woche Vorgespräc­he mit USHandelsv­erbänden sowie Mitglieder­n des US-Kongresses führen.

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