Johnson spielt Schwarzer Peter
Noch 82 Tage bis zum Brexit. Mit jeder Stunde, die verrinnt, dürfte dem britischen Premier Boris Johnson klarer werden, dass er nicht halten kann, was er versprochen hat.
Nämlich dass Milch und Honig auf der Insel fließen werden, sobald das Vereinigte Königreich aus der EU ausgetreten ist. Im Gegenteil. Es wird immer wahrscheinlicher, dass Großbritannien in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November ohne Abkommen, ohne Übergangsfrist und somit im Chaos aus der Union ausscheidet.
Ein Szenario, von dem die meisten Experten großen wirtschaftlichen Schaden befürchten, der sich auf der britischen Seite des Ärmelkanals weit dramatischer auswirken dürfte als auf dem Kontinent. Die Menschen werden fragen, wer die Schuld an dem Desaster trägt. Damit sie nicht auf Boris Johnson zeigen, spielt der bereits jetzt Schwarzer Peter. Es sei schade, dass die EU-27 nicht mit London verhandeln wollten, verlautet immer öfter aus seinem Umfeld.
London wolle schließlich ein Abkommen. Nur: Das gibt es. EUChefverhandler Michel Barnier hat es eineinhalb Jahre mit den Briten ausgetüftelt. Die Garantieklausel für Irland (Backstopp), die den Brexiteers um Johnson ein Dorn im Auge ist, wurde nach langem Ringen im Einvernehmen mit der britischen Seite gefunden.
Sie dient dem Erhalt des Friedens und der Stabilität des EUMitglieds Irland. Beides kann die EU nicht für obsolet erklären. Das als Gesprächsverweigerung hinzustellen trifft die Sache nicht. Erstens ist die Union bereit, über zukünftige Beziehungen zu reden. Zweitens ist es Großbritannien, das die Union verlassen will – nicht umgekehrt. Dass sich das Königreich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht entschließen kann, wie es gehen will, ist bedauerlich. Aber es ist sein Problem. Und das von Boris Johnson.