Salzburger Nachrichten

Johnson spielt Schwarzer Peter

- SYLVIA.WÖRGETTER@SN.AT

Noch 82 Tage bis zum Brexit. Mit jeder Stunde, die verrinnt, dürfte dem britischen Premier Boris Johnson klarer werden, dass er nicht halten kann, was er versproche­n hat.

Nämlich dass Milch und Honig auf der Insel fließen werden, sobald das Vereinigte Königreich aus der EU ausgetrete­n ist. Im Gegenteil. Es wird immer wahrschein­licher, dass Großbritan­nien in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November ohne Abkommen, ohne Übergangsf­rist und somit im Chaos aus der Union ausscheide­t.

Ein Szenario, von dem die meisten Experten großen wirtschaft­lichen Schaden befürchten, der sich auf der britischen Seite des Ärmelkanal­s weit dramatisch­er auswirken dürfte als auf dem Kontinent. Die Menschen werden fragen, wer die Schuld an dem Desaster trägt. Damit sie nicht auf Boris Johnson zeigen, spielt der bereits jetzt Schwarzer Peter. Es sei schade, dass die EU-27 nicht mit London verhandeln wollten, verlautet immer öfter aus seinem Umfeld.

London wolle schließlic­h ein Abkommen. Nur: Das gibt es. EUChefverh­andler Michel Barnier hat es eineinhalb Jahre mit den Briten ausgetüfte­lt. Die Garantiekl­ausel für Irland (Backstopp), die den Brexiteers um Johnson ein Dorn im Auge ist, wurde nach langem Ringen im Einvernehm­en mit der britischen Seite gefunden.

Sie dient dem Erhalt des Friedens und der Stabilität des EUMitglied­s Irland. Beides kann die EU nicht für obsolet erklären. Das als Gesprächsv­erweigerun­g hinzustell­en trifft die Sache nicht. Erstens ist die Union bereit, über zukünftige Beziehunge­n zu reden. Zweitens ist es Großbritan­nien, das die Union verlassen will – nicht umgekehrt. Dass sich das Königreich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht entschließ­en kann, wie es gehen will, ist bedauerlic­h. Aber es ist sein Problem. Und das von Boris Johnson.

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Sylvia Wörgetter

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