„Hut ab vor den Mädels auf dem Boot“
Ein Jahr vor Tokio: Der Olympiadritte Thomas Zajac erklärt, warum seine Partnerin auf dem Segelboot den härteren Job hat, was ihn am Umgang mit Sportlern in Österreich stört und wie er mit Haien und Müll im Meer klarkommt.
In genau einem Jahr könnten Thomas Zajac und Barbara Matz in Tokio nach einer Olympiamedaille im Segeln greifen. Steuermann Zajac hat 2016 in Rio mit Vorschoterin Tanja Frank im Nacra 17 Bronze geholt, Österreichs einziges Edelmetall der beiden letzten Sommerspiele. Zwischen Trainingswochen in Japan machte der 33-jährige Wiener kurz Station in der Heimat. SN: Ein Jahr bis Tokio: Wie laufen Ihre Vorbereitungen? Thomas Zajac: Wir haben gerade dreieinhalb Wochen in Japan intensiv trainiert. Babsi (Anm.: Vorschoterin Barbara Matz) ist dort geblieben. Ich bin mit 250 Kilo Equipment herübergeflogen, weil ich am Neusiedler See mit der FH Technikum Wien teste. Das olympische Segeln ist immer noch ein sehr analoger Sport. Das ist das Schöne daran, denn so haben wir aus Österreich Chancen, obwohl wir kein Meer haben. Wir müssen kreativ sein. SN: Wie wichtig ist es, direkt im Olympiarevier Enoshima in Japan zu testen? Je mehr Tage wir dort verbringen, desto besser kennen wir es. In Summe werden es 20 Segelwochen sein. Es muss aber mit System geschehen. Wir arbeiten mit einer Meteorologin zusammen, die wir schon in Rio mit hatten. In Japan kann sein, dass ein Taifun 100 Kilometer weg ist, aber monströse Wellen durchkommen, wie es sie sonst nirgends auf der Welt gibt. Spannend ist auch: Wenn Wellen sind, schwimmen unzählige Haie oben. Man gewöhnt sich daran. Neulich haben wir einen Hammerhai gesehen. SN: Wie erleben Sie Österreich, wenn Sie 250 Tage im Jahr im Ausland verbringen? Es ist für mich eines der schönsten Länder. Aber man sieht anderswo, wie stolz ein Land hinter seinen Sportlern steht. Österreich ist auch stolz, aber vor allem im Wintersport. Und auch da wartet man nur drauf, bis ein Marcel Hirscher einmal nur Zweiter wird. Du hast das Gefühl, die Leute warten nur, bis sie dich verbal auseinandernehmen können. Ich würde mir wünschen, dass Österreich lernt, hinter seinen Leuten zu stehen, anstatt zu warten, bis etwas Negatives passiert. Du kriegst als Sommersportler ohnedies nur die Anerkennung. Davon leben, eine Familie gründen oder ein Haus bauen könnte ich nicht. SN: Die Ibiza-Affäre war insofern schlecht für Sie, weil es schon wieder einen Wechsel im Sportministerium gibt. Sport funktioniert grundsätzlich nicht wie die Politik, weil es langfristiges Denken über Legislaturperioden hinaus erfordert. Wir müssen auch einmal zehn bis 15 Jahre vorausplanen. Der junge Sportler wird nicht in acht, sondern erst in zwölf oder 16 Jahren um Medaillen kämpfen. Bis dorthin muss er geführt werden und planen können. SN: Was macht den Reiz Ihrer Bootsklasse aus? Nacra 17 ist der einzige Katamaran, der olympisch ist, und der einzige, der foiled. Bisher haben wir uns mit Wellen beschäftigt, jetzt aber auch mit Fliegen und physikalischen Prinzipien, was den Sport noch einmal facettenreicher macht. Aber er ist auch so extrem, dass schwere Verletzungen passieren können. Ein Kollege hat sich vier Finger abgetrennt. Hut ab vor den Mädels, weil die Person weiter vorne mehr Katapultwirkung hat. Wer unsere Videos sieht, weiß, dass die Babsi öfter mal mit etwas Blut rauskommt. Es gehört eine Portion Mut dazu, bei so vielen Booten und mit dem Speed. SN: Da gab es wohl nicht viele Kandidatinnen, die für den Platz im Boot infrage kamen? Es war selbst guten Seglerinnen, die wir getestet haben, zu steil. Es gehört ein innerer Trieb dazu, verrückt genug zu sein, das durchzuziehen. Babsi ist gleich von der Jugend rauf in die olympische Bootsklasse. Da ist nicht nur eine Welt dazwischen, sondern ein Universum. Wofür andere acht Jahre Zeit bekamen, das musste sie in ein paar Wochen lernen. Sie macht einen wahnsinnig guten Job. SN: Könnte die Frau auch den Steuermann-Part übernehmen? Ja. Es waren deshalb bisher mehr Männer, weil aus den Katamaranklassen mehr mit Erfahrung kamen und in der Jugend die Dichte bei den Männern größer ist. Es gibt schon ein paar gute Mädels, die Steuerfrauen sind. Ich bin mir sicher, dass es in Zukunft mehr geben wird. SN: Würden Sie selbst auch die Rollen tauschen? Wenn es Erfolg versprechend wäre, ja. Aber der Job an der Vorschot ist härter. Da ich zwei kaputte Wirbel habe, würde ich mir schwertun mit der Rotation. Ich weiß nicht, ob ich das durchhalten würde. SN: Werden Sie im Alter Ihres argentinischen Konkurrenten Santiago Lange (Gold in Rio, 57 Jahre) noch olympisch segeln? Das kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Ich wundere mich auch, wie er das schafft. Aber ich sehe auch, wie es bei harten Bedingungen auf seinen Körper geht. SN: Wie nehmen Sie die Verschmutzung der Meere wahr? Überall, wo wir sind, ist Dreck. Als Segelsportler tut einem das weh. Das ist unser Arbeitsplatz und Wohnraum, wo wir unser ganzes Leben verbringen. Wir machen bei jeder Regatta einen Beach-CleanDay, um ein Zeichen zu setzen.