Salzburger Nachrichten

Auf der Suche nach dem „Mehr“

Hör auf deinen Körper. Das ist das Mantra eines Ultratriat­hleten, der sich vorgenomme­n hat, 4526 Kilometer zurückzule­gen. Am Stück.

- STEPHANIE RAUSCH

Ultratriat­hlet Norbert Lüftenegge­r will heuer den Weltcup gewinnen. So wie auch schon 2015. Ein Ironman (3,8 km schwimmen, 180 km Rad fahren, 42,2 km laufen) ist für ihn eher lockeres Training. Was den Salzburger wirklich reizt, sind Veranstalt­ungen wie der Triple-Ironman in Bad Blumau oder der Fünffach-Ironman in York, den er gewonnen hat. Oder jene 20-fach-Bewerbe über 4500 km, die er ab 12. August in Angriff nimmt. Im SN-Gespräch erklärt Norbert Lüftenegge­r, warum er gar nicht so verrückt ist, wie es scheint. SN: Wieso entschloss­en Sie sich, einen Ultratriat­hlon (Mehrfach-Ironman) in Angriff zu nehmen? Lüftenegge­r: Ich mache das noch nicht so lang. Weil ich Rückenprob­leme und eine leichte Schiefstel­lung im Becken hatte, begann ich zu laufen. Und das hat mir geholfen. Dann kamen die ersten Triathlon- und Ironman-Veranstalt­ungen. Ab da wollte ich immer weitergehe­n. SN: Worin liegt für Sie der Reiz? Der Reiz sind das Besondere und die Distanz. Ich bin gern an speziellen Orten, wie zum Beispiel beim Marathon auf der Chinesisch­en Mauer. Oder wie damals, als ich in Norwegen im Fjord geschwomme­n bin. Das Rennen in der Wüste war auch ein Highlight. Das machen nicht viele, wir sind wie eine Familie. Wenn es dann plötzlich alle machen, verliert es den Reiz für mich. SN: Sie planen einen 20-fachen Ironman. Wie hält das der menschlich­e Körper aus? Eine Langdistan­z und eine Mehrfach-Langdistan­z sind zwei ganz verschiede­ne Sportarten. Das Tolle an den Ultradista­nzen ist, dass die Belastung immer auf einem niedrigen Niveau bleibt. So verrückt ist das also gar nicht. Man wählt ein Wohlfühlte­mpo, das man ewig durchhalte­n könnte. Der Double Deca wird wahrschein­lich meine größte Herausford­erung bis jetzt. Aber ich freue mich sehr darauf, weil ich noch nie so viel trainiert habe wie dieses Jahr. Verletzt bin ich zum Glück auch nie. Das ist ein weiterer Vorteil am Ultratriat­hlon: Körperlich ist er viel weniger belastend. SN: Wie stark ist die mentale Belastung bei solchen Distanzen? Im Grunde ist das für mich eine Entspannun­gsübung. Damit wird für mich der Kopf wieder frei. Bei 3600 Kilometern am Rad ist dafür natürlich sehr viel Zeit, da unterhalte­n sich die Teilnehmer aber auch gegenseiti­g. SN: Denken Sie, es ist eine gefährlich­e Entwicklun­g, dass das „Spiel mit dem Leiden“immer mehr boomt? Auf jeden Fall. Man sieht nicht von außen, wie gut jemand vorbereite­t ist. Alles, was bis zum Ironman geht, ist noch ansatzweis­e vertretbar, wobei das ohne die richtige Vorbereitu­ng auch grenzwerti­g ist. Ich habe Respekt vor jedem, der das so ins Ziel bringt. Aber gesund ist das dann mit hoher Wahrschein­lichkeit nicht mehr – und Gesundheit ist nun einmal das Allerwicht­igste. SN: Glauben Sie, dass es einen evolutionä­ren Grund dafür gibt, dass wir uns immer mehr zu solchen extremen Dingen hingezogen fühlen? Ich glaube nicht, dass das für alle gilt. Ich mache auch erst seit ein paar Jahren Sport und ich merke für mich einfach, dass es mir viel besser geht. Ich bin nicht der Typ, der jedem rät, er soll das machen, was ich tue. Früher mussten wir Menschen uns notgedrung­en sehr viel bewegen, heute tun es die, die es wollen. Ich denke, es besteht aber sicherlich ein Urinstinkt, der uns unsere Grenzen immer weiter austesten lässt. Der Mensch sucht wohl nach einem „Mehr“. Ob dieses „Mehr“gerade im Sport liegt, ist individuel­l.

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BILD: SN/LÜFTENEGGE­R Liebt Extreme: Norbert Lüftenegge­r.

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