Auf der Suche nach dem „Mehr“
Hör auf deinen Körper. Das ist das Mantra eines Ultratriathleten, der sich vorgenommen hat, 4526 Kilometer zurückzulegen. Am Stück.
Ultratriathlet Norbert Lüftenegger will heuer den Weltcup gewinnen. So wie auch schon 2015. Ein Ironman (3,8 km schwimmen, 180 km Rad fahren, 42,2 km laufen) ist für ihn eher lockeres Training. Was den Salzburger wirklich reizt, sind Veranstaltungen wie der Triple-Ironman in Bad Blumau oder der Fünffach-Ironman in York, den er gewonnen hat. Oder jene 20-fach-Bewerbe über 4500 km, die er ab 12. August in Angriff nimmt. Im SN-Gespräch erklärt Norbert Lüftenegger, warum er gar nicht so verrückt ist, wie es scheint. SN: Wieso entschlossen Sie sich, einen Ultratriathlon (Mehrfach-Ironman) in Angriff zu nehmen? Lüftenegger: Ich mache das noch nicht so lang. Weil ich Rückenprobleme und eine leichte Schiefstellung im Becken hatte, begann ich zu laufen. Und das hat mir geholfen. Dann kamen die ersten Triathlon- und Ironman-Veranstaltungen. Ab da wollte ich immer weitergehen. SN: Worin liegt für Sie der Reiz? Der Reiz sind das Besondere und die Distanz. Ich bin gern an speziellen Orten, wie zum Beispiel beim Marathon auf der Chinesischen Mauer. Oder wie damals, als ich in Norwegen im Fjord geschwommen bin. Das Rennen in der Wüste war auch ein Highlight. Das machen nicht viele, wir sind wie eine Familie. Wenn es dann plötzlich alle machen, verliert es den Reiz für mich. SN: Sie planen einen 20-fachen Ironman. Wie hält das der menschliche Körper aus? Eine Langdistanz und eine Mehrfach-Langdistanz sind zwei ganz verschiedene Sportarten. Das Tolle an den Ultradistanzen ist, dass die Belastung immer auf einem niedrigen Niveau bleibt. So verrückt ist das also gar nicht. Man wählt ein Wohlfühltempo, das man ewig durchhalten könnte. Der Double Deca wird wahrscheinlich meine größte Herausforderung bis jetzt. Aber ich freue mich sehr darauf, weil ich noch nie so viel trainiert habe wie dieses Jahr. Verletzt bin ich zum Glück auch nie. Das ist ein weiterer Vorteil am Ultratriathlon: Körperlich ist er viel weniger belastend. SN: Wie stark ist die mentale Belastung bei solchen Distanzen? Im Grunde ist das für mich eine Entspannungsübung. Damit wird für mich der Kopf wieder frei. Bei 3600 Kilometern am Rad ist dafür natürlich sehr viel Zeit, da unterhalten sich die Teilnehmer aber auch gegenseitig. SN: Denken Sie, es ist eine gefährliche Entwicklung, dass das „Spiel mit dem Leiden“immer mehr boomt? Auf jeden Fall. Man sieht nicht von außen, wie gut jemand vorbereitet ist. Alles, was bis zum Ironman geht, ist noch ansatzweise vertretbar, wobei das ohne die richtige Vorbereitung auch grenzwertig ist. Ich habe Respekt vor jedem, der das so ins Ziel bringt. Aber gesund ist das dann mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr – und Gesundheit ist nun einmal das Allerwichtigste. SN: Glauben Sie, dass es einen evolutionären Grund dafür gibt, dass wir uns immer mehr zu solchen extremen Dingen hingezogen fühlen? Ich glaube nicht, dass das für alle gilt. Ich mache auch erst seit ein paar Jahren Sport und ich merke für mich einfach, dass es mir viel besser geht. Ich bin nicht der Typ, der jedem rät, er soll das machen, was ich tue. Früher mussten wir Menschen uns notgedrungen sehr viel bewegen, heute tun es die, die es wollen. Ich denke, es besteht aber sicherlich ein Urinstinkt, der uns unsere Grenzen immer weiter austesten lässt. Der Mensch sucht wohl nach einem „Mehr“. Ob dieses „Mehr“gerade im Sport liegt, ist individuell.