Die Berge müssen frei bleiben
Wir müssen uns die Grenzen selbst setzen, bevor wir dazu gezwungen werden.
Die Salzburger Innenstadt und viele Straßen im Land sind in der Hauptreisezeit voll. Und auch in den Bergen ist inzwischen mancherorts die Grenze erreicht. Nach mehreren durch Verantwortungslosigkeit ausgelösten Einsätzen der Bergrettung und angesichts einer generell stark steigenden Einsatzzahl infolge des boomenden Bergtourismus fordert die Vorsitzende des Alpenvereins Salzburg, Brigitte Slupetzky, keine neuen Klettersteige und Bergwege mehr zu errichten, um die Leute nicht überall hinzulocken. Genug sei genug.
Das schmeckt nicht allen Bergfreunden und Touristikern. Aber der von Slupetzky angedeutete Weg ist der richtige. Wir müssen uns selbst Grenzen setzen, bevor in den Bergen Verbote, Sperrgebiete und Zugangsbeschränkungen notwendig sind.
Viele Bergsteiger und Wanderer sagen, es sei die Freiheit, die sie in die Natur locke. Man kann gehen, wohin man will. Niemand macht einem Vorschriften und es steht nicht hinter jeder Ecke ein Verbotsschild. Sogar gesellschaftliche Schranken fallen weg. Auf dem Berg gibt es keinen Unterschied zwischen Arbeiter und Generaldirektor. Nicht umsonst grüßen sich die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangenen Naturfreunde mit dem Gruß „Berg frei!“. Aber mit dieser Freiheit muss verantwortungsbewusst umgegangen werden. Ihr Missbrauch und der Massenandrang bedrohen sie.
Die Freiheit des Menschen endet bekanntlich dort, wo die des Mitmenschen beginnt. Sie endet dort, wo man aus grober Fahrlässigkeit Rettungseinsätze auslöst. Wo Tourengeher und Freerider in jeden Graben vordringen und das Wild aufscheuchen, was in der Folge zu Waldschäden führt. Sie endet dort, wo man den Nachkommenden Müll und zertrampelte Vegetation hinterlässt.
Je mehr Menschen in den Bergen unterwegs sind, desto sichtbarer werden die Spuren, die sie hinterlassen, und desto häufiger gibt es Auswüchse. Aber selbst Über allen Gipfeln ist Rummel . . . wenn sich alle vorbildlich verhalten würden, macht es ein Massenandrang unmöglich, dass der Einzelne auf dem Berg das Rückzugsgebiet, das Naturerlebnis und die Ruhe findet, die er sucht.
Auf manchen Modebergen sieht man im Winter inzwischen Karawanen von Tourengehern und man muss sich für das Gipfelfoto anstellen. Auf dem Großglockner bilden sich Staus von Bergsteigern. Natürliche Pools am Königssee wurden durch die sozialen Medien dermaßen bekannt, dass der Müll und die zerstörte Pflanzendecke, die die vielen Besucher hinterlassen, zur Diskussion über eine Sperre geführt haben. Seit die Dolomiten UNESCO-Welterbe sind, explodierten die Besucherzahlen und Geheimtipps haben sich zum überlaufenen Magneten verwandelt. Manche in Südtirol bereuen inzwischen, dass man sich als Welterbe beworben hat. Das sind Einzelfälle und in Salzburg ist es noch vergleichsweise harmlos. Aber man muss auf der Hut sein und sollte nicht noch mehr Besucher anlocken. Die negativen Folgen könnten Salzburgs natürliches Kapital entwerten.
Nur ist es schwierig geworden, ohne Verbote die Kontrolle über den Zustrom zu behalten. Zum Teil hat uns das Internet das Steuer aus der Hand genommen. Aber man muss den Andrang nicht noch befeuern – durch immer neue Apartments und Betten, durch ein Dauerfeuer von schönen Bildern in den sozialen Medien, durch noch mehr Veranstaltungen, durch den Wettlauf um das größte Skigebiet und den spektakulärsten Klettersteig. Touristischer Erfolg sollte nicht mehr an den Übernachtungszahlen gemessen werden, sondern an Wertschöpfung, guten Arbeitsplätzen, Lebensqualität und Nachhaltigkeit. Das Schlagwort „Qualität statt Quantität“muss stärker gelebt werden.