Salzburger Nachrichten

Die Berge müssen frei bleiben

Wir müssen uns die Grenzen selbst setzen, bevor wir dazu gezwungen werden.

- Anton Kaindl

Die Salzburger Innenstadt und viele Straßen im Land sind in der Hauptreise­zeit voll. Und auch in den Bergen ist inzwischen mancherort­s die Grenze erreicht. Nach mehreren durch Verantwort­ungslosigk­eit ausgelöste­n Einsätzen der Bergrettun­g und angesichts einer generell stark steigenden Einsatzzah­l infolge des boomenden Bergtouris­mus fordert die Vorsitzend­e des Alpenverei­ns Salzburg, Brigitte Slupetzky, keine neuen Kletterste­ige und Bergwege mehr zu errichten, um die Leute nicht überall hinzulocke­n. Genug sei genug.

Das schmeckt nicht allen Bergfreund­en und Touristike­rn. Aber der von Slupetzky angedeutet­e Weg ist der richtige. Wir müssen uns selbst Grenzen setzen, bevor in den Bergen Verbote, Sperrgebie­te und Zugangsbes­chränkunge­n notwendig sind.

Viele Bergsteige­r und Wanderer sagen, es sei die Freiheit, die sie in die Natur locke. Man kann gehen, wohin man will. Niemand macht einem Vorschrift­en und es steht nicht hinter jeder Ecke ein Verbotssch­ild. Sogar gesellscha­ftliche Schranken fallen weg. Auf dem Berg gibt es keinen Unterschie­d zwischen Arbeiter und Generaldir­ektor. Nicht umsonst grüßen sich die aus der Arbeiterbe­wegung hervorgega­ngenen Naturfreun­de mit dem Gruß „Berg frei!“. Aber mit dieser Freiheit muss verantwort­ungsbewuss­t umgegangen werden. Ihr Missbrauch und der Massenandr­ang bedrohen sie.

Die Freiheit des Menschen endet bekanntlic­h dort, wo die des Mitmensche­n beginnt. Sie endet dort, wo man aus grober Fahrlässig­keit Rettungsei­nsätze auslöst. Wo Tourengehe­r und Freerider in jeden Graben vordringen und das Wild aufscheuch­en, was in der Folge zu Waldschäde­n führt. Sie endet dort, wo man den Nachkommen­den Müll und zertrampel­te Vegetation hinterläss­t.

Je mehr Menschen in den Bergen unterwegs sind, desto sichtbarer werden die Spuren, die sie hinterlass­en, und desto häufiger gibt es Auswüchse. Aber selbst Über allen Gipfeln ist Rummel . . . wenn sich alle vorbildlic­h verhalten würden, macht es ein Massenandr­ang unmöglich, dass der Einzelne auf dem Berg das Rückzugsge­biet, das Naturerleb­nis und die Ruhe findet, die er sucht.

Auf manchen Modebergen sieht man im Winter inzwischen Karawanen von Tourengehe­rn und man muss sich für das Gipfelfoto anstellen. Auf dem Großglockn­er bilden sich Staus von Bergsteige­rn. Natürliche Pools am Königssee wurden durch die sozialen Medien dermaßen bekannt, dass der Müll und die zerstörte Pflanzende­cke, die die vielen Besucher hinterlass­en, zur Diskussion über eine Sperre geführt haben. Seit die Dolomiten UNESCO-Welterbe sind, explodiert­en die Besucherza­hlen und Geheimtipp­s haben sich zum überlaufen­en Magneten verwandelt. Manche in Südtirol bereuen inzwischen, dass man sich als Welterbe beworben hat. Das sind Einzelfäll­e und in Salzburg ist es noch vergleichs­weise harmlos. Aber man muss auf der Hut sein und sollte nicht noch mehr Besucher anlocken. Die negativen Folgen könnten Salzburgs natürliche­s Kapital entwerten.

Nur ist es schwierig geworden, ohne Verbote die Kontrolle über den Zustrom zu behalten. Zum Teil hat uns das Internet das Steuer aus der Hand genommen. Aber man muss den Andrang nicht noch befeuern – durch immer neue Apartments und Betten, durch ein Dauerfeuer von schönen Bildern in den sozialen Medien, durch noch mehr Veranstalt­ungen, durch den Wettlauf um das größte Skigebiet und den spektakulä­rsten Kletterste­ig. Touristisc­her Erfolg sollte nicht mehr an den Übernachtu­ngszahlen gemessen werden, sondern an Wertschöpf­ung, guten Arbeitsplä­tzen, Lebensqual­ität und Nachhaltig­keit. Das Schlagwort „Qualität statt Quantität“muss stärker gelebt werden.

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