Wirtschaft
Das Budget einer Alleinerzieherin
Null Euro in der Geldtasche und das schon am 25. eines Monats – so sieht das Haushaltsbudget der Salzburger Familie Lindinger (Name geändert) aus.
Die Mutter und ihre drei minderjährigen Kinder stehen für viele Ein-Eltern-Familien in ähnlich beklemmender Lage. Die junge Frau geht arbeiten, spart wo sie kann und kommt trotzdem nicht mit dem Geld aus, das ihr zur Verfügung steht. Die 2247 Euro (siehe Finanztagebuch) sind mit drei Kindern rasch verbraucht. Ein Grund für ihre Geldknappheit ist, dass die Väter ihrer Kinder nicht arbeiten und daher nur wenig Kindesunterhalt zahlen. Dazu kommt ein beruflicher Neubeginn. Im Frühjahr endete Lindingers Babykarenz mit der zweijährigen jüngsten Tochter. Seither arbeitet die Salzburgerin als Angestellte in einem Handelsbetrieb. „Ich bin gelernte Kellnerin, aber der Beruf ist so familienfeindlich. Kellnern kann ich mit drei Kindern nicht“, sagt sie. Als ungelernte Kraft im Handel wird Lindinger auf der untersten Stufe entlohnt. Für 20 Stunden Regaleräumen bekommt sie 705 Euro.
Einschränken muss sich die Familie in allen Lebensbereichen. „Gott sei Dank essen die Kinder in der Nachmittagsbetreuung“, sagt die Alleinerzieherin. Abends gibt es nur eine Jause. Der letzte Urlaub liegt über zehn Jahre zurück. Jede Anschaffung für die Kinder muss gut überlegt werden.
Bei einer Fahrradversteigerung des Magistrats Salzburg hat Lindinger für ihren Sohn ein gebrauchtes Rad erstanden. Es hat 60 Euro gekostet. Jetzt wäre das gar nicht drin, sagt sie. Während die zweijährige Tochter beim Interview durch den Raum rennt und klettert, meint die junge Mutter: „Die Kleine ist so lebhaft, Kinderturnen wäre super. Aber das geht sich nicht aus.“Genauso wie für ihren Sohn Fußballspielen im Verein. Die ältere Tochter solle sich auf die Schule konzentrieren. Zum Glück stelle sie wenig Ansprüche. Für Extraaktivitäten sei sowieso kein Geld da.
Es gibt auch so schon Probleme. Im Frühjahr ist die Familie mit den Stromkosten in Rückstand geraten. Der Strom wurde abgedreht. „Klar ist es dumm, den Strom nicht zu zahlen. Aber ich musste ja Essen für uns kaufen“, meint Lindinger. Sie bat die Caritas um Hilfe. Jetzt zahlt sie die entstandene Schuld ratenweise ab. Inzwischen hängt sie mit der Miete. Eine Abwärtsspirale hat sich zu drehen begonnen. Lindinger hält die Handflächen nach oben und sagt: „Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.“
Mithilfe der Caritas Salzburg bemüht sich die Alleinerzieherin derzeit um Mindestsicherung. Eine solche hatte sie bis zu ihrer Arbeitsaufnahme bezogen. Als sie zum Karenzende hin neuerlich darum ansuchte, lehnte das Sozialamt ihren Antrag ab. Nach Ansicht der Caritas stünden ihr fast 300 Euro monatlich zu. Damit könnte es mit der beschlossenen Sozialhilfe Neu aber wieder vorbei sein. Es kann noch Änderungen geben. Denn noch ist offen, wie und wie schnell die Bundesländer die neue Gesetzeslage konkret in Länderbestimmungen umsetzen. Spätestens mit 1. Juni 2021 gelten die neuen Regelungen für alle Sozialhilfebezieher.
Sozialorganisationen fürchten in jedem Fall Verschlechterungen für die Bezieher, da die Länder neuerdings Ober- statt Untergrenzen einhalten müssen. Außerdem steht es den Bundesländern frei, Alleinerziehenden einen „Bonus“zu gewähren oder auch nicht. Diese Kann-Bestimmung wird vor allem von der Plattform für Alleinerziehende massiv kritisiert. Doris Pettighofer, Leiterin der Geschäftsstelle der Plattform, beschreibt die wachsende Besorgnis betroffener Ein-Eltern-Familien: „Alleinerziehende mit Mindestsicherung bringt das bereits jetzt in große Bedrängnis. Viele sind in großer Sorge, dass sie mit Einführung der Neuregelung Ende 2019 ihre Leben nicht mehr finanzieren können.“
Die Armutskonferenz befürchtet, dass das neue Sozialhilfegesetz Armut verfestigen werde. Dass man vom System der Mindestsicherung abkehren will, hält die Diakonie für bedenklich. Konkret sehe man dies an der Formulierung, dass als primäres Ziel des Grundsatzgesetzes nicht mehr die „Sicherung des Lebensunterhalts“, sondern nur mehr dessen „Unterstützung“vorgesehen sei.
„Die Lebenshaltungskosten werden in der neuen Sozialhilfe weniger berücksichtigt als in der bisherigen Mindestsicherung“, betont auch Torsten Bichler von der Caritas Salzburg. Stattdessen werde der Wohnaufwand so hoch angelegt, dass am Ende oft die Bezieher durch die Finger schauten. Und nicht einmal der Grundsatz „Arbeit muss sich wieder lohnen“treffe zu. Bichler: „Nur wer aus dem Sozialhilfebezug heraus eine Arbeit beginnt, bekommt dann noch den Freibetrag für Berufstätige. Wer schon arbeitet, kriegt ihn nicht.“Das mache immerhin 87 Euro bei Teilzeit und 160 Euro bei Vollzeit aus.
Bei Frau Lindinger treffen beide genannten Aspekte zu. Bichler empören diese Fallstricke. Es sei eine Unart armen Menschen im Land gegenüber. Bichler: „Die geplante Sozialhilfe Neu trägt die Handschrift von Juristen.“Mit der realen Lebenssituation armer Menschen habe sie großteils nichts zu tun. Im Fall der Salzburger Familie hat der zuständige Caritas-Sozialbetreuer recherchiert, wie viel Sozialhilfe Neu ihr zustehen wird. Auch den geplanten Alleinerzieherbonus für drei Kinder hat er eingerechnet. Unterm Strich steht ein voraussichtlicher Sozialhilfeanspruch von „minus 93 Euro“, also weniger als nichts.