Kulinarium
Leberkas in Niederbayern
Der Niederbayer, so sagt man, habe nicht unbedingt einen ausgeprägten Hang zur pflanzlichen Ernährung. Schon gar nicht der von Sebastian Bezzel gespielte Dorfpolizist Franz Eberhofer aus den Krimis von Rita Falk. Dieser erinnert mit seinen Essgewohnheiten eher an Obelix. In Niederbayern ist das Weißwurst-Frühstück ebenso bekannt wie die vormittägliche Leberkas-Brotzeit. Beide Mahlzeiten, so heißt es, würden die Wartezeit auf den mittäglichen Schweinsbraten halbwegs erträglich machen. Dem Vegetarismus gibt sich der Niederbayer höchstens lautmalerisch hin. Er kennt keine faschierten Laibchen. Aber er liebt Fleischpflanzerl. Ähnliches berichtet auch der Kabarettist und Musiker Hannes Ringlstetter in der von ihm verfassten Hymne für Niederbayern, die er der Einfachheit halber „Niederbayern“getauft hat: Wo’s Haxn und Hendl und Ochsa und Würschtl grilln. Wo de Kinder no Dreck fressan ois Abwehr gega Bazilln. Wo jeder zwoate zum Arbatn zu BMW rennt. Wo ma jedn griaßt auf da Straßn, weil ma eh jedn kennt. Wo de junga Leid no mid Goaßmass, Tequila und Rüscherl feiern – Niederbayern. Die zweite große Leidenschaft des Niederbayern ist natürlich Bier. Das beweist allein schon die Hallertau, die wahlweise auch Holledau oder Hollerdau geschrieben wird. Das ist eine Kulturlandschaft, die über das weltweit größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet verfügt. Der Niederbayer gibt sich beim Biergenuss hin und wieder gern auch weltmännisch. Dann nennt er sein Bier Hopfenkaltschale. Dieses Täuschen und Tarnen formuliert Ringlstetter in seiner Hymne übrigens so: Oba gonz einischaun konn ma do in koan. Oba sicha is ned wia im Fernsehn – dahoam is dahoam.
Die Raffinesse niederbayerischer Kochkunst kann man sehr gut im „Halsbacher Kochbuch“nachlesen. Das wurde 1998 vom katholischen Frauenbund herausgegeben. Darin sind nicht nur Klassiker wie Dampfnudeln, Rupfhauben und Zwetschgendatschi zu finden. Nein: Auch die niederbayerische Antwort auf die Pizza. Sie lautet – kein Scherz: Pizzaleberkas. Die Zubereitung ist denkbar einfach. Man fügt dem klassischen Leberkasbrät einfach kleingeschnittenen Schinken, Salami, Champignons, Mais, Paprikaschoten und Pizzagewürz hinzu. Eine weitere moderne Errungenschaft der niederbayerischen Küche ist wiederum der Fanta-Kuchen. Im Teig sind natürlich Zucker, Eier und Mehl enthalten. Aber wer braucht schon Milch, wenn er Fanta hat. Der katholische Frauenbund empfiehlt gleich eine ganze Dose der Orangenlimonade. Weil das Rezept aus dem Jahr 1998 stammt, kann man davon ausgehen, dass heute die Damen für ihre Dorffeste bereits mit Red Bull backen.
Die Krimiautorin Rita Falk würde ob dieser kulinarischen Ausschweifungen aber wohl die Nase rümpfen. Die Titel ihrer Krimis sind allesamt klassischer Natur. Beginnend mit „Winterkartoffelknödel“hantelte sie sich mit „Dampfnudelblues“zur „Grießnockerlaffäre“bis hin zur „Weißwurstconnection“– um nur einige zu nennen.
Kartoffeln sind überhaupt ein großes Thema in der niederbayerischen Küche. Und hier wiederum vor allem der Reiberdatschi. Dieses Gericht klingt wie eine Mischung aus Räuber und Anführer. Und tatsächlich gab es im sechsten Jahrhundert einen georgischen König namens Datschi. Räuber Datschi? Mitnichten. „Datschi kommt von datschen und detschen. Oiso vom Drucka auf den Kartoffeltoag, sodass kreisrunde dicke Pletschn entstengan.“So hat mir das die Oma erklärt. Bei dem Gedanken an die nebelverhangenen Morgen, an denen sie die Haut von der warmen Milch zog, damit das Brot besser eingeweicht werden konnte, wird mir noch heute warm ums Herz. Es gab nie viel in Niederbayern. Aber immer gab es liebe Leute um einen herum. In Niederkaltenkirchen beim Dorfpolizist Eberhofer genauso wie bei der Oma in Machendorf bei Kirchdorf bei Simbach am Inn. Oder wie singt Ringlstetter?
Wo die Frauen ganz ohne Islam bei da Arbat no Kopfdiacha drong. Wo kaum oana an Urlaub bucht, do muass di hi verschlong.
Wo ma grad is und ehrlich und manchmoi a laut. Wo ma si no gega Großkopfade wos song traut. Wo der Biber ois zammfrisst, da Marder den Rest –
drei Bierbänk, a Fassl san do scho a Fest.