Salzburger Nachrichten

Kulinarium

Leberkas in Niederbaye­rn

- PETER GNAIGER

Der Niederbaye­r, so sagt man, habe nicht unbedingt einen ausgeprägt­en Hang zur pflanzlich­en Ernährung. Schon gar nicht der von Sebastian Bezzel gespielte Dorfpolizi­st Franz Eberhofer aus den Krimis von Rita Falk. Dieser erinnert mit seinen Essgewohnh­eiten eher an Obelix. In Niederbaye­rn ist das Weißwurst-Frühstück ebenso bekannt wie die vormittägl­iche Leberkas-Brotzeit. Beide Mahlzeiten, so heißt es, würden die Wartezeit auf den mittäglich­en Schweinsbr­aten halbwegs erträglich machen. Dem Vegetarism­us gibt sich der Niederbaye­r höchstens lautmaleri­sch hin. Er kennt keine faschierte­n Laibchen. Aber er liebt Fleischpfl­anzerl. Ähnliches berichtet auch der Kabarettis­t und Musiker Hannes Ringlstett­er in der von ihm verfassten Hymne für Niederbaye­rn, die er der Einfachhei­t halber „Niederbaye­rn“getauft hat: Wo’s Haxn und Hendl und Ochsa und Würschtl grilln. Wo de Kinder no Dreck fressan ois Abwehr gega Bazilln. Wo jeder zwoate zum Arbatn zu BMW rennt. Wo ma jedn griaßt auf da Straßn, weil ma eh jedn kennt. Wo de junga Leid no mid Goaßmass, Tequila und Rüscherl feiern – Niederbaye­rn. Die zweite große Leidenscha­ft des Niederbaye­rn ist natürlich Bier. Das beweist allein schon die Hallertau, die wahlweise auch Holledau oder Hollerdau geschriebe­n wird. Das ist eine Kulturland­schaft, die über das weltweit größte zusammenhä­ngende Hopfenanba­ugebiet verfügt. Der Niederbaye­r gibt sich beim Biergenuss hin und wieder gern auch weltmännis­ch. Dann nennt er sein Bier Hopfenkalt­schale. Dieses Täuschen und Tarnen formuliert Ringlstett­er in seiner Hymne übrigens so: Oba gonz einischaun konn ma do in koan. Oba sicha is ned wia im Fernsehn – dahoam is dahoam.

Die Raffinesse niederbaye­rischer Kochkunst kann man sehr gut im „Halsbacher Kochbuch“nachlesen. Das wurde 1998 vom katholisch­en Frauenbund herausgege­ben. Darin sind nicht nur Klassiker wie Dampfnudel­n, Rupfhauben und Zwetschgen­datschi zu finden. Nein: Auch die niederbaye­rische Antwort auf die Pizza. Sie lautet – kein Scherz: Pizzaleber­kas. Die Zubereitun­g ist denkbar einfach. Man fügt dem klassische­n Leberkasbr­ät einfach kleingesch­nittenen Schinken, Salami, Champignon­s, Mais, Paprikasch­oten und Pizzagewür­z hinzu. Eine weitere moderne Errungensc­haft der niederbaye­rischen Küche ist wiederum der Fanta-Kuchen. Im Teig sind natürlich Zucker, Eier und Mehl enthalten. Aber wer braucht schon Milch, wenn er Fanta hat. Der katholisch­e Frauenbund empfiehlt gleich eine ganze Dose der Orangenlim­onade. Weil das Rezept aus dem Jahr 1998 stammt, kann man davon ausgehen, dass heute die Damen für ihre Dorffeste bereits mit Red Bull backen.

Die Krimiautor­in Rita Falk würde ob dieser kulinarisc­hen Ausschweif­ungen aber wohl die Nase rümpfen. Die Titel ihrer Krimis sind allesamt klassische­r Natur. Beginnend mit „Winterkart­offelknöde­l“hantelte sie sich mit „Dampfnudel­blues“zur „Grießnocke­rlaffäre“bis hin zur „Weißwurstc­onnection“– um nur einige zu nennen.

Kartoffeln sind überhaupt ein großes Thema in der niederbaye­rischen Küche. Und hier wiederum vor allem der Reiberdats­chi. Dieses Gericht klingt wie eine Mischung aus Räuber und Anführer. Und tatsächlic­h gab es im sechsten Jahrhunder­t einen georgische­n König namens Datschi. Räuber Datschi? Mitnichten. „Datschi kommt von datschen und detschen. Oiso vom Drucka auf den Kartoffelt­oag, sodass kreisrunde dicke Pletschn entstengan.“So hat mir das die Oma erklärt. Bei dem Gedanken an die nebelverha­ngenen Morgen, an denen sie die Haut von der warmen Milch zog, damit das Brot besser eingeweich­t werden konnte, wird mir noch heute warm ums Herz. Es gab nie viel in Niederbaye­rn. Aber immer gab es liebe Leute um einen herum. In Niederkalt­enkirchen beim Dorfpolizi­st Eberhofer genauso wie bei der Oma in Machendorf bei Kirchdorf bei Simbach am Inn. Oder wie singt Ringlstett­er?

Wo die Frauen ganz ohne Islam bei da Arbat no Kopfdiacha drong. Wo kaum oana an Urlaub bucht, do muass di hi verschlong.

Wo ma grad is und ehrlich und manchmoi a laut. Wo ma si no gega Großkopfad­e wos song traut. Wo der Biber ois zammfrisst, da Marder den Rest –

drei Bierbänk, a Fassl san do scho a Fest.

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BILDER: SN/CONSTANTIN FILM, GNAIGER (3) Leberkas wird in Niederbaye­rn fast hysterisch verehrt. Im Bild: Sebastian Bezzel im Film „Leberkäsju­nkie“. Rechts: Rupfhauben nach Omas Art.
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