Wer dem Klima schadet, zahlt
Wie gerecht wäre eine Klimaprämie? Das deutsche Umweltministerium hat geprüft.
Eigentlich ist das Prinzip einfach: Wer Treibhausgase verursacht, zahlt – und das ist ein Anreiz, die Emissionen zu senken und Schritt für Schritt klimafreundlicher zu werden.
Aber: Ist das nicht nur etwas für Reiche? Was machen jene, die mit schmalem Einkommen im schlecht gedämmten Mietshaus in der Provinz leben und jeden Tag zur Arbeit pendeln müssen?
Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat drei Forschungsinstitute durchrechnen lassen, wer wie belastet würde. Die Kosten für eine Tonne CO2 wurden für 2020 mit 35 Euro angenommen. Der Preis soll bis 2030 jedes Jahr um 14,50 Euro steigen und schließlich bei 180 Euro halten. Die Politik könne das „sozial gerecht gestalten“, sagte Schulze. Entscheidend ist, dass der Staat die CO2Einnahmen nicht behält. Stattdessen sollte das Geld komplett an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen.
Am Jahresende erhält jeder Einzelne, auch Kinder, eine Klimaprämie. Diese Prämie ist für alle gleich hoch. Wer also eher klimafreundlich lebt – die Wohnung klein, das Auto spritsparend – zahlt weniger CO2-Steuern, bekommt aber genauso viel Geld zurück, wie jene, die im großen Appartement wohnen und SUV fahren.
Unternehmen sollen bei klimafreundlichen Investitionen unterstützt werden. Wer wie Handwerker oder Hebammen viel unterwegs ist, soll sich etwa leichter ein E-Fahrzeug anschaffen können.
Vor gar nicht langer Zeit war die Einführung eines CO2-Preises in Deutschland undenkbar. In Österreich ist es das immer noch. Frankreich muss als abschreckendes Beispiel herhalten. Als der Sprit dort teurer wurde, entbrannten die „Gelbwesten“Proteste. Doch der Druck nimmt zu. Erstens gehen Jugendliche freitags regelmäßig auf die Straße und fordern mehr Klimaschutz ein. Zweitens macht sich mit Dürren, Hitzewellen und Hagelstürmen die Erderwärmung vor der Haustür empfindlich bemerkbar. Drittens wird Nichtstun noch viel teuer.
Verfehlen Deutschland oder Österreich ihre EU-Klimaziele, müssen sie Verschmutzungszertifikate in anderen EU-Ländern nachkaufen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) plant für die nächsten drei Jahre 300 Millionen Euro ein, danach wird es möglicherweise um Milliardenbeträge gehen. Österreichs Politik würde das Thema am liebsten totschweigen, eine Anfragebeantwortung der damals zuständigen Ministerin Elisabeth Köstinger im Frühjahr bestätigte aber die Berechnungen von Ökonomen: Mehrere Milliarden Euro Steuergeld könnten fällig werden. Wäre es da nicht klüger, Emissionen einzusparen?
Schulzes Berechnungen ergaben, dass der Liter Sprit bei einer CO2Steuer in Höhe von 35 Euro pro Tonne um zehn Cent teurer würde. Bei einer CO2-Steuer in Höhe von 180 Euro würde der Liter Sprit um 51 Cent mehr kosten.
Ein Liter Diesel und Heizöl würde sich elf beziehungsweise 57 Cent verteuern. Die Preise für eine Kilowattstunde Erdgas würden um einen bzw. vier Cent steigen.
Durch das schrittweise Erhöhen der CO2-Preise sollen Bürgerinnen und Bürger Zeit zur Umstellung erhalten. Denn es sei schwierig, kurzfristig das Haus zu dämmen oder die Heizung zu erneuern, sagt Uwe Nestle vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, das eines der Gutachten erarbeitet hat.
Einen Aufschlag auf besonders klimaschädigendes Kerosin, das die Flugzeuge tanken, haben die Forscher übrigens nicht berechnet. Eine nationale Regelung für den Flugverkehr hält die Umweltministerin für „nicht sinnvoll“.
Und wer zahlt was? 2023 liegt der CO2-Preis laut Annahme bei 80 Euro pro Tonne und jeder bekommt eine Klimaprämie in Höhe von 80 Euro. Einer Durchschnittsstudentin, die allein in der Stadt lebt und ein Nettoeinkommen von rund 11.382 Euro im Jahr hat, bleiben – abzüglich der von ihr geleisteten CO2-Steuer – 54 Euro Gewinn übrig. Eine Familie mit drei Kindern, einem Haus in einer kleineren Ortschaft, zwei Autos, der Hauptverdiener in einem 20 Kilometer entfernten Job mit einem Jahreseinkommen von 66.230 Euro, müsste sieben Euro draufzahlen – oder andersherum: Die Familie zahlt 407 Euro CO2-Abgabe, erhält aber nur 400 Euro zurück.
Alles hängt daran, wie klug der CO2-Preis gemacht ist. „Jede Tonne CO2 mit einem Preis zu versehen, hat auf jeden Fall die gewünschte Wirkung: Es reduziert die Nachfrage nach Heizund Kraftstoffen und sorgt für geringere Emissionen“, kommentiert Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, das ebenfalls eingebunden war. Und was meint die Ministerin? „Es braucht einen Wettbewerb um das beste Modell“, betont Schulze.