Schwarzwalduhren ohne Kuckuck
Es darf auch ein Stierkampf sein
Wer heute an Uhren aus dem Schwarzwald denkt, hat meist ein geschnitztes, hölzernes Häuschen vor Augen, traditionell mit Laub und Tiermotiven, Gewichten in Form von Tannenzapfen und dem unverzichtbaren Kuckuck. Das Design geht auf den Architekten Friedrich Eisenlohr (1804–1852) zurück, der 1850 an einem Wettbewerb teilnahm und von Bahnwärterhäuschen inspiriert wurde. Die Bahnhäusle-Uhr wurde mit dem Kuckuck verbunden zum Verkaufsschlager. Aber schon davor waren Schwarzwälder Uhren heiß begehrt: nämlich Lackschilduhren, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert in alle Welt exportiert wurden. Produziert wurden sie im häuslichen Kleingewerbe, wobei auch Frauen als qualifizierte Handwerkerinnen auftraten. Die Uhrenherstellung bot gerade in bäuerlichen Kreisen, in denen ein Sohn den Hof erbte, den Geschwistern ein gutes Einkommen; oft wurde am Hof eine Werkstatt eingerichtet. Uhrenträger sowie Großhändler („Packer“) vertrieben die Waren weiter, die ihren Weg u. a. bis nach England, Spanien, Frankreich und Russland fanden. Die bogenförmigen Holzschilder wurden nach Belieben bemalt, wobei Schablonen und Abziehbilder eingesetzt wurden. Der Preis konnte günstig gehalten werden, sodass die Uhren auch in weniger reiche Haushalte Einzug hielten. Was die Motive betraf, orientierte man sich am Geschmack in den Exportländern: In Frankreich schätzte man farbenprächtige Uhrschilder, in Spanien waren Stierkampfszenen beliebt und als 1827 in Frankreich erstmals eine Giraffe präsentiert wurde, fand man im tiefsten Schwarzwald ein neues Motiv. Alexandra Bleyer