Salzburger Nachrichten

Regenwette­r bringt mehr Punkte

Anreiz für Klimaschüt­zer: Wie Unternehme­n Mitarbeite­r mit Ökopunkten fürs Pendeln ohne Auto belohnen.

-

SALZBURG. Gerhard Berlinger fährt die zehn Kilometer zwischen seinem Wohnort Alberschwe­nde im Bregenzerw­ald bis zu seiner Arbeitsstä­tte in Wolfurt oft mit dem Fahrrad. An knapp 180 Tagen pendelte er im Vorjahr ohne Auto in sein Büro beim Industrieu­nternehmen Haberkorn – und versorgte sich und seine Familie dadurch mit regionalem Biogemüse.

Wie das geht? Mehr als ein Dutzend Unternehme­n und Gemeinden haben sich in Vorarlberg zusammenge­schlossen und belohnen ihre Mitarbeite­r mit einem Ökopunktes­ystem, wenn diese nicht mit dem Auto pendeln. Wer genügend sogenannte Ecopoints gesammelt hat, kann sie gegen eine Fahrradrep­aratur, Sportausrü­stung, Massage, Öffi-Tickets oder Gemüsekist­en eintausche­n.

Andreas Dörler hat mit seiner Softwarefi­rma das System programmie­rt. Warum ein Unternehme­n mitmachen sollte? „Unternehme­n bringt das gleich in mehrfacher Hinsicht Vorteile. Vor allem braucht man weniger Parkplätze. Und die sind wahnsinnig teuer. Zudem sind die Mitarbeite­r gesünder und für das Image der Firma ist es auch nicht schlecht.“Die Plattform nutzen bereits mehr als zehntausen­d Personen – auch in anderen Bundesländ­ern und in der Schweiz. Für viele Unternehme­n gibt es Schnittste­llen zum hauseigene­n Zeiterfass­ungssystem. Mitarbeite­r können also direkt beim Einstempel­n Ökopunkte sammeln. Das System basiert auf der Ehrlichkei­t der Mitarbeite­r. Ein Ranking zeigt jedoch den aktuellen Punktestan­d der Kollegen an. Damit wird recht effektiv verhindert, dass jemand Punkte einheimsen will, dessen Auto auf dem Firmenpark­platz steht.

35.000 Ecopoints hat Gerhard Berlinger – er ist Mobilitäts­beauftragt­er bei Haberkorn – im Vorjahr gesammelt. Auch Mitarbeite­r in Innsbruck, Graz, Villach und Leonding können für die sanfte Anreise zur Arbeitsste­lle Punkte sammeln. Ecopoints gibt es für jeden Kilometer, der nicht allein im Auto gefahren wird, und jeden Tag, an dem kein Parkplatz benötigt wird. „Ein Teil der Punkte ist kilometera­bhängig. Einen zweiten Teil bekommt man dafür, dass man keinen Parkplatz blockiert. Da ist die Summe bei jedem gleich. Die Mitarbeite­r, die in der Nähe wohnen, sollen nicht bestraft werden“, erklärt Berlinger. Wer regelmäßig öffentlich, zu Fuß, mit dem Rad oder in Fahrgemein­schaften kommt, kann übers Jahr durchaus eine signifikan­te Summe ansparen. Wer häufig aufs Auto verzichtet, soll mindestens den Wert eines Jahrestick­ets für die Öffis erreichen. Und das kostet in Vorarlberg derzeit 370 Euro.

Die Ökopunkte sind nicht die einzigen Maßnahmen: Bei Haberkorn haben Fahrgemein­schaften Parkplätze direkt vor der Tür. Eine Fahrplanau­skunft zeigt im Eingangsbe­reich an, wann der nächste Bus fährt. Es gibt auch Jobtickets – also kostenlose Öffi-Fahrkarten für den Weg von zu Hause zur Arbeit. Firmeneige­ne Jobräder stehen für die Wege zwischen Bahnhof und Betrieb bereit. Dass diese Maßnahmen etwas bringen, merkt man auch an den Zahlen, die zwei Mal im Jahr erhoben werden. Zuletzt reisten mehr als 40 Prozent der 400 Mitarbeite­r mit dem eigenen Auto an, fast 60 Prozent kamen zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. „Mit dem Wert sind wir sehr zufrieden. Er hat sich seit 2008 umgedreht: Damals kamen 60 Prozent mit dem Auto.“

Bei dem Vorarlberg­er Unternehme­n koppelt man die Ecopoints jetzt an eine Wetterdate­nbank: Wenn es regnet oder schneit, gibt es mehr Punkte. „Das Problem ist: Wenn das Wetter schön ist, kommen viele mit dem Rad. Aber bei Regen haben wir gleich ein Parkplatzp­roblem“, sagt Berlinger.

Ins Leben gerufen hat das Punktesamm­eln ursprüngli­ch die Firma Omicron. Auch die 16 Mitarbeite­r des Tochterunt­ernehmens Adresys mit Sitz im Techno-Z in Salzburg machen seit Jahren mit. „Die Erfahrunge­n sind gut“, sagt Josef Schmidbaue­r von Adresys. Ein Mal im Jahr werden alle, die nicht mit dem Auto kommen, auf ein Mobilitäts­frühstück eingeladen. Während der Kaffee am Tisch dampft und die Croissants duften, repariert ein Mechaniker die Fahrräder. In der OmicronZen­trale in Klaus wird die Anreise per Rad auch noch mit anderen Annehmlich­keiten unterstütz­t: In Fahrradtie­fgaragen gibt es Serviceber­eiche und E-Bike-Ladeplätze. In den Umkleiderä­umen nebenan können Mitarbeite­r bei Bedarf duschen. Ein Handtuch-Service ist dabei inklusive.

„Immer mehr kommen ohne Auto.“Gerhard Berlinger, Haberkorn

 ?? BILD: SN/YOSSARIAN6 - STOCK.ADOBE.COM ?? Auch kühles Nass hält ambitionie­rte Radpendler nicht ab.
BILD: SN/YOSSARIAN6 - STOCK.ADOBE.COM Auch kühles Nass hält ambitionie­rte Radpendler nicht ab.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria