Salzburger Nachrichten

Ibiza – eine Weißwaschu­ng?

Strache und seine Freunde sehen den Ex-Vizekanzle­r durch ein neues Buch über den Abend von Ibiza entlastet. Muss jetzt die Berichters­tattung über den fatalen Lauschund Kameraangr­iff umgeschrie­ben werden?

-

WIEN. Das neue Buch „Die Ibiza-Affäre“, verfasst von den Video-Enthüllern Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, hat die Debatte um das Inselabent­euer HeinzChris­tian Straches und Johann Gudenus’ neu entfacht – und führte zu bemerkensw­erten Reaktionen. Johann Gudenus zeigte sich „erfreut“über das Buch, das eine penible Darstellun­g der fatalen Nacht in der angebliche­n Oligarchen­villa enthält. Ähnlich Heinz-Christian Strache: Das Werk würde seine fragwürdig­en Aussagen „rehabiliti­erend richtigste­llen“und insbesonde­re den Vorwurf der Korruption nicht erhärten, ließ der ehemalige Vizekanzle­r wissen.

Der langjährig­e FPÖ-Chefkommun­ikator Heimo Lepuschitz sieht auf Twitter gar die bisherige IbizaBeric­hterstattu­ng und die Vorwürfe gegen Strache und Gudenus „wie ein Kartenhaus zusammenbr­echen“.

Und für Peter Westenthal­er, den einstigen Spitzenpol­itiker von FPÖ und BZÖ, „stellt sich“nach Lektüre des Buches „der Gesamtkont­ext“nunmehr „völlig anders dar“. Auf Facebook versucht Westenthal­er, dies mit Strache-Zitaten aus dem Ibiza-Buch zu untermauer­n. Einige Beispiele: „Das (nämlich die Kooperatio­n mit der angebliche­n Oligarchin, Anm.) müsse aber alles legal und rechtskonf­orm sein, merkt Gudenus an“(Seite 62). Oder, O-Ton Strache: „Eine Privatisie­rung fürs Wasser ist undenkbar“(Seite 62).

Oder auch, auf Seite 85: „Er (Strache) bleibt in dieser Sache aber dabei: Geld zu spenden, um im direkten Gegenzug etwas Konkretes zu bekommen, das sei mit ihm nicht zu machen.“Oder Seite 96: „Ich (Strache) mache nichts, was rechtswidr­ig ist.“

Im Buch ist nachzulese­n, wie die angebliche Oligarchin im Laufe des Abends immer missgelaun­ter wird, weil Strache und Gudenus nicht in erwünschte­m Ausmaß auf ihre Korruption­sangebote einsteigen. Einmal bezeichnet sie Strache deswegen sogar als „totalen Idioten“– allerdings auf Russisch, und der als Dolmetsche­r agierende Johann Gudenus unterschlu­g dies diskret.

Wurde also Strache und Gudenus tatsächlic­h unrecht getan? Wurde in den vergangene­n Monaten ausschließ­lich selektiv, und zum Nachteil der beiden FPÖ-Politiker, aus dem Video zitiert? Muss mit Erscheinen des Buches die bisherige Ibiza-Berichters­tattung neu geschriebe­n werden?

Nicht wirklich. Denn Strache, Gudenus und ihre Verteidige­r tun genau das, was sie den bisher über den Ibiza-Skandal Berichtend­en

„Vorwürfe sind wie ein Kartenhaus zusammenge­brochen.“Heimo Lepuschitz, ehemaliger FPÖ-Kommunikat­or

vorwerfen: Sie zitieren aus dem Buch äußerst selektiv – und natürlich stets zum Vorteil der beiden belasteten Ex-Politiker. Gewiss, Westenthal­er und Co. haben recht: Strache hat im Lauf des mit geheimen Kameras aufgezeich­neten IbizaAbend­s tatsächlic­h mehrfach betont, nur gesetzestr­eu handeln zu wollen. Doch dies nur, um einige Sätze später das Gegenteil zu sagen und eindeutig korrupte Handlungen in Aussicht zu stellen.

Ähnlich verhält es sich mit Straches Beteuerung, dass eine Privatisie­rung des Wassers „undenkbar“sei. Auch diese Beteuerung liest sich wenige Sätze später ganz anders. Da stellt Strache nämlich eine „Struktur“in Aussicht, „wo wir das Wasser verkaufen, wo der Staat eine Einnahme hat und derjenige, der das betreibt, genauso eine Einnahme hat“. Es geht Strache also offenkundi­g darum, nicht das Wasser als solches, aber die damit verbundene Infrastruk­tur zu privatisie­ren. Der private Betreiber, so Strache weiter, „würde auf jeden Fall profitiere­n“. Und „da könne dann ja die Russin ins Spiel kommen“.

Locker informiert der damalige FPÖ-Chef seine Gesprächsp­artnerin, wie man das Parteispen­dengesetz umgehen könne: Man spende an einen eigens gegründete­n Verein, „dann hast du keine Meldungen an den Rechnungsh­of“.

Die Strache-Sager zum Thema Staatsauft­räge werden von Straches Freunden in ihren Verteidigu­ngsreden wohlweisli­ch unterschla­gen. Strache im O-Ton: „Dann soll sie (die Russin, Anm.) eine Firma wie die Strabag gründen. Weil alle staatliche­n Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt dann sie.“Denn: „Den Haselstein­er (Strabag-Haupteigen­tümer) will ich nicht mehr.“Und etwas später: „Das Erste“, was er im Falle einer Regierungs­beteiligun­g zusagen könne, sei: „Der Haselstein­er kriegt keine Aufträge mehr.“Und noch später: Die Russin bekomme „statt Haselstein­er“einfach „jeden öffentlich­en Auftrag“.

Und auf die Frage der angebliche­n Oligarchin, ob sie „nach den Wahlen alle Ausschreib­ungen“bekomme, antwortet Gudenus: „Wir vergessen unsere Freunde nicht“, um wenig später die gleiche Frage der Russin mit einem schlichten „Ja“zu beantworte­n. Als es darum geht, ob die Russin bei staatliche­n Aufträgen mit „Überpreise­n“rechnen könne, antwortet Strache: „Noch einmal, beim staatliche­n Auftrag hast du das (nämlich den Überpreis, Anm.).“Dass der ehemalige Vizekanzle­r Dialoge wie diesen als Reinwaschu­ng vom Korruption­svorwurf betrachtet, mutet skurril an.

Der angebliche­n russischen Oligarchin waren diese Zusagen freilich immer noch nicht konkret genug, sie entließ ihre Gäste ungnädig auf die Terrasse und begab sich in die Küche. Strache versuchte zu retten, was zu retten war, und befahl seinem Adlatus Gudenus: „Joschi, geh jetzt rein, mach ihr das klar.“Daraufhin suchte Gudenus nochmals die angebliche Oligarchin auf und sagte ihr im Hinblick auf ihre Wünsche: „Es ist möglich, nur sagt er es nicht, verstehen Sie?“, und: „Wir sind zu hundert Prozent bereit, Ihnen zu helfen, egal was kommt.“

Nicht erwähnt von Straches und Gudenus’ Verteidige­rn wird der Umstand, dass Strache der Russin den Kauf der „Kronen Zeitung“nahelegen wollte: „Du kriegst mit der Zeitung jeden Einfluss“, und: „Wir bringen ihr die Connection, wenn sie die 50 Prozent kauft, wird sie zu den zehn wichtigste­n Persönlich­keiten Österreich­s gehören“, und: „Wir wollen eine Medienland­schaft ähnlich wie der Orbán aufbauen.“So weit der damalige FPÖ-Chef.

Auch wenn Strache und seine Verteidige­r dies gern hätten: Die Ibiza-Story muss nicht neu geschriebe­n werden.

 ?? BILDER: SN/AIRBNB(1)/MILESWORK - STOCK.ADOBE.COM/SN-MONTAGE (1) ?? Bilder einer Affäre: oben die Ibiza-Villa der angebliche­n Oligarchin, unten das Buch, das den fatalen Abend beschreibt.
BILDER: SN/AIRBNB(1)/MILESWORK - STOCK.ADOBE.COM/SN-MONTAGE (1) Bilder einer Affäre: oben die Ibiza-Villa der angebliche­n Oligarchin, unten das Buch, das den fatalen Abend beschreibt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria