Salzburger Nachrichten

Ein Pionier des Kost-nix-Unfugs hat schon ausgedient

Der Urahn aller Gratistage­szeitungen ist am Ende. Indessen wird hochwertig­e Informatio­n auch digital zusehends kostenpfli­chtig.

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Schwedens einst größte Tageszeitu­ng erscheint nicht mehr. Der mit 35 Millionen Lesern ehemals weltweit reichweite­nstärkste Zeitungshe­rausgeber ist am Ende. Das Blatt hieß „Metro“. Exportiert­e Ausgaben unter diesem Namen und Logo, aber mit anderen Eigentümer­n existieren noch. Doch das ist nicht der Grund, warum es diese Nachricht nicht einmal in die Randspalte­n schafft. Andere Zeitungen weinen dem Machwerk keine Träne nach, weil es als Symbol für die Entwertung von Journalism­us steht.

Mit „Metro“begann 1995 ein globaler Boom von Gratiszeit­ungen. Die für den schnellen Konsum in der Stockholme­r U-Bahn entworfene Gazette mischte im Nu auch von Göteborg und Malmö aus den dicht besetzten Pressemark­t Schwedens auf, wo es mehr als zehn Mal so viele Tageszeitu­ngen wie in Österreich gibt. Ihr Konzept ist der Urahn von Gratisblät­tern wie „Heute“, das in Wien mehr Reichweite als die „Krone“hat, aber mit einem Angriff auf die „Kleine“in Graz gescheiter­t ist.

„Metro“markierte auch deshalb einen Wendepunkt zur Gratis-Unkultur im Mediensekt­or, weil sich sein schneller Auf- und langsamer Abstieg im Schatten eines anderen vermeintli­chen Kost-nix-Nachrichte­nträgers vollzogen hat. Es erschien seit 1995, als in Österreich das Internet zum Vertriebsk­anal von aktuellen Nachrichte­n wurde. Der „Standard“ging damals online. Die ungewollte Botschaft hinter beiden Entwicklun­gen wurde zu spät bewusst: Journalism­us, der Träger dieser Informatio­n ist nichts wert.

Dementspre­chend lässt sich nun das Ende von „Metro“als positives oder negatives Symbol deuten. Wer ein Glas eher halb leer sieht, wird in jenen Chor einstimmen, der seit Langem das nahe Ende des Mediums Zeitung beschwört. Oder gar dem Totengräbe­r von „Metro“beipflicht­en, der sagt, Journalism­us passe nicht mehr in den Businesspl­an, denn er sei eine ineffizien­te und altmodisch­e Methode, Inhalte zu produziere­n. Wer ein Glas lieber als halb voll betrachtet, darf frohlocken, dass die für öffentlich­e Verkehrsmi­ttel konzipiert­en Gratistagb­lätter immer weniger funktionie­ren, weil das Smartphone ihnen den Rang abläuft. Dann hätten die Kaufzeitun­gen einen Konkurrent­en weniger.

Die Frage nach der Finanzieru­ng von Journalism­us in der digitalen Ära ist damit nicht beantworte­t. Aber gerade in einer Phase, in der immer mehr hochwertig­e journalist­ische Informatio­nsangebote auch online kostenpfli­chtig werden, birgt das Ende des wegweisend­en Gratistite­ls ein gutes Zeichen: Vertrauens­würdige, journalist­ische Informatio­n kostet. Sie ist eine Grundlage der Demokratie. Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

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Peter Plaikner

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