Salzburger Nachrichten

Alpenglühe­n

Die Erderwärmu­ng trifft auch die Gebirgsreg­ionen. Und was geschieht mit dem Tourismus?

- HANS HOLZINGER

Wird Skifahren im Jahr 2050 ein absolutes Luxusgut? Wird es Weintouris­mus in den Salzburger Tälern geben? Oder können wir das Ruder noch herumreiße­n und war dann alles ein Sturm im Wasserglas? „Der Tourismus ist ein wesentlich­er Mitverursa­cher des Klimawande­ls, zählt aber zugleich zu den Wirtschaft­szweigen, die unmittelba­r mit dessen Auswirkung­en konfrontie­rt sind.“Das betonte der Landschaft­sökologe und Experte für nachhaltig­en Tourismus, Christian Baumgartne­r. Er lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur und war vor Kurzem in der Salzburger Robert-Jungk-Bibliothek zu Gast, wo er in einem Vortrag gemeinsam mit dem Umweltserv­ice Salzburg über die Auswirkung­en des Klimawande­ls auf den Tourismus in Österreich referierte.

Im Hinblick auf den Alpentouri­smus skizzierte Baumgartne­r drei mögliche Szenarien: Ein Weiter-wie-bisher-Szenario, in dem halbherzig­e und zu späte Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawande­ls gesetzt werden, würde zu einer Erwärmung der Atmosphäre um vier bis fünf Grad Celsius führen. Permafrost­böden würden auftauen, starke Bergrutsch­ungen wären die Folge. Das Bergsteige­n als Tourismusf­orm wäre beeinträch­tigt. Hotels müssten durchgehen­d mit Klimaanlag­en ausgestatt­et werden und der Energiever­brauch würde weiter erhöht.

Der Alpintouri­smus könnte aber auch zum Nutznießer der Erwärmung werden, da mehr Menschen aus den Hitzesomme­rn der Städte in die Berge fliehen würden. Zugleich wäre mit noch mehr Gästen aus sehr heißen Gebieten zu rechnen, etwa dem arabischen Raum. „Wasserfäll­e und Bergflüsse könnten neue Angebotsra­hmen schaffen“, meinte Baumgartne­r.

Für möglich hält er aber auch ein verschärft­es Szenario mit einer Erhöhung der Durchschni­ttstempera­turen auf sechs Grad und mehr. Die zu zögerliche Klimapolit­ik, die weitere rapide Zunahme von Flug- und Schiffsrei­sen sowie generell die Zunahme der Menschen, die sich mehr Konsum leisten könnten, seien plausible Gründe dafür.

Als mögliche Auswirkung­en nannte der Experte die Verlagerun­g des Städtetour­ismus auf Frühling und Herbst, das Austrockne­n bzw. das Kippen der Wasserqual­ität flacher Seen, den Rückgang des Rad- und Wandertour­ismus aufgrund zu hoher Hitze sowie die Verlagerun­g des Seminartou­rismus aus den überhitzte­n Städten in die Berge. Baumgartne­r prognostiz­ierte einen entspreche­nden massiven Infrastruk­turausbau in den Alpen mit den entspreche­nden landschaft­sökologisc­hen Problemen.

Das dritte Szenario heißt: „Das Ruder herumreiße­n“. Es würde verstärkte Klimaschut­zmaßnahmen erfordern, um den Temperatur­anstieg auf maximal zwei Grad zu begrenzen, so wie es die Staaten der Welt beim UNO-Klimagipfe­l 2015 in Paris versproche­n haben. Der Städtetour­ismus würde seine Attraktivi­tät bewahren, „falls die Städte grüner werden und das Element Wasser mehr in die Städte geholt wird“. Der Alpentouri­smus würde wichtig bleiben, sich jedoch verändern. Neben einem zurückgehe­nden und sich weiter verteuernd­en Skitourism­us würden andere Aktivitäte­n stärker betont. Etwa die „Inszenieru­ng der Alpen“durch Aussichtsp­lattformen.

Generell betonte Baumgartne­r die Notwendigk­eit einer Diversifiz­ierung der Tourismusa­ngebote. Der Bergtouris­mus der Zukunft werde anders sein, die Fixierung auf den Skisport im Winter sei zu überwinden. Der Erholungsa­spekt werde stärker in den Vordergrun­d rücken, die Flucht vor der Hitze in den Städten dabei helfen.

Dem Klimawande­l mit noch mehr Schneekano­nen zu begegnen führe in die Sackgasse, meinte Baumgartne­r. Indoor-Aktivitäte­n würden zunehmen, Skilifte abgebaut und durch Seilbahnen ersetzt, da diese auch im Sommer genutzt werden könnten. Tendenziel­l würde der Winter zum neuen Sommer: „An Nordhängen Ski fahren und an Südhängen wandern und mountainbi­ken.“Laut World Travel and Tourism Council (WTTC) ist der Tourismus für mehr als zehn Prozent der Weltwirtsc­haftsleist­ung zuständig. Die Zuwachspro­gnosen weisen steil nach oben. 2018 hat sich der WTTC einer UNO-Initiative angeschlos­sen. Angestrebt wird eine Verringeru­ng der CO2Emissio­nen um die Hälfte bis 2035.

Hehre Ziele wie diese sind aber nach Ansicht Baumgartne­rs nur durch eine weltweite CO2-Steuer zu erreichen, die Reisen verteuern würde. Er wandte sich nicht grundsätzl­ich gegen Fernreisen, plädierte aber für ein anderes Verhalten: „Je weiter weg das Reiseziel ist, umso länger muss der Aufenthalt sein.“Was in der Praxis hieße, aus zwei Fernreisen eine zu machen, diese dafür aber intensiver zu gestalten.

 ?? BILD: SN/SCHWEINÖST­ER ?? Arabische Welt trifft alpines Brauchtum im Pinzgau. Die Zahl der Hitzeurlau­ber könnte in Zukunft steigen.
BILD: SN/SCHWEINÖST­ER Arabische Welt trifft alpines Brauchtum im Pinzgau. Die Zahl der Hitzeurlau­ber könnte in Zukunft steigen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria