Alpenglühen
Die Erderwärmung trifft auch die Gebirgsregionen. Und was geschieht mit dem Tourismus?
Wird Skifahren im Jahr 2050 ein absolutes Luxusgut? Wird es Weintourismus in den Salzburger Tälern geben? Oder können wir das Ruder noch herumreißen und war dann alles ein Sturm im Wasserglas? „Der Tourismus ist ein wesentlicher Mitverursacher des Klimawandels, zählt aber zugleich zu den Wirtschaftszweigen, die unmittelbar mit dessen Auswirkungen konfrontiert sind.“Das betonte der Landschaftsökologe und Experte für nachhaltigen Tourismus, Christian Baumgartner. Er lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur und war vor Kurzem in der Salzburger Robert-Jungk-Bibliothek zu Gast, wo er in einem Vortrag gemeinsam mit dem Umweltservice Salzburg über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Österreich referierte.
Im Hinblick auf den Alpentourismus skizzierte Baumgartner drei mögliche Szenarien: Ein Weiter-wie-bisher-Szenario, in dem halbherzige und zu späte Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels gesetzt werden, würde zu einer Erwärmung der Atmosphäre um vier bis fünf Grad Celsius führen. Permafrostböden würden auftauen, starke Bergrutschungen wären die Folge. Das Bergsteigen als Tourismusform wäre beeinträchtigt. Hotels müssten durchgehend mit Klimaanlagen ausgestattet werden und der Energieverbrauch würde weiter erhöht.
Der Alpintourismus könnte aber auch zum Nutznießer der Erwärmung werden, da mehr Menschen aus den Hitzesommern der Städte in die Berge fliehen würden. Zugleich wäre mit noch mehr Gästen aus sehr heißen Gebieten zu rechnen, etwa dem arabischen Raum. „Wasserfälle und Bergflüsse könnten neue Angebotsrahmen schaffen“, meinte Baumgartner.
Für möglich hält er aber auch ein verschärftes Szenario mit einer Erhöhung der Durchschnittstemperaturen auf sechs Grad und mehr. Die zu zögerliche Klimapolitik, die weitere rapide Zunahme von Flug- und Schiffsreisen sowie generell die Zunahme der Menschen, die sich mehr Konsum leisten könnten, seien plausible Gründe dafür.
Als mögliche Auswirkungen nannte der Experte die Verlagerung des Städtetourismus auf Frühling und Herbst, das Austrocknen bzw. das Kippen der Wasserqualität flacher Seen, den Rückgang des Rad- und Wandertourismus aufgrund zu hoher Hitze sowie die Verlagerung des Seminartourismus aus den überhitzten Städten in die Berge. Baumgartner prognostizierte einen entsprechenden massiven Infrastrukturausbau in den Alpen mit den entsprechenden landschaftsökologischen Problemen.
Das dritte Szenario heißt: „Das Ruder herumreißen“. Es würde verstärkte Klimaschutzmaßnahmen erfordern, um den Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad zu begrenzen, so wie es die Staaten der Welt beim UNO-Klimagipfel 2015 in Paris versprochen haben. Der Städtetourismus würde seine Attraktivität bewahren, „falls die Städte grüner werden und das Element Wasser mehr in die Städte geholt wird“. Der Alpentourismus würde wichtig bleiben, sich jedoch verändern. Neben einem zurückgehenden und sich weiter verteuernden Skitourismus würden andere Aktivitäten stärker betont. Etwa die „Inszenierung der Alpen“durch Aussichtsplattformen.
Generell betonte Baumgartner die Notwendigkeit einer Diversifizierung der Tourismusangebote. Der Bergtourismus der Zukunft werde anders sein, die Fixierung auf den Skisport im Winter sei zu überwinden. Der Erholungsaspekt werde stärker in den Vordergrund rücken, die Flucht vor der Hitze in den Städten dabei helfen.
Dem Klimawandel mit noch mehr Schneekanonen zu begegnen führe in die Sackgasse, meinte Baumgartner. Indoor-Aktivitäten würden zunehmen, Skilifte abgebaut und durch Seilbahnen ersetzt, da diese auch im Sommer genutzt werden könnten. Tendenziell würde der Winter zum neuen Sommer: „An Nordhängen Ski fahren und an Südhängen wandern und mountainbiken.“Laut World Travel and Tourism Council (WTTC) ist der Tourismus für mehr als zehn Prozent der Weltwirtschaftsleistung zuständig. Die Zuwachsprognosen weisen steil nach oben. 2018 hat sich der WTTC einer UNO-Initiative angeschlossen. Angestrebt wird eine Verringerung der CO2Emissionen um die Hälfte bis 2035.
Hehre Ziele wie diese sind aber nach Ansicht Baumgartners nur durch eine weltweite CO2-Steuer zu erreichen, die Reisen verteuern würde. Er wandte sich nicht grundsätzlich gegen Fernreisen, plädierte aber für ein anderes Verhalten: „Je weiter weg das Reiseziel ist, umso länger muss der Aufenthalt sein.“Was in der Praxis hieße, aus zwei Fernreisen eine zu machen, diese dafür aber intensiver zu gestalten.