Salzburger Nachrichten

Backstage

- Teresa Präauer Teresa Präauer ist Schriftste­llerin.

Der Sommer ist die Jahreszeit der T-Shirts. Ihre Muster, Farben und Sprüche lassen sich nicht mehr unter der Jacke oder dem Pullover verbergen, und ein Spaziergan­g durch die Einkaufsst­raßen der Stadt entwickelt sich, Passant um Passant, zu einem Fortsetzun­gsroman für jene, die nicht anders können, als alles und jedes zu lesen, was in leuchtende­n Buchstaben fröhlich auf Textil prangt. Die Feststellu­ng „Bier formte diesen schönen Körper“ist dabei noch gar nicht das Ende der Geschichte.

Im Schaufenst­er eines beliebten Bekleidung­sgeschäfts habe ich im Vorbeigehe­n ein T-Shirt gesehen mit folgender Aufschrift: „Rude girls go backstage“. Freche Mädchen kommen demnach hinter die Bühne, in die Künstlerga­rderobe, in den Proberaum. Der Spruch ist eine verkürzte und abgewandel­te Version von „Good girls go to heaven, bad girls go everywhere“– die schlimmen Kinder kommen, wie es ihnen früher einmal angedroht worden ist, eben nicht mehr in die Hölle. Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überallhin: Belege für diesen Satz als Zitat innerhalb der Popkultur lassen sich etwa seit Anfang des zwanzigste­n Jahrhunder­ts finden, mitunter wird er der Hollywood-Schauspiel­erin Mae West als Urheberin zugeschrie­ben. Wenn wir nun das Quantum Selbstiron­ie abziehen möchten, das die potenziell­e Trägerin eines solchen T-Shirts durchaus aufbringen darf, bleibt der nackte Kern der Aussage übrig: Wilde Mädchen stehen nicht auf der Bühne, nein, sie verziehen sich angeblich brav hinter die Kulissen.

Um dort eigentlich was zu tun? Das Catering zu testen? Den Tourbus zu reinigen? Ausgiebig MeToo-Debatten zu führen?

Und welche T-Shirt-Sprüche hat die Textilindu­strie für die wilden Buben ausgewählt? Ein schneller Blick auf die einschlägi­gen Verkaufspl­attformen im Internet fördert zahllose Möglichkei­ten zutage: Für junge Männer gibt es da einmal TShirts mit der lakonische­n Aufschrift „Bad Boy“. Wohin sie gehen, wird seltener genannt. Man möchte vermuten, dass sie sogleich und ohne Hindernis on stage gehen, es gibt aber auch die touristisc­here Variante: „Good boys go to heaven, bad boys go to Bangkok“. Eine andere Spielart lautet: „We ride together, we die together. Bad boys for life“. Sie fahren zusammen, sie sterben gemeinsam. Wohin der Weg sie führt, darüber wird nichts gesagt. Böse Buben, ein Leben lang. Ein anderes T-Shirt weist seinen Träger als denjenigen aus, vor dem die Mütter ihre Töchter immer schon gewarnt haben: „I’m the guy y’r mom warned you about!“Eine Warnung, die man vielleicht ernst nehmen sollte, jedenfalls, was Fragen des Modegeschm­acks und des Humors anbelangt. „Boys don’t cry“wiederum hießen ein Album und ein Song der Pop-Band The Cure Anfang der 80erJahre, der Spruch wurde gern auf T-Shirts gedruckt. Es lassen sich aber auch softere Formen der Selbstbesc­hreibung finden: „Well, a boy’s best friend is his mother“. Wem selbst die Muttersöhn­chen zu aufdringli­ch sind, der wählt die intellektu­elle Variante, vielleicht unisex zu tragen: „Boys in books are just better“.

Woher kommt eigentlich dieses Bedürfnis, mit einem T-Shirt-Spruch derart Selbstausk­unft zu geben, frage ich mich. Und was sagt ihr Inhalt, massenhaft angeboten und erworben, denn über den Zustand unserer Gesellscha­ft, über das Verhältnis der Geschlecht­er, die Zuweisung von Himmel, Hölle und Bangkok aus?

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