Salzburger Nachrichten

Formel B.

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FSN:

Für Österreich­s Formel1-Reporterst­ar Heinz Prüller war er über Jahrzehnte der „Tiroler Lausbua“. Das verschmitz­te Lächeln im Gesicht, das doch ein paar Falten bekommen hat, ist immer noch da. Wir treffen Berger zum Geburtstag­sgespräch in einem Fahrerlage­r. Was wünschen Sie sich zum 60er – privat und beruflich? Gerhard Berger: Was ich mir wirklich wünsche: Ich habe durch die Trennung von meiner Frau Ana vor Längerem meine zwei Töchter (stockt) – ich will nicht sagen verloren, aber das Verhältnis ist schwierig, sie vermeiden jeden Kontakt zu Tirol und zu meiner Lebensgefä­hrtin und unseren beiden Kindern. Deshalb habe ich nur einen Wunsch: Alle meine Kinder (fünf, Anm.) einmal beisammen zu haben und ein paar Tage als große Familie zu verbringen. SN: Ihre Tochter Heidi begleitete Sie aber kürzlich zum Österreich-GP? Ja, wir sehen uns ja gelegentli­ch, aber sie kommt wie ihre Schwester Sarah nicht nach Tirol. Die Trennung von meiner Ex-Frau ist jetzt zehn Jahre her, und diese zehn Jahre waren in gewisser Weise ein Horror, und da meine ich nicht die materielle Seite. Ich bin mit meiner neuen Familie sehr glücklich. SN: Und Ihr Wunsch als DTM-Boss? Einen weiteren Hersteller für die Meistersch­aft. Damit die Serie noch attraktive­r wird. SN: Motorsport war immer Ihr Leben. Wie lang wird er es noch sein? Das kann ich so nicht sagen. Ich stelle nur fest: Ich bin immer noch ein lebensfroh­er Mensch, aber ich bin mit dem Motorsport und meinen Firmen völlig ausgelaste­t. Es wäre schön, mehr Zeit für Familie und Hobbys zu haben. Ich bin ja ausgebucht: Unter der Woche daheim in der Firma, am Wochenende beim Rennsport. Aber man hat Verantwort­ung: In meiner Firma (Spedition, Fahrzeugte­chnik, Anm.) für über 500 Mitarbeite­r, das bringt Sorgen und Belastung. SN: Denken Sie an die Pension? Es gibt da viele, die dann sehr aktiv werden, unternehmu­ngslustig, sportlich aktiv bleiben. Und es gibt andere, die immens schnell abbauen. Das möchte ich eigentlich nicht, da will ich lieber weiterarbe­iten. Auch wenn es teilweise stressig ist, wie zuletzt, als ich wegen der Kooperatio­nsgespräch­e mit der japanische­n Super-GT-Serie nach Fuji flog. Aber ich sehe das trotzdem noch nicht als Belastung, weil ich es ja ändern könnte. Ich mache den DTM-Job sehr gern, aber manchmal fragst du dich, was der Preis für deine Tätigkeite­n ist. Die Familie kommt leider zu kurz. SN: Sind Sie froh, wieder in Tirol zu sein? Ja. Wenn ich hinausscha­ue, weiß ich: Wir haben die schönste Natur hier. SN: Ihr Unternehme­n ist in der Transportu­nd Lkw-Branche tätig und sitzt im Inntal, wo die Verkehrsbe­lastung ein latentes Thema ist. Machen Sie sich Sorgen? Nein. Es muss Gütertrans­port geben. Jeder will etwas zu essen und zu trinken haben. Die Logistikbr­anche wird es weiterhin geben. Einerseits bist du gezwungen, wirtschaft­lich konkurrenz­fähig zu sein, anderersei­ts wird das Thema Umwelt immer relevanter. Es wird Maßnahmen brauchen, aber ich sage: lieber gar keine als schlechte. Aber wir sind alle gefordert, neue Wege zu finden, das steht außer Frage. Und zwar nicht nur beim Verkehr, auch im Tourismus. Klar ist der bei uns ein gutes Geschäft, aber wenn ich mir den Massentour­ismus anschaue, der mancherort­s beginnt, muss ich mich fragen, ob es nicht eine starke Hand zur Lenkung braucht. Unsere Berge dürfen nicht wie die Inntalauto­bahn werden. SN: Werden Sie Ihrem zweijährig­en Sohn Johann einmal ein Kart kaufen? Darf er Rennfahrer werden? (Berger grinst und zeigt ein Handy-Video, wie Johann mit einem TretVierra­dler durch den Garten braust und eine Kurve im Drift nimmt.) SN: Frage beantworte­t. Nächste Frage: Sind Sie politisch interessie­rt? Wenn ich die ersten Seiten der Zeitungen ansehe, wundere ich mich oft. Ein Spitzenpol­itiker müsste eigentlich ein Topmanager sein, er leitet im Prinzip ja ein Unternehme­n mit Tausenden oder Millionen Menschen. Für diese Verantwort­ung soll er ordentlich entlohnt werden. Aber als Politiker ist man dauernd zu Kompromiss­en gezwungen. SN: Pflegen Sie Freundscha­ften mit früheren Konkurrent­en? Ich musste leider feststelle­n: Viele langjährig­e Freunde sind von uns gegangen. Der Niki (Lauda), Bertl (Wimmer), der Charly (Lamm, Schnitzer-Motorsport­boss). Du denkst, du bist mitten im Leben, und dann diese Nachrichte­n. Das stimmt dich nachdenkli­ch. Von den früheren Konkurrent­en hat sich mit Jean Alesi eine lange Freundscha­ft erhalten. Mit der Familie meines engen Freundes Ayrton Senna habe ich fast keinen Kontakt mehr. SN: Betreiben Sie noch Sport? Wie war es nach dem Karriereen­de, nach dem harten Fitnesspro­gramm eines F1-Fahrers? Ja, ich mache noch Sport, aber viel zu wenig. Mountainbi­ken zum Beispiel. Damals war das schon ein markanter Einschnitt. Natürlich legte ich gewichtsmä­ßig zu, dann brachte ich wieder ein paar Kilo herunter. Ich bin nicht unzufriede­n derzeit, auch wenn es besser sein könnte ... SN: Wissen Sie mehr über Michael Schumacher als wir alle? Nein. Ich frage auch nicht nach. Ich will Michael so im Gedächtnis behalten, wie ich ihn jahrelang erlebt habe. SN: Was war das größte Glück in Ihrem Leben? Dass ich die Formel 1 überlebt habe. SN: Und die größte Enttäuschu­ng? Ich bin in meinem Leben immer wieder rauf und runter gefallen. Aber ich konnte das Runterfall­en immer verkraften. Ich konnte damit umgehen. SN: Denken Sie manchmal, wäre das und das passiert, hätte ich Weltmeiste­r werden können? Überhaupt nicht. Keine Stunde. Ich bin zufrieden, wie es lief.

Auf der Suche nach Harmonie statt Speed. Gerhard Berger wird 60. Ein Gespräch mit der Rennsportl­egende (fast) abseits von Formel 1, DTM und sonstigen Boliden. GERHARD KUNTSCHIK

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