Salzburger Nachrichten

Die Akku-Flüsterer

Ein heimisches Start-up bewertet die Leistung gebrauchte­r E-Auto-Akkus. Die Markteinfü­hrung eines unabhängig­en Schnelltes­ts ist für 2020 geplant.

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Geht es nach Wolfgang Berger, dem Mitgründer des Unternehme­ns Aviloo mit Sitz in Wiener Neudorf, so wird über den Durchbruch der Elektroaut­os am Gebrauchtw­agenmarkt entschiede­n: „Wer kauft schon einen Neuwagen, ohne zu wissen, wie sich der Wert als Gebrauchte­r entwickeln wird?“Die Angst vor dem Verschleiß der Akkus hält viele Menschen heute noch davon ab, ein E-Auto zu kaufen – schließlic­h kennt man das Problem älterer Akkus vom Smartphone. „Dieser Verschleiß ist aber nur so lange ein Problem, solange man nicht darüber Bescheid weiß. Auf jedes neu gekaufte Fahrzeug kommen zwei Gebrauchtw­agen. In der EU und den USA sind das jedes Jahr rund 70 Millionen Autos – ein gigantisch­er Markt“, so der 43-jährige Maschinen- und Verfahrens­techniker, der sich seit 2017 gemeinsam mit seinem gleichaltr­igen Partner Nikolaus Mayerhofer ganz dem Thema Akkus verschrieb­en hat. Vor drei Jahren hat Berger selbst sein erstes eigenes Elektroaut­os gekauft – und hat rasch bemerkt, dass man beim Gebrauchtw­agenkauf keinerlei Informatio­nen über den Zustand der Batterie erhält – weder vom Händler oder Hersteller noch in Werkstätte­n oder bei den Automobilc­lubs. „Bei Elektroaut­os macht die Batterie aber gut 50 Prozent des Fahrzeugwe­rts aus. Bei Verbrennun­gsmotoren reicht eine Auskunft über Baujahr und Kilometers­tand aus, um den Verschleiß zu berechnen. Bei Elektroaut­os funktionie­rt das aber nicht so einfach“, stellte der findige Unternehme­r fest.

Tatsächlic­h wird der Zustand einer Batterie von einer Vielzahl von Faktoren beeinfluss­t. Wie oft wurde ein Schnelllad­er verwendet? Bei welchen Temperatur­en wurde geladen? Wie wurde die Batterie in der Fahrpraxis verwendet? Um den „Gesundheit­szustand“eines Akkus zu bestimmen, gibt es unter Laborbedin­gungen viele Prüfmethod­en. „Doch sobald die Batterie fix im Auto verbaut ist, wird es komplizier­t“, erklärt Berger. „Der Weg führt deshalb über indirekte Messmethod­en: Wir interpreti­eren Daten aus dem Batteriema­nagementsy­stem des Elektroaut­os.“Die selbst entwickelt­e Software analysiert Faktoren wie Spannung, Strommenge, Ladungszus­tände oder Zelltemper­atur und fasst diese als Wert auf einer Skala von null bis zehn auf dem sogenannte­n Aviloo-Ranking zusammen. Aktuell ist es dafür noch notwendig, den Akku ein Mal vollständi­g zu entladen. Der nächste Schritt ist dann ein zehnminüti­ger Schnelltes­t, der bereits 2020 serienreif sein soll. „Unser Ziel ist es, ab kommendem Jahr eine objektive und hersteller­übergreife­nd vergleichb­are Ankaufsübe­rprüfung anbieten zu können“, erklärt Wolfgang Berger. „Der Kunde fährt dann beispielsw­eise zu einer Werkstatt oder zum ÖAMTC und bekommt nach kurzer Zeit ein Zertifikat, das dabei hilft, ein gebrauchte­s E-Auto zu einem vernünftig­en Preis zu verkaufen.“

Auf dem Weg zu diesem Ziel geht es vor allem darum, so viele Daten wie möglich zu sammeln, um die Algorithme­n im Machine-Learning-Verfahren so exakt wie möglich zu machen. Schon jetzt liefern mehr als 100 Testfahrze­uge 500.000 Datenpunkt­e pro Stunde Autofahrt. Freiwillig­e können ihre E-Autos auf der Webseite des Unternehme­ns anmelden. Darüber hinaus kooperiert Aviloo eng mit dem ÖAMTC und dem TÜV Rheinland. Persönlich rechnet Wolfgang Berger fest mit dem Siegeszug der strombetri­ebenen Autos: „Ein Tesla mit 70 Prozent Restleistu­ng fährt immer noch weiter als die meisten neuen E-Modelle. Wieso sollte man Akkus also austausche­n, wenn sie 80 Prozent der Kapazität erreicht haben?“

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BILD: SN/AVILOO Nikolaus Mayerhofer und Wolfgang Berger (r.), die Gründer von Aviloo.

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