Sie sollen schon wieder die Welt retten
Die USA stehen für rund ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Rutschen sie in eine Rezession, könnte ein globaler Abschwung folgen. Die Politik hofft, dass es wieder die Notenbanken richten.
Die alljährlich von der US-Notenbank von Kansas City veranstaltete Konferenz in Jackson Hole ist eigentlich ein Forum, bei dem Notenbanker und Ökonomen aus aller Welt ihre Ideen zur Geldpolitik austauschen. Bei dem Treffen wird aber auch über Wohl und Wehe der Weltwirtschaft entschieden. Mit Spannung warteten vor allem die Börsenanleger auf die Rede von US-Notenbankchef Jerome Powell.
Sie einte die Hoffnung, dass er ein starkes Signal setzt und nach dem kleinen Schritt im Juli weitere Zinssenkungen in Aussicht stellt. Das gäbe der US-Börse Auftrieb, die heuer schon 20 Prozent an Wert zugelegt hat. Powell blieb aber einen Hinweis, wie es mit den Zinsen weitergeht, schuldig. Er sagte nur, die Fed werde angemessen agieren, um die wirtschaftliche Expansion zu unterstützen. Und er sagte, dass der Handelsdisput eine neue Herausforderung darstelle und es keine Vorbilder gebe, wie man darauf geldpolitisch reagieren solle.
Laut einer von Bloomberg durchgeführten Umfrage unter Ökonomen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die USA binnen eines Jahres in eine Rezession rutschen, auf 35 Prozent gestiegen. Das führt uns zu Präsident Donald Trump. Der wird zusehends nervös. Es geht um seine Wiederwahl im nächsten Jahr. Er weiß, dass ihm keine Gefahr von Waffengegnern droht. Oder von Gruppen, die seine Einwanderungspolitik kritisieren. Das Einzige, was eine zweite Amtszeit gefährden könnte, ist ein Abschwung der US-Wirtschaft. Trump wird zwar nicht müde zu betonen, dass die Amerikaner eigentlich keine andere Wahl hätten, als ihn zu wählen. Denn die US-Wirtschaft entwickle sich „großartig“und besser als unter allen anderen Präsidenten. Wie oft bei Trump stimmt das nur zum Teil. Die USA verzeichnen laut dem Forschungsinstitut National Bureau of Economic Research mit 121 Monaten ununterbrochenen Wachstums zwar den längsten Boom seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1854. Konsum und Arbeitsmarkt entwickeln sich robust, die Löhne steigen aber nur bescheiden. Und die Gefahr, dass die guten Zeiten zu Ende gehen, steigt. Trump ist daran maßgeblich beteiligt. Seine erratische Handelspolitik hat zwar den USA bisher noch wenig Schaden zugefügt, hinterlässt aber Bremsspuren in der Wirtschaft des großen Rivalen China. Und sie drückt auf die Stimmung der Weltwirtschaft. Auch die Entwicklung der Renditen macht Experten Sorgen, weil lang laufende Anleihen weniger einbringen als solche mit kürzerer Laufzeit. In der Vergangenheit war das ein verlässlicher Indikator für eine Rezession. Nicht zuletzt deshalb macht Trump Druck auf die US-Notenbank, die Zinsen kräftig zu senken, um die für die USA so wichtigen Börsen am Laufen zu halten.
Selbst die im Wochenrhythmus von Trump ausgestoßenen Beleidigungen von Fed-Chef Powell haben die Notenbank bisher aber nicht gefügig gemacht. Im Gegenteil. Esther George, Fed-Chefin von Kansas und Gastgeberin des Treffens in Jackson Hole, machte klar, was sie von den Zurufen hält. Die Wirtschaft der USA befinde sich in einem Gleichgewicht. Sie sehe weder eine Abkühlung noch eine Stärkung der Konjunktur, „die mich zu der Annahme verlassen würde, dass die Zinsen woanders liegen sollten“. Die Frage ist, wie lang sich die Notenbanker widersetzen können. Denn Politiker, nicht nur Trump, tun alles, damit sich die Stimmung in der Weltwirtschaft verschlechtert – durch kurzsichtigen Populismus, dem der neue britische Premier Boris Johnson huldigt, oder eine lethargische Wirtschaftspolitik, die Deutschland an den Rand der Rezession bringt.
Die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industriestaaten, die am Wochenende im französischen Biarritz zusammentrafen, hätten also viel zu besprechen. Die Hoffnung, dass von dort starke Impulse kommen, wie man die Weltwirtschaft vor einem neuerlichen Absturz bewahren kann, ist leider gering. Diese Untätigkeit bedeutet im Umkehrschluss, dass die Notenbanken zum Handeln gezwungen sein könnten. Nicht, um mit ruhiger Geldpolitik die Weltwirtschaft auf Kurs zu halten, sondern um deren erneuten Absturz abzuwenden.