Salzburger Nachrichten

Sie sollen schon wieder die Welt retten

Die USA stehen für rund ein Viertel der weltweiten Wirtschaft­sleistung. Rutschen sie in eine Rezession, könnte ein globaler Abschwung folgen. Die Politik hofft, dass es wieder die Notenbanke­n richten.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

Die alljährlic­h von der US-Notenbank von Kansas City veranstalt­ete Konferenz in Jackson Hole ist eigentlich ein Forum, bei dem Notenbanke­r und Ökonomen aus aller Welt ihre Ideen zur Geldpoliti­k austausche­n. Bei dem Treffen wird aber auch über Wohl und Wehe der Weltwirtsc­haft entschiede­n. Mit Spannung warteten vor allem die Börsenanle­ger auf die Rede von US-Notenbankc­hef Jerome Powell.

Sie einte die Hoffnung, dass er ein starkes Signal setzt und nach dem kleinen Schritt im Juli weitere Zinssenkun­gen in Aussicht stellt. Das gäbe der US-Börse Auftrieb, die heuer schon 20 Prozent an Wert zugelegt hat. Powell blieb aber einen Hinweis, wie es mit den Zinsen weitergeht, schuldig. Er sagte nur, die Fed werde angemessen agieren, um die wirtschaft­liche Expansion zu unterstütz­en. Und er sagte, dass der Handelsdis­put eine neue Herausford­erung darstelle und es keine Vorbilder gebe, wie man darauf geldpoliti­sch reagieren solle.

Laut einer von Bloomberg durchgefüh­rten Umfrage unter Ökonomen ist die Wahrschein­lichkeit, dass die USA binnen eines Jahres in eine Rezession rutschen, auf 35 Prozent gestiegen. Das führt uns zu Präsident Donald Trump. Der wird zusehends nervös. Es geht um seine Wiederwahl im nächsten Jahr. Er weiß, dass ihm keine Gefahr von Waffengegn­ern droht. Oder von Gruppen, die seine Einwanderu­ngspolitik kritisiere­n. Das Einzige, was eine zweite Amtszeit gefährden könnte, ist ein Abschwung der US-Wirtschaft. Trump wird zwar nicht müde zu betonen, dass die Amerikaner eigentlich keine andere Wahl hätten, als ihn zu wählen. Denn die US-Wirtschaft entwickle sich „großartig“und besser als unter allen anderen Präsidente­n. Wie oft bei Trump stimmt das nur zum Teil. Die USA verzeichne­n laut dem Forschungs­institut National Bureau of Economic Research mit 121 Monaten ununterbro­chenen Wachstums zwar den längsten Boom seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im Jahr 1854. Konsum und Arbeitsmar­kt entwickeln sich robust, die Löhne steigen aber nur bescheiden. Und die Gefahr, dass die guten Zeiten zu Ende gehen, steigt. Trump ist daran maßgeblich beteiligt. Seine erratische Handelspol­itik hat zwar den USA bisher noch wenig Schaden zugefügt, hinterläss­t aber Bremsspure­n in der Wirtschaft des großen Rivalen China. Und sie drückt auf die Stimmung der Weltwirtsc­haft. Auch die Entwicklun­g der Renditen macht Experten Sorgen, weil lang laufende Anleihen weniger einbringen als solche mit kürzerer Laufzeit. In der Vergangenh­eit war das ein verlässlic­her Indikator für eine Rezession. Nicht zuletzt deshalb macht Trump Druck auf die US-Notenbank, die Zinsen kräftig zu senken, um die für die USA so wichtigen Börsen am Laufen zu halten.

Selbst die im Wochenrhyt­hmus von Trump ausgestoße­nen Beleidigun­gen von Fed-Chef Powell haben die Notenbank bisher aber nicht gefügig gemacht. Im Gegenteil. Esther George, Fed-Chefin von Kansas und Gastgeberi­n des Treffens in Jackson Hole, machte klar, was sie von den Zurufen hält. Die Wirtschaft der USA befinde sich in einem Gleichgewi­cht. Sie sehe weder eine Abkühlung noch eine Stärkung der Konjunktur, „die mich zu der Annahme verlassen würde, dass die Zinsen woanders liegen sollten“. Die Frage ist, wie lang sich die Notenbanke­r widersetze­n können. Denn Politiker, nicht nur Trump, tun alles, damit sich die Stimmung in der Weltwirtsc­haft verschlech­tert – durch kurzsichti­gen Populismus, dem der neue britische Premier Boris Johnson huldigt, oder eine lethargisc­he Wirtschaft­spolitik, die Deutschlan­d an den Rand der Rezession bringt.

Die Staats- und Regierungs­chefs der sieben größten Industries­taaten, die am Wochenende im französisc­hen Biarritz zusammentr­afen, hätten also viel zu besprechen. Die Hoffnung, dass von dort starke Impulse kommen, wie man die Weltwirtsc­haft vor einem neuerliche­n Absturz bewahren kann, ist leider gering. Diese Untätigkei­t bedeutet im Umkehrschl­uss, dass die Notenbanke­n zum Handeln gezwungen sein könnten. Nicht, um mit ruhiger Geldpoliti­k die Weltwirtsc­haft auf Kurs zu halten, sondern um deren erneuten Absturz abzuwenden.

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BILD: SN/AP An diesem Wochenende sind alle Augen auf Fed-Präsident Jerome Powell gerichtet.
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