Anzeigepflicht von Ärzten wird nach Mordprozess angezweifelt
Frau kritisierte Medikation für ihren pflegebedürftigen Mann und kam in U-Haft. Nach ihrem Freispruch wird der Ruf nach neuen Richtlinien für Arzt-Patienten-Gespräche laut.
Nach einem Freispruch für ihre Mandanten sind Rechtsanwälte meist zufrieden. Nicht im Fall einer heute 73-jährigen Pinzgauerin. Sie hatte gegenüber einem Arzt und einem Pfleger die Medikation für ihren Mann in Zweifel gezogen und landete in Folge wegen versuchter Anstiftung zum Mord vor Gericht.
Nach ihrem Freispruch will der Verteidiger der Frau, Andreas Hertl, die Sache nicht auf sich beruhen lassen. In einem Brief an die Präsidenten der Österreichischen und der Salzburger Ärztekammer (ÄK) fordert er, darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll sei, Richtlinien für die oft heiklen Gespräche zwischen Ärzten und schwer kranken Patienten beziehungsweise deren Angehörigen einzuführen – damit sich künftig solche Prozesse vermeiden ließen. „Denn mit einer unbedachten Äußerung kann schnell die Grenze zum Strafrecht überschritten werden“, meint der Anwalt.
Und der Jurist bekommt Unterstützung von ärztlicher Seite. So meint Salzburgs Ärztekammer-Präsident Karl Forstner: „Was wir sicher nicht wollen, ist, dass beim Gespräch zwischen Arzt und Patienten oder Angehörigen jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Wir möchten weiter frei reden können.“Er wolle daher, dass der Vorschlag des Anwalts von Kammer-Juristen geprüft werde: „Die Grenze bei der Anzeigepflicht sollte hier nicht so streng gezogen werden.“Ansonsten bestünde Gefahr, „dass Patient und Angehörige nicht mehr zum Arzt kommen oder da nicht ihr tatsächliches Anliegen sagen“.