Ein Gipfel der schweren Kost
Seit Samstag organisiert Frankreich am Küstenort Biarritz den G7-Gipfel. Während die Teilnehmer gute Laune zeigen, ist die Zahl der kontroversen Themen groß. Das passierte am Rande des Gipfels
BIARRITZ. Der Zustand der Weltwirtschaft, der rund eineinhalb Kilometer entfernt gerade verhandelt wird, interessiert am Sonntagmorgen an dieser Straßenecke von Biarritz keinen im Detail. Alle sind einfach nur genervt. Ein Stau bildet sich. Polizisten bitten Autos, Fußgänger, Motorradfahrer zu warten, bis eine internationale Delegation vorbeigefahren ist. „Willkommen in Biarritz und danke, dass ihr uns das Wochenende verderbt“, ruft eine aufgebrachte Frau in Richtung der abgedunkelten Limousinen, als diese mit gewichtigen Passagieren an Bord vorbeifahren.
Die südfranzösische Stadt am Atlantik gleicht in diesen Tagen einer Festung mit abgesperrten Straßen und Vierteln. Den mondänen Badeort hat Präsident Emmanuel Macron für den G7-Gipfel ausgewählt, bei dem von Samstag bis Montag die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, Japans, Kanadas und der USA miteinander verhandeln.
Mit den aktuellen Handelsstreitigkeiten vor allem zwischen den USA und China, der Sorge um eine Eskalation des Konflikts mit dem Iran, dem Klimaschutz und ganz aktuell den verheerenden AmazonasBränden, die Macron kurzfristig mit auf das Programm setzte, stand schwere Kost bei den Diskussionen an.
Noch vor seinem Abflug hatte US-Präsident Donald Trump angeordnet, ab Oktober chinesische Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar mit einem Zollsatz von 30 statt bisher 25 Prozent zu belegen. Macron wiederum sagte in einer Fernsehansprache, sich um Deeskalation zu bemühen. Er will einen Handelskrieg vermeiden.
Von diesem Zwist war bei der Ankunft Trumps mit seiner Ehefrau Melania am Samstag nichts zu spüren. Der französische Präsident bemühte sich erkennbar darum, eine herzliche Atmosphäre zu schaffen. Überraschend hatte er ein spontanes Mittagessen mit Trump organisiert und ein Fernsehteam hinzugeladen. Im Anschluss erklärte ein zufriedener Trump, das Mittagessen „mit Emmanuel“war für ihn „das beste Treffen, das wir je hatten“. Ob es auch inhaltliche Verständigung gab, blieb unklar.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel lobte Macrons Entscheidung, die Waldbrände am Amazonas auf die Tagesordnung des Gipfels zu setzen: „Unser Haus brennt – und da können wir nicht schweigen.“Am Sonntag einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf technische und finanzielle Hilfen, um die Brände zu bekämpfen und die Schäden zu beheben. Außerdem fiel der Beschluss, die von Trump eingebrachte Wiederaufnahme Russlands in den Kreis der Gipfelteilnehmer weiterhin auszusetzen – dafür sei es noch zu früh. Vor der Krise um die Annexion der Krim 2014 wurde im Rahmen eines G8Gipfels mit Russland getagt. Die nunmehr sieben Staats- und Regierungschefs einigten sich darüber hinaus auf eine grundsätzliche Initiative, den Konflikt um das Atomprogramm des Iran zu entspannen. Am Sonntagnachmittag traf überraschend der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in Biarritz ein: ein Signal der Dialogbereitschaft. Auf diese Weise gelingt es Frankreichs Präsident, sich als Chefdiplomat darzustellen, der Lösungsansätze für die großen Konflikte in der Welt parat hat.
Ein weiteres Sorgenthema bildet der Brexit. Während zum Gipfelauftakt der britische Premierminister Boris Johnson versichert hatte, auch er wolle keinen Brexit ohne Abkommen, warnte ihn EU-Ratspräsident Donald Tusk, „als Mister No-Deal in die Geschichte einzugehen“. Johnson und Trump nutzten die Gelegenheit für ein Gespräch über den raschen Abschluss eines Handelsvertrags nach dem Brexit. Trump zufolge lief es „hervorragend“, es werde ein „sehr großes Abkommen“geben.
Gipfel- und Globalisierungsgegner hatten sich derweil in anderen Städten in der Region zusammengetan. 9000 bis 15.000 Teilnehmer demonstrierten am Samstag gegen das Treffen von Vertretern der reichsten Länder der Welt: Dass dieses unter dem Motto des Kampfs gegen globale Ungerechtigkeiten stattfinde, erscheine ihnen zynisch, sagte eine Teilnehmerin. Trump und Johnson verstehen sich prächtig. Der US-Präsident lobte den neuen britischen Premier als den „richtigen Mann“für den Brexit. Trump sagte weiter: „Ich habe das schon lange gesagt. Es hat Ihre Vorgängerin nicht sehr glücklich gemacht.“
„Die Anführer kommen sehr gut miteinander aus.“