Adam Fischer: ein Dirigent, auf den Verlass ist
So darf man sich einen glücklichen Dirigenten vorstellen: Am Ende einer fulminant gespielten, in voller symphonischer Dramatik, akzentreich und plastisch ausgekosteten „Prager“Symphonie eilte Adam Fischer nach der Mozartmatinee am Samstag aufgedreht wie ein Springinkerl von Pult zu Pult, schüttelte Musikerhände, strahlte über die ihm entgegenbrandende Begeisterung.
Und plötzlich überlagert sich das aktuelle Bild hyperaktiver Freude beim Berichterstatter mit der ersten Begegnung mit dem damals blutjungen Anfänger, der gerade aus seiner Korrepetitorenzeit in die „Dirigierverpflichtung“wechselte. Die Grazer Oper hatte dem damals 27-Jährigen den ersten „Rosenkavalier“anvertraut. Es bleibt auch in der Erinnerung ein elektrisierendes Erlebnis. Schon damals machte aber auch der Begriff „Eigenbrötler“die Runde.
Der Begriff steht auch irgendwo in der eben erschienenen Biografie, die der Schweizer Journalist Andreas Oplatka geschrieben hat und die rechtzeitig vor Fischers 70. Geburtstag am 9. September erschienen ist. Die Grazer Chance ist darin ebenso notiert wie die vielen weiteren Stationen, die einen kurvenreichen Lebensweg markieren, der eines nicht ist: glamourös. Wie ein roter Faden durchläuft ihn – trotz stetig wachsender und kontinuierlich anhaltender internationaler Karriere – die hervorstechendste Charaktereigenschaft Adam Fischers: seine Menschenfreundlichkeit und Konzilianz. Und das in einem künstlerischen Beruf, der wie kein anderer auf Macht (und – wir erfahren es aktuell leider immer wieder – zu oft auch deren Missbrauch) beruht.
Adam Fischer ist ein Gegenbild. Obwohl er da und dort Musikdirektor und erfolgreich war (in Freiburg, Kassel, Mannheim), behagte ihm die damit verbundene Entscheidungsbefugnis nicht; manche legten ihm seine Zuvorkommenheit auch als Schwäche aus. Er selbst macht kein Hehl aus Selbstzweifeln. Aber er war und ist immer zur Stelle, wenn man ihn braucht. Das ist auch ein Teil des unglamourösen, selbst auf den hellwachen kritischen Geist des homo politicus ausstrahlenden Lebensberichts: der Nimbus des erfahrenen „Repertoire-Dirigenten“, der Mozart (eher spät) und Verdi (schon früh), Strauss und Wagner (bis hin zu seinem Bayreuther „Ring“, den er für den verstorbenen Giuseppe Sinopoli übernahm) und vieles andere sozusagen wie seine Westentasche kennt und abrufbar hat.
Dass seine eigenen, gleichwohl Geschichte schreibenden Initiativen – die Gründung und Leitung der Österreichisch-Ungarischen Haydn-Philharmonie und die Aufnahme aller Haydn-Symphonien oder die Erfolge als Chef des Dänischen Kammerorchesters mit einer preisgekrönten Einspielung aller Mozart-Symphonien – eher am Rande als in Musikmetropolen stattfanden, passt in dieses Bild.
Man erfährt also in dieser Biografie somit nichts an Society-trächtigem Nervenkitzel, dafür umso mehr über das Ethos (und die Verantwortung) des „Musikmachens“. Am Samstag hat es Fischer wieder beispielhaft vorgeführt. Und das ist, in Zeiten medialer Omnipräsenzen, lehrreicher, als man meinen mag.
Buch: Andreas Oplatka, „Die ganze Welt ist ein Orchester – Der Dirigent Adam Fischer“, 288 S., Zsolnay, Wien.