Berufe sind nicht in Stein gemeißelt
Welcher Beruf hat Zukunft? Wie wichtig ist klassisches Handwerk? Die WorldSkills in Kazan zeigen, was die Besten der Besten können. Österreich ist mittendrin.
KAZAN. Schon mit zwölf, erzählt Bianca Panhölzl, habe ihr Sohn gewusst, dass er Koch werden wolle. „Ich habe es ihm nicht ausgeredet, ich habe mich gefreut“, erklärt die Konditorin aus Peuerbach. Sieben Jahre später steht sie am Sonntag bei den WorldSkills im russischen Kazan mit Tränen in den Augen vor der Koje, in der Sohn Marco sein Bestes gibt. Mit 46 teilnehmenden Nationen ist der Wettbewerb der Köche die am härtesten umkämpfte Konkurrenz bei den Berufsweltmeisterschaften. Dem 19-jährigen Oberösterreicher, der zuletzt im Alpendorf St. Johann arbeitete, ist aber keine Nervosität anzumerken. Mit ruhiger Hand schneidet er Gemüse. „Ich bin so stolz“, sagt die Mama und geht nach einem kurzen Blickkontakt gleich weiter, um den Sohn nicht abzulenken.
Die WorldSkills sind alle zwei Jahre ein viertägiger Schauwettkampf der weltweit besten Fachkräfte. Maximal 22 Jahre dürfen die Teilnehmer sein. Wer es aus Österreich bis hierher schafft, war zu Hause bereits Staats- oder Vizestaatsmeister. In Kazan, der Hauptstadt von Tatarstan, ist man mit 46 Teilnehmern aus allen Bundesländern vertreten, dem bisher stärksten Team. Sie treten in 41 von 56 Berufen an. Damit stellt man hinter Russland die stärkste europäische Mannschaft. Mit 70 Nationen und 1400 Teilnehmern sind die 45. WorldSkills die größten der Geschichte. Bis Montagabend werden 250.000 Besucher die Leistungsschau besucht haben.
Es geht nicht nur ums Gewinnen. Hinter den Kulissen wird fachgesimpelt, Know-how ausgetauscht und genau geschaut, wie gut es andere Länder machen. „Die Asiaten beobachten immer ganz genau, die kopieren halt auch am besten“, sagt Maurer-Experte Roland Mittendorfer mit einem Schmunzeln. Er hat schon ein Strahlen in den Augen. Denn seinem Schützling sei „eine Top-Platzierung sicher“.
Vor zwei Jahren holten die Maurer in Abu Dhabi Gold. Hoch liegt auch die Latte bei den Malern, die mit Stefan Planitzer aus St. Andrä im Lungau einen jungen Salzburger im Rennen haben. Mit dem Steirer Michael Tobisch als ehrgeizigem Trainer waren die Maler zuletzt immer eine sichere Bank für Gold – sowohl bei den Europa- als auch bei den Weltmeisterschaften. Erklärtes Ziel eines jeden Teilnehmers aus Österreich sei in jedem Fall ein Platz unter den Top 10, sagt Beton-BauExperte Thomas Prigl, „das wäre für jeden eine super Leistung“.
Um ihre Zukunft bei den WorldSkills müssen allerdings die Steinmetze bangen. Kaum noch 14 Nationen, die Minimalanzahl für die Teilnahme, zählt das Handwerk in Kazan. Es sei ein traditioneller Handwerksberuf, „Erfahrung haben nur Länder mit einer 500-jährigen Steinbaugeschichte, die findet man vor allem in Europa“, erklärt Experte Bernhard Hasenöhrl. Anderswo könne man da nur schwer mithalten. Um weiter bei den WorldSkills dabei sein zu können, sollen die Kriterien modernisiert und mehr Werkzeug zugelassen werden. In Österreich aber ist Hasenöhrl, der in der Berufsschule in Wals unterrichtet, um das alte Handwerk nicht bang. „Die Lehrlingszahlen bei den Steinmetzen sind wieder steigend, und das Niveau ist hervorragend“, betont er.
Auch wenn die Zahl der Lehrlinge wieder steigt: Die große Lücke an Fachkräften in Österreich kann man damit noch lange nicht füllen. Es müsse gelingen, die Durchgängigkeit der dualen Berufsausbildung zu erhöhen, sagt die Leiterin der Abteilung für Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer, Melina Schneider. Ziel ist der Weg zur höheren Berufsausbildung auf Augenhöhe mit akademischen Karrieren.
Die WorldSkills zeigen deutlich, wie sehr Wissen und praktisches Können heute im Berufsleben verschmelzen und es nicht mehr um Polarisierung wie „hier die Lehre und dort die Schule“geht. Mehr als ein Dutzend „Future Skills“werden in Kazan am Rande präsentiert – vom Drone-Operating bis zur Digitalisierung in Gesundheitsberufen.
Dass die nächsten EuroSkills 2020 in Graz stattfinden, sieht man in der Wirtschaftskammer als große Chance, viele junge Menschen in Österreich wieder für die praxisnahe Berufsausbildung begeistern zu können. Die kommenden Europameisterschaften sollten der Anfang vieler weiterer Initiativen sein, hofft die Wirtschaftskammer.
Noch aber bleibt es spannend in Russland. Erst am Dienstagabend wird feststehen, mit wie vielen Weltmeistertiteln und Auszeichnungen das rot-weiß-rote Team heimkehren wird. Koch Marco Panhölzl weiß jedenfalls schon, wie es für ihn danach weitergehen wird – egal ob mit oder ohne Medaille. Er macht eine zweite Lehrausbildung zum Patissier.