Salzburger Nachrichten

„Salome“verzaubert auch ein Jahr danach

Die fulminante „Salome“aus dem Festspiels­ommer 2018 fasziniert auch auf den zweiten Blick. Ein Gesamtkuns­twerk kehrt wieder.

- FLORIAN OBERHUMMER

Die Salzburger Festspiele gewähren ein Wiedersehe­n mit der fulminante­n „Salome“aus dem Vorjahr. Asmik Grigorian (mit Julian Prégardien) brilliert in der Oper von Richard Strauss erneut als Prinzessin, deren Begehren tödliche Folgen hat.

SALZBURG.

Prinzessin Salome hat sich verliebt. Sie kann sich nur nicht entscheide­n, ob in den Leib, das Haar oder den Mund des Jochanaan. Der Prophet verbirgt sich hinter (besser: in) einem schwarzen Kreisschat­ten, und mit jeder Steigerung ihres Begehrens gewinnt das Dunkel an Fläche, bis es in der Klimax aus Orchesterk­lang und Gesang den gesamten Bühnenraum der Felsenreit­schule umfasst.

Asmik Grigorian dringt dazu in stimmliche Extrembere­iche vor: zunächst tonlos, sprechsing­end und dann in der Höhe mit unerhört schillernd­en, betörenden Farben und treffsiche­r gesetzten Spitzentön­en auftrumpfe­nd. Die szenische Wirkung der schwarzen Lust, die Regisseur Romeo Castellucc­i über die Sängerin kommen lässt, verschmilz­t in dieser atemberaub­enden Szene mit den Ausdrucksm­öglichkeit­en der Sing-Darsteller­in – vom innigen, reinen Piano bis zu mächtigen dramatisch­en Ausbrüchen. Grigorian verkörpert eine Frau, die zeterndes, schmollend­es, sprunghaft­es Kind geblieben ist.

Die Salzburger Festspiele zeigen also „Salome“wieder, die 2018 als Produkt szenischer und musikalisc­her Exzellenz Maßstäbe gesetzt hat. Anhand der Wiederaufn­ahme, die am Sonntag Premiere feierte, lässt sich noch einmal die immense Qualität dieser Produktion ermessen. Dazu tragen die Wiener Philharmon­iker entscheide­nd bei, die sich in Richard Strauss’ Klangwelte­n von ihrer besten Seite zeigen. Das Visionäre dieser Partitur wird von Franz Welser-Möst akribisch offengeleg­t, die Klangkultu­r des Orchesters ermöglicht aber auch sündhaftes Schwelgen in luxuriöser klangliche­r Sinneslust. Die Gratwander­ung im Grenzberei­ch der Dur-Moll-Tonalität, die dem 1905 uraufgefüh­rten Musikdrama als Vorbote einer Zeitenwend­e einen Fixplatz in der Operngesch­ichte sichert, gelingt dem Strauss-Fachmann exemplaris­ch.

Dazu kommt eine festspielw­ürdige Besetzung, die bis in viele kleinere Rollen ident mit der des Vorjahrs ist: Julian Prégardien formt als Narraboth seine Tenorstimm­e zu fast liedhafter Klarheit, Anna Maria Chiuri überzeugt als Herodias voller Stimmfülle und Exzentrik ebenso wie der markante Herodes von John Daszak und der raumfüllen­de Jochanaan von Gábor Bretz. Die Musik erzählt die verdichtet­e Handlung, Franz Welser-Möst erzeugt bis zuletzt einen fesselnden Spannungsb­ogen. Und er entfacht auch die ganze knisternde Erotik des Tanzes der sieben Schleier im Orchesterg­raben, während Romeo Castellucc­i dazugehöri­ge Bilder verweigert: Ein Stein begräbt die nackt auf einem Goldwürfel kniende Salome unter sich.

Castellucc­is vieldeutig­e, brillante Bilder bieten auch auf den zweiten Blick reichlich Stoff zum Nachdenken: das Tableau vivant zweier Boxer samt Ringrichte­r oder einer stummen Jazzband samt Biedermeie­r-Stehlampe oder der Pferdeschä­del, mit dem Salome den Torso des geköpften Jochanaan komplettie­rt. Der Abend bestätigt aber eine andere Erkenntnis: Bildende Künstler steuern in der Intendanz von Markus Hinterhäus­er Gesamtkuns­twerke bei, die zu den stärksten szenischen Arbeiten des jeweiligen Jahrgangs zählen. 2017 gelang das – nur als Regisseur – William Kentridge im „Wozzeck“, heuer Achim Freyer mit „OEdipe“und im Vorjahr eben Romeo Castellucc­i. Oper: „Salome“von Richard Strauss. Felsenreit­schule, 28. und 31. August.

 ?? BILD: SN/SF/RUTH WALZ ??
BILD: SN/SF/RUTH WALZ
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria