Das offene Europa stößt an politische Grenzen
Neben der gemeinsamen Währung sind sie das Symbol schlechthin für das vereinte Europa – die offenen Grenzen.
Dass keine Grenzbalken mehr zwischen unseren Staaten stehen und ein freier Reiseverkehr möglich ist, haben wir jahrelang als große Errungenschaft der Europäischen Union empfunden. Das ist der Kern des Schengen-Systems. Aber so, wie es einmal entworfen worden ist, existiert es nicht mehr.
Aus bestimmten Gründen sind zwar Grenzkontrollen vorübergehend zulässig, etwa bei Großanlässen mit starkem Publikumsandrang. Wenn eminente Terrorgefahr droht, sind sie sogar unerlässlich. Doch sechs Länder – Deutschland, Österreich, Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen – führen schon seit Jahren wieder Kontrollen durch. Bayern will nun neuerlich eine Verlängerung. Aus dem Provisorium ist ein Dauerzustand geworden. Experten sprechen von einer Durchlöcherung des Schengen-Systems.
Die Erfahrungen der großen Flüchtlingswelle 2015 wirken nach. Damals ist das Gefühl entstanden, dass man die Kontrolle verloren habe über die eigenen Grenzen. Seither sind Regierende darauf bedacht, ihr Land unbedingt vor allem Ungemach von außen schützen zu müssen. Niemand will sich vorwerfen lassen, zu wenig zu tun für die Sicherheit der eigenen Bürger.
Besonders in Wahlkampfzeiten kocht das Thema regelmäßig hoch. Die getroffenen Maßnahmen aber sind nach einem starken Rückgang der Migrantenzahlen zu einer reinen Symbolpolitik geworden. Bayern führt an der Grenze zu Österreich punktuell Kontrollen durch, an anderen Grenzstellen stehen gar keine Polizisten. Der kriminelle „Beifang“solcher Kontrollen ließe sich längst auch durch verstärkte „Schleierfahndung“im Hinterland erzielen.
Augenscheinlich vertrauen EU-Binnenstaaten dem Außengrenzschutz der EU nicht. Die Bayern kontrollieren auf dem Walserberg. Die Österreicher kontrollieren an der Grenze zu Ungarn und Slowenien. Die Folgen davon hat jeweils der lokale Nachbar in Form von Staus und Wirtschaftseinbußen zu tragen.
Vielleicht ist die Idee zu optimistisch gewesen, dass es schon keine Sicherheitseinbußen geben werde, wenn man auf Binnenkontrollen verzichte, aber gleichzeitig keine strikten Kontrollen der EU-Außengrenze einführe. Diese Schönwetter-Veranstaltung ist mittlerweile getrübt worden durch islamistischen Terror, Flüchtlingswellen und Konflikte, die zu uns hereinschwappen. Die im Inneren der EU fühlen sich aber auch deswegen nicht ganz sicher, weil sie denen draußen an der Zickzacklinie der EU-Außengrenze weiterhin nicht genügend helfen.