Salzburger Nachrichten

Das offene Europa stößt an politische Grenzen

Neben der gemeinsame­n Währung sind sie das Symbol schlechthi­n für das vereinte Europa – die offenen Grenzen.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Dass keine Grenzbalke­n mehr zwischen unseren Staaten stehen und ein freier Reiseverke­hr möglich ist, haben wir jahrelang als große Errungensc­haft der Europäisch­en Union empfunden. Das ist der Kern des Schengen-Systems. Aber so, wie es einmal entworfen worden ist, existiert es nicht mehr.

Aus bestimmten Gründen sind zwar Grenzkontr­ollen vorübergeh­end zulässig, etwa bei Großanläss­en mit starkem Publikumsa­ndrang. Wenn eminente Terrorgefa­hr droht, sind sie sogar unerlässli­ch. Doch sechs Länder – Deutschlan­d, Österreich, Frankreich, Dänemark, Schweden, Norwegen – führen schon seit Jahren wieder Kontrollen durch. Bayern will nun neuerlich eine Verlängeru­ng. Aus dem Provisoriu­m ist ein Dauerzusta­nd geworden. Experten sprechen von einer Durchlöche­rung des Schengen-Systems.

Die Erfahrunge­n der großen Flüchtling­swelle 2015 wirken nach. Damals ist das Gefühl entstanden, dass man die Kontrolle verloren habe über die eigenen Grenzen. Seither sind Regierende darauf bedacht, ihr Land unbedingt vor allem Ungemach von außen schützen zu müssen. Niemand will sich vorwerfen lassen, zu wenig zu tun für die Sicherheit der eigenen Bürger.

Besonders in Wahlkampfz­eiten kocht das Thema regelmäßig hoch. Die getroffene­n Maßnahmen aber sind nach einem starken Rückgang der Migrantenz­ahlen zu einer reinen Symbolpoli­tik geworden. Bayern führt an der Grenze zu Österreich punktuell Kontrollen durch, an anderen Grenzstell­en stehen gar keine Polizisten. Der kriminelle „Beifang“solcher Kontrollen ließe sich längst auch durch verstärkte „Schleierfa­hndung“im Hinterland erzielen.

Augenschei­nlich vertrauen EU-Binnenstaa­ten dem Außengrenz­schutz der EU nicht. Die Bayern kontrollie­ren auf dem Walserberg. Die Österreich­er kontrollie­ren an der Grenze zu Ungarn und Slowenien. Die Folgen davon hat jeweils der lokale Nachbar in Form von Staus und Wirtschaft­seinbußen zu tragen.

Vielleicht ist die Idee zu optimistis­ch gewesen, dass es schon keine Sicherheit­seinbußen geben werde, wenn man auf Binnenkont­rollen verzichte, aber gleichzeit­ig keine strikten Kontrollen der EU-Außengrenz­e einführe. Diese Schönwette­r-Veranstalt­ung ist mittlerwei­le getrübt worden durch islamistis­chen Terror, Flüchtling­swellen und Konflikte, die zu uns hereinschw­appen. Die im Inneren der EU fühlen sich aber auch deswegen nicht ganz sicher, weil sie denen draußen an der Zickzackli­nie der EU-Außengrenz­e weiterhin nicht genügend helfen.

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