Erste Antworten zu Schredder-Gate
War die Vernichtung von Druckerfestplatten durch einen Kurz-Mitarbeiter mit den Regeln des Kanzleramts vereinbar? Brigitte Bierlein bringt Licht in eine sommerliche Affäre.
Die von einem SebastianKurz-Mitarbeiter veranlasste Vernichtung von Druckerfestplatten war aus Sicht des Bundeskanzleramts rechtskonform. Zu diesem Schluss kommt Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein in Beantwortung einer Serie von parlamentarischen Anfragen zur Causa SchredderGate. Über 100 Fragen wurden an das Bundeskanzleramt von allen Fraktionen gestellt.
Was war passiert? Fünf Tage nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und fünf Tage vor dem Misstrauensantrag gegen die ÖVPFPÖ-Regierung fuhr ein Kurz-Mitarbeiter unter falschem Namen bei der Datenvernichtungsfirma Reisswolf vor. Dort ließ er fünf Festplatten aus dem Bundeskanzleramt dreifach schreddern. Er zahlte die Rechnung von 76 Euro nicht, weshalb die Firma Reisswolf Nachforschungen anstellte – und als Zechpreller den Social-Media-Verantwortlichen von Sebastian Kurz ausmachte. Wegen der zeitlichen Nähe und der ungewöhnlichen Vorgangsweise untersucht auch die „Sonderkommission Ibiza“den Fall. Die Ermittlungen dauern an.
Auf mögliche strafrechtlich relevante Aspekte kann und will sich Bundeskanzerlin Brigitte Bierlein in ihrer Anfragebeantwortung gar nicht einlassen. Sie stellt vor allem detailiert dar, wie Aktenvernichtung im Bundeskanzleramt funktioniert und dass eine solche nicht ungewöhnlich ist. In der Antwort an die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper betont Bierlein vor allem drei Aspekte. Erstens: In Multifunktionsgeräten wie etwa Druckern fänden sich nur „temporäre technische Kopien von bereits vorhandenen Daten“, wie sie für das Drucken, Kopieren oder Scannen erforderlich seien. Es handle sich um „redundante Daten“, die auf anderen Speichermedien wie etwa Computerfestplatten vorhanden seien. Daher fielen sie nicht unter das Bundesarchivgesetz und seien auch nicht dem Staatsarchiv zu übermitteln.
Die Kanzlerin widerspricht damit klar dem langjährigen, mittlerweile pensionierten Staatsarchiv-Generaldirektor Wolfgang Maderthaner. Dieser verortete einen Verstoß gegen das Bundesarchivgesetz.
Zweitens: Die Vernichtung von Festplatten sei eine „zulässige Möglichkeit zum Schutz der Sicherheit und Vertraulichkeit von Daten“. Sie sei in der Vergangenheit immer wieder praktiziert worden. „So wurden beispielsweise seit Anfang 2017 im Bundeskanzleramt mehr als 350 Festplatten vernichtet“, schreibt Bierlein.
Und drittens: Die Vernichtung von Datenträgern durch externe Unternehmen sei ein „rechtskonformer Vorgang“. Der Vorgang mag rechtskonform gewesen sein – unüblich war er auf jeden Fall. Denn normalerweise werden staatliche Datenträger im „Zentralen Ausweichsystem des Bundes“(ZAS) in St. Johann im Pongau vernichtet. In vorliegendem Fall hingegen begab sich ein Mitarbeiter von Sebastian Kurz zur Firma Reisswolf, um dort fünf Druckerfestplatten schreddern zu lassen. Auch dafür hat die Kanzlerin eine Antwort: Üblicherweise seien Regierungswechsel „zeitlich einschätzbar“, sodass deren Ablauf „Wochen und Monate im Voraus geplant, vorbereitet und durchgeführt“werden könne. Beim Abgang von Sebastian Kurz war das anders: Der amtierende Kanzler war nach dem Misstrauensantrag von einer Minute zur anderen seines Amtes enthoben, entsprechend hektisch verlief der Abschied aus dem Kanzleramt – mit allen Begleiterscheinungen. Im Übrigen sei „eine physische Vernichtung der internen Speicher“(sprich: das Schreddern von Festplatten) eine „in der Vergangenheit bereits praktizierte Variante zur bestmöglichen Wahrung der Sicherheit von Daten“.
Aus Bierleins Beantwortung einer Anfrage der ÖVP geht hervor, dass auch beim Regierungswechsel von Christian Kern zu Sebastian Kurz Daten vernichtet worden sind. Wörtlich schreibt Bierlein: „Beim Regierungswechsel 2017 wurden sieben interne Speicher aus Multifunktionsgeräten geschreddert.“
Die Frage: „Stammen diese Festplatten aus den Büros von Christian Kern, Thomas Drozda und Muna Duzdar?“, bejahte die Kanzlerin. Zur Erklärung: Drozda war damals Kanzleramtsminister, Duzdar Staatssekretärin im Kanzleramt.
„Vernichtung eine zulässige Möglichkeit.“