Sie schauen Wahlkampfvideos? Schämen Sie sich!
Aus Sorge um das Weltklima ersuchen wir die Wahlkämpfer dringend, auf die Bäume zurückzukehren.
Nein, das ist hier nicht die „Mein Klima“-Kolumne. Aber man macht sich halt so seine Gedanken. Immer öfter ist ja zu lesen, dass die im Internet massenhaft angebotenen (auch von Greta!) und konsumierten Videos einen Sargnagel fürs Weltklima darstellen. Denn diese Videos bedürfen riesiger Computeranlagen, deren Betrieb und Kühlung bereits mehr CO2 verursacht als der viel gescholtene Flugverkehr. Die Tendenz ist stark steigend. Und Prognosen zufolge werden die Internetvideos punkto Klimaschädigung bald den noch viel mehr gescholtenen Autoverkehr einholen.
Nun war neulich zu lesen, dass die Österreicher im Schnitt 69 Videos pro Tag im Internet anschauen. 69! Wäre es da nicht hoch an der Zeit, der Flugscham eine Videoscham zur Seite zu stellen? Das richtet sich jetzt wohlgemerkt nicht gegen die niedlichen Katzenvideos. Katzen haben uns ja etwas zu sagen. Aber müssen all diese Wahlkampfvideos wirklich sein?
Wie der Klimaschutzdebatte zu entnehmen ist, wäre es für Großvater Gletscher und Bruder Eisbär zweifellos am günstigsten, wenn sich die Menschheit zurück auf die Bäume begäbe. Dann wäre alles wieder gut. Nun ist das nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen. Man denke nur daran, wie die Baumpreise in den Ballungszentren in die Höhe schnellen würden! Aber in der Wahlkampfführung sollte es bei etwas gutem Willen doch möglich sein. Das mit dem Zurück auf die Bäume.
Es würde eigentlich schon reichen: Zurück zu Kreisky. Bruno Kreisky – Sonnenkönig zu einer Zeit, als es noch kalt war – errang drei absolute Mehrheiten. Und benötigte er dazu auch nur ein einziges Wahlkampfvideo? Nein. War er auf einem Video als Pizzabote unterwegs? Nein (denn Pizzaboten im dreiteiligen Nadelstreifanzug gibt es nicht). Hätten seine Satzlängen und Gedankenpausen überhaupt in ein Internetvideo gepasst? Nein. Na also.
Kein Mensch braucht Wahlkampfvideos. Was die Politik uns zu sagen hat, kann sie auch auf Plakate drucken oder in Inserate schreiben. Für das Papier müssen Bäume sterben, aber nicht gleich die ganze Welt.
Außerdem ist der Selektionsdruck, der von den Videos ausgeht, ein falscher. Früher, als es noch um Worte statt um Bewegtbilder ging, musste ein Politiker gescheit reden wie ein Nobelpreisträger (oder zumindest wie ein Mittelschulprofessor). Heute muss er nur aussehen wie ein Filmstar. Und das Hirn? Sieht und merkt man nicht. Denn auf ihren Videos beantworten Politiker ja keine Fragen mehr, sondern reden einfach drauflos.
PS: Die fegefeurige Aktion „Keine Videos!“rechnet mit der freundlichen Unterstützung von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Und von Pamela Rendi-Wagner.