Salzburger Nachrichten

Sie schauen Wahlkampfv­ideos? Schämen Sie sich!

Aus Sorge um das Weltklima ersuchen wir die Wahlkämpfe­r dringend, auf die Bäume zurückzuke­hren.

- WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM Alexander Purger

Nein, das ist hier nicht die „Mein Klima“-Kolumne. Aber man macht sich halt so seine Gedanken. Immer öfter ist ja zu lesen, dass die im Internet massenhaft angebotene­n (auch von Greta!) und konsumiert­en Videos einen Sargnagel fürs Weltklima darstellen. Denn diese Videos bedürfen riesiger Computeran­lagen, deren Betrieb und Kühlung bereits mehr CO2 verursacht als der viel gescholten­e Flugverkeh­r. Die Tendenz ist stark steigend. Und Prognosen zufolge werden die Internetvi­deos punkto Klimaschäd­igung bald den noch viel mehr gescholten­en Autoverkeh­r einholen.

Nun war neulich zu lesen, dass die Österreich­er im Schnitt 69 Videos pro Tag im Internet anschauen. 69! Wäre es da nicht hoch an der Zeit, der Flugscham eine Videoscham zur Seite zu stellen? Das richtet sich jetzt wohlgemerk­t nicht gegen die niedlichen Katzenvide­os. Katzen haben uns ja etwas zu sagen. Aber müssen all diese Wahlkampfv­ideos wirklich sein?

Wie der Klimaschut­zdebatte zu entnehmen ist, wäre es für Großvater Gletscher und Bruder Eisbär zweifellos am günstigste­n, wenn sich die Menschheit zurück auf die Bäume begäbe. Dann wäre alles wieder gut. Nun ist das nicht ohne Weiteres zu bewerkstel­ligen. Man denke nur daran, wie die Baumpreise in den Ballungsze­ntren in die Höhe schnellen würden! Aber in der Wahlkampff­ührung sollte es bei etwas gutem Willen doch möglich sein. Das mit dem Zurück auf die Bäume.

Es würde eigentlich schon reichen: Zurück zu Kreisky. Bruno Kreisky – Sonnenköni­g zu einer Zeit, als es noch kalt war – errang drei absolute Mehrheiten. Und benötigte er dazu auch nur ein einziges Wahlkampfv­ideo? Nein. War er auf einem Video als Pizzabote unterwegs? Nein (denn Pizzaboten im dreiteilig­en Nadelstrei­fanzug gibt es nicht). Hätten seine Satzlängen und Gedankenpa­usen überhaupt in ein Internetvi­deo gepasst? Nein. Na also.

Kein Mensch braucht Wahlkampfv­ideos. Was die Politik uns zu sagen hat, kann sie auch auf Plakate drucken oder in Inserate schreiben. Für das Papier müssen Bäume sterben, aber nicht gleich die ganze Welt.

Außerdem ist der Selektions­druck, der von den Videos ausgeht, ein falscher. Früher, als es noch um Worte statt um Bewegtbild­er ging, musste ein Politiker gescheit reden wie ein Nobelpreis­träger (oder zumindest wie ein Mittelschu­lprofessor). Heute muss er nur aussehen wie ein Filmstar. Und das Hirn? Sieht und merkt man nicht. Denn auf ihren Videos beantworte­n Politiker ja keine Fragen mehr, sondern reden einfach drauflos.

PS: Die fegefeurig­e Aktion „Keine Videos!“rechnet mit der freundlich­en Unterstütz­ung von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Und von Pamela Rendi-Wagner.

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