Kraftlos und mit vollem Risiko
Dominic Thiem ist angeschlagen. Er würde kein langes Match durchstehen. Daher erwartet Österreichs Tennisstar bei den US Open einen untypischen Auftakt mit völlig offenem Ausgang.
Dominic Thiem bekommt schwer Luft, er braucht nach einem langen Ballwechsel mehr Pause als sonst. Es ist ihm beim Training mit einem Blick anzusehen, dass er zu kämpfen hat. Mit seinem Körper, mit sich selbst. Wie, fragt man sich, will Österreichs Tennisstar in dieser Verfassung ein Match erfolgreich bestreiten? Das wird Thiem heute, Dienstag (2. Match nach 18 Uhr/live ORF Sport+ und Eurosport), gegen den Italiener Thomas Fabbiano zum Auftakt der US Open unter Beweis stellen müssen.
Zum Teil beantwortete der 25Jährige die Frage schon im Vorfeld. „Ich werde versuchen die Ballwechsel kurz zu halten, schnell auf den Punkt zu gehen. Alles andere würde ich körperlich nicht durchstehen. Wir werden sehen, wie erfolgreich das wird“, sagte Thiem mit angeschlagener Stimme, nachdem er das Training nach zwei Tagen völliger Ruhe wieder aufgenommen hatte. Die Virusinfektion hat ihn rund zwei Wochen mehr oder weniger außer Gefecht gesetzt, ist jetzt zwar überstanden, doch die Kraft kommt nur langsam wieder zurück. „Ich bin körperlich bei Weitem noch nicht bei 100 Prozent“, gibt er zu.
Fabbiano ist die Nummer 87 der Welt und als solider Grundlinienspieler ohne große Waffen im Normalfall ein willkommener Erstrundengegner für Thiem. Im Normalfall. Denn mit dem Wissen, dass er in der New Yorker Nachmittagshitze bei relativ hoher Luftfeuchtigkeit vor allem mit Fortdauer des Spiels Probleme bekommen kann, wird Thiem alles auf eine Karte setzen. Die Zuschauer im knapp 24.000 Plätze bietenden Arthur Ashe Stadium, dem größten Tennisstadion der Welt, werden wohl vom ersten Punkt weg ein untypisches Match zu sehen bekommen. Der Favorit, der schon zu Beginn wankt, gegen den Außenseiter, der weiß, dass das Match, je länger es dauert, mehr auf seine Seite kippen wird. Thiem, der sonst zu den fittesten Athleten auf der Tour zählt, ist offensichtlich angreifbar. Jene Blöße wie im Montreal-Viertelfinale gegen Daniil Medwedew, als er bereits sichtlich angeschlagen dem Russen praktisch keine Gegenwehr leisten konnte, wird sich Thiem aber hoffentlich nicht geben. Wenn er sieht, dass es keinen Sinn macht, dann wird er wie in der zweiten Runde der Australian Open gegen den Außenseiter Alexei Popyrin wohl das Handtuch werfen.
Dass es nicht so weit kommt, dafür gab es zumindest kleine positive Anzeichen. Seit Sonntag kann Thiem wieder „richtig“trainieren. Wenngleich die letzten drei Einheiten jeweils nur rund eine Stunde dauerten, so konnte er eine Besserung orten: „Es geht definitiv aufwärts.“Ob das schon für zumindest drei Sätze reicht, bleibt abzuwarten. Bis Donnerstag, also zwei weitere Tage, hätte der Niederösterreicher dann wieder Zeit, sich weiter den 100 Prozent zu nähern. Im Vorjahr war ihm das gelungen. Erst im Viertelfinale, wo er Rafael Nadal in seinem bis dato vielleicht besten Match seiner Karriere nach fünf dramatischen Stunden und hochklassigen Sätzen hauchdünn unterlegen war, kam das Aus.
Davon ist er diesmal, wo er in einem gefühlt schlechteren Zustand ins Turnier startet, noch weit entfernt. Mit der Aussicht auf mögliche weitere große Matches in New York wird Thiem das letzte Grand-SlamTurnier in Angriff nehmen. Unter schlechten Vorzeichen mit völlig offenem Ausgang.