„Die Wälder sind leer geräumt“
Besonders in Tirol und Kärnten kämpft die Bergwacht jeden Sommer einen schier aussichtslosen Kampf. Rücksichtslose Schwammerlsucher plündern den Wald nicht nur, sie zerstören ihn auch.
In Tirol und Kärnten kämpft die Bergwacht jeden Sommer einen aussichtslosen Kampf. Rücksichtslose Schwammerlsucher plündern nicht nur den Wald, sie zerstören ihn auch.
Manchmal, sagt Gabriele Pfurtscheller, da treibe es ihr mitten im Wald die Zornesröte ins Gesicht. Dort ist die Leiterin der Tiroler Bergwacht derzeit öfter als sonst anzutreffen. Auch ihre rund 800 Kollegen im Bundesland gehen im Moment vor allem einer Tätigkeit nach: unverschämte Schwammerlsucher ausfindig zu machen.
Unverschämt deshalb, weil diese die Tageshöchstgrenze pro Person von zwei Kilogramm Pilzen um ein Vielfaches überschreiten. In der Vorwoche wurden drei Personen im Sellrain mit 62 Kilogramm Steinpilzen erwischt. Am Sonntag in Pfunds ein Ehepaar mit 42 Kilogramm Stein- und Herrenpilzen sowie Eierschwammerln.
„Der Wald bei uns ist leer geräumt“, sagt Pfurtscheller enttäuscht. Doch nicht nur das: „Er ist auch enorm geschädigt, weil die Schwammerlsucher überaus rücksichtslos alles umschneiden, ausreißen und niedertreten.“
Die ersten drei Wochen im August gelten traditionell als Hauptsammelzeit. Das hat mit dem 15. August zu tun. Der „Ferragosto“gilt in Italien nicht nur als Feiertag, sondern als Höhepunkt der Hitze. Rund um diesen Tag macht ein Großteil Urlaub – und das vorzugsweise in den kühlen Bergen.
Auch in Kärnten sei das seit jeher ein „gewaltiges Problem“, sagt Alexander Amon, Bezirksleiter der Bergwacht Spittal an der Drau. „Früher sind ganze Busse aus Italien angerückt. Die Wälder wurden gestürmt.“Mittlerweile habe sich die Situation etwas gebessert. Dennoch hat Amon allein in der Vorwoche 40 Kilogramm beschlagnahmt.
Die Kärntner Bergwacht darf Personenfeststellungen durchführen, verdächtige Autos kontrollieren und Organmandate verhängen. „Wenn jemand zum Beispiel fünf Kilogramm Schwammerl gesammelt hat, dann können wir ihn mit 30 Euro strafen. In dem Fall darf er die überschüssigen drei Kilogramm aber behalten.“
Überhaupt gilt Kärnten als das Bundesland mit dem strengsten Regelwerk. Pilze suchen ist ausschließlich von 15. Juni bis 30. September erlaubt – und nur zwischen 7.00 und 18.00 Uhr. Ausnahme: der Parasol. Er darf (theoretisch) ganzjährig gebrockt werden. In der Kernzone von Nationalparks und in Biosphärenparks ist Schwammerlsuchen gänzlich verboten.
Dass Kärntens Wälder ausschließlich von Italienern geplündert werden, will Amon allerdings so nicht stehen lassen: „Auch Einheimische sind ziemlich frech.“
Gabriele Pfurtscheller spricht von professionellen Pilzesuchern: „Viele rücken mit Trocknern, Kühlund Vakuumiergeräten an. Sie finanzieren sich damit teilweise den Urlaub.“Einige nehmen sogar ihre Babys mit in den Wald, denn Altersgrenze gibt es keine. Auch einem Neugeborenen steht ein Kontingent von zwei Kilogramm Schwammerln zu. Welche Sorte, ist egal.
Mit Höchststrafen bis zu 30.000 Euro müssen in Tirol jene rechnen, bei denen Gier über Vernunft gesiegt hat. „Allerdings schauen wir uns schon an, wer das ist“, betont Manuel Wolf von der Umweltabteilung der Bezirkshauptmannschaft Landeck. „Wir machen das nicht nur von der Menge, sondern auch vom Einkommen abhängig“, sagt Wolf. Wem also Gewerbsmäßigkeit nachgewiesen werden kann, der hat schlechte Karten.
180 Euro Sicherheitsleistung dürfen die Mitglieder der Bergwacht einheben, wenn sie fündig werden. „Die meisten erwischen wir auf Parkplätzen“, erklärt Gabriele Pfurtscheller. Durch den Wald zu patrouillieren ergäbe keinen Sinn.
„Auf manchen Strecken reicht es schon, wenn man ein italienisches Kennzeichen hat“, sagt Alexander Amon, einer von rund 15 Bergwächtern, die der Soko Pilze angehören. „Vor allem jene Fahrzeuge werden inspiziert, die wir schon vorher irgendwo am Waldesrand haben stehen sehen.“Kontrollen sind allerdings nur im Verdachtsfall erlaubt. Wahllos Autos anzuhalten sei nicht erlaubt, sagt Amon.
Doch auch bescheidenen Sammlern sei in Kärnten zur Vorsicht geraten: Denn im südlichsten Bundesland darf nur der oberirdische Teil des Pilzes geerntet werden. Und er muss ordnungsgemäß am Fundort geputzt werden.
Während in Kärnten die Schwammerlsaison aufgrund der Trockenheit im Juni und Juli erst langsam im Anrollen ist, herrscht in Tirol bereits Hochbetrieb. „Wir sind auf die Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen“, erklärt Gabriele Pfurtscheller. Einen Plünderer aufzuspüren sei oft auch dem Zufall geschuldet.
Auf die Tiroler und Kärntner Bergwacht warten anstrengende Wochen. Pfurtscheller bringt es auf den Punkt: „Der Boden ist nicht zu feucht, nicht zu trocken. Und das Wetter ist perfekt.“Nachsatz aus Sicht der Bergwacht: „Leider.“
Die beschlagnahmten Pilze werden übrigens – wenn möglich noch am selben Tag – an soziale Einrichtungen wie etwa Seniorenheime geliefert.
„Die Sammler sind sehr professionell.“Gabriele Pfurtscheller, Tiroler Bergwacht