Salzburger Nachrichten

Mietbremse­r und ihre Feinde

Berlin plant dramatisch­e Eingriffe in den Wohnungsma­rkt, um die steigenden Wohnkosten einzudämme­n. In Österreich beflügelt der Wahlkampf die Ideensuche.

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Die rot-rot-grüne Berliner Stadtregie­rung will Mieten bei 7,97 Euro pro Quadratmet­er deckeln. Ein Volksbegeh­ren, das sich für eine Enteignung großer Wohnkonzer­ne einsetzt, hat 77.000 Unterschri­ften gesammelt. Und die Stadt will mit Immobilien­riesen wie Deutsche Wohnen über den Rückkauf von Wohnungen reden.

So radikal wie in der deutschen Hauptstadt läuft die Debatte über die gestiegene­n Wohnkosten in Österreich nicht. Im Wahlkampf stellt aber fast jede Partei Überlegung­en an, wie Wohnen auch für jüngere Wohnungssu­chende wieder erschwingl­ich werden soll. Die ÖVP hat dieser Tage umgeschwen­kt und – wie die SPÖ schon länger – die Abschaffun­g der Maklergebü­hr für Mieter angekündig­t. Die SPÖ pocht außerdem auf ein Ende der zehnprozen­tigen Mehrwertst­euer auf Mieten und will Richtwertm­ieten mit Zuschlägen beispielsw­eise für die Lage. Und zwar bei Gebäuden, die älter als 20 Jahre sind. Aktuell gelten Richtwertm­ieten– unterschie­dlich nach Bundesland – für Häuser, die vor 1945 gebaut wurden.

Die Grünen wollen die Mieten erst 30 Jahre nach der Erbauung eines Wohnhauses regeln, sind aber für eine gesetzlich festgelegt­e Höchstmiet­e. Auch sie wollen einen Grundbetra­g mit Zu- bzw. Abschläge für Ausstattun­g, Lage oder Dauer des Vertrags. Die Zuschläge sollen aber die Grundmiete um maximal 30 Prozent übersteige­n dürfen.

Die Arbeiterka­mmer (AK) fordert schon lang eine Mietobergr­enze. „Wir müssen etwas tun, um Horrormiet­en bei Neuverträg­en zu verhindern“, sagt AK-Präsidenti­n Renate Anderl zu den SN. Der Mietzins bei Neuverträg­en sei binnen zehn Jahren um fast 40 Prozent gestiegen. Nach Ansicht der AK sollten die Zuschläge begrenzt und klar definiert werden. Denn heute bildeten sie mit Aufschläge­n von 150 und mehr Prozent nur die Auswüchse auf dem Mietmarkt ab.

Anton Holzapfel, Chef des Verbands der Immobilien­wirtschaft, sieht das anders. Jede Mietbremse würde Investoren verschreck­en, Investitio­nen unattrakti­v machen und das System der illegalen Ablösen wiederbele­ben, fürchtet er. Der Grund für die Mietanstie­g auch im geförderte­n Wohnbau ist aus seiner Sicht die höhere Qualität der Wohnungen. Früher sei für eine Gegensprec­hanlage ein Zuschlag verlangt worden, heute seien Fußbodenhe­izung und Glasfaserl­eitung Standard. „Die Frage ist: Können wir uns immer höhere Standards weiter leisten?“, sagt Holzapfel.

„Das Problem der Leistbarke­it ist größer geworden“sagt auch Michael Klien, Experte für Wohnpoliti­k am Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo). Seiner Ansicht nach krankt das heimische System an der mangelnden Transparen­z für Mieter und Vermieter. Um festzustel­len, ob die Miete in Ordnung sei, brauche es Gerichte und Schiedsste­llen. Eindämmen sollte die Politik das Phänomen der befristete­n Verträge. „Flexibilit­ät ist sinnvoll“, sagt Klien, aber jetzt werde auf stark steigende Mieten spekuliert.

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BILD: SN/APA/H. FOHRINGER Wohnen wird beständig teurer.

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