Arktis ist große Schatztruhe
Mit seinem ersten schwimmenden Atomkraftwerk demonstriert Russland seine Ansprüche auf die ressourcenreiche Weltregion. Umweltschützer warnen vor enormen Risiken.
Russlands erstes schwimmendes Atomkraftwerk „Akademik Lomonossow“soll im Oktober im Polarhafen Pewek auf der Halbinsel Tschukotka andocken. Dort, ziemlich am Ende der Welt, sollen seine zwei Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 70 Megawatt Strom und Heizwärme liefern – für die Infrastruktur einer künftig eisfreien Nordmeerroute.
Russland macht jenseits des Polarkreises nicht nur mit SchwimmAKW Schlagzeilen. Seit Jahren scheut das Land keine Kosten, um sich als arktische Supermacht zu beweisen. Schon 2013 haben russische Militärs begonnen, alte sowjetische Flughäfen und Stützpunkte auf Nowaja Semlja, den Inseln Kotelny und Wrangel oder auf FranzJosef-Land wieder in Betrieb zu nehmen. 2016 gründete man ein eigenes arktisches Kommando, russische Fallschirmspringer üben Landemanöver auf polaren Eisfeldern, neue Düsenjäger-Geschwader patrouillieren darüber. „Für Russland bedeutet die Arktis wegen ihrer Bodenschätze sehr viel, aber auch für seine militärische Sicherheit“, erklärt der Moskauer Militärexperte Viktor Litowkin.
„Die Arktis ist enorm wichtig für Russland, wirklich ein Teil seiner nationalen Identität“, sagt der USPolitologe Robert Orttung. Russlands Polargebiete umfassen neun Millionen Quadratkilometer, ein Viertel der russischen Ausfuhren stammt von hier. Das Öl-Gas-Exportland beansprucht auch außerhalb seiner 200-Meilen-Wirtschaftszone 1,2 Millionen Quadratkilometer Grund unter dem Polarmeer, inklusive Nordpol. In diesem Gebiet vermuten die Russen bis zu zehn Milliarden Tonnen Mineralbrennstoffe.
Die Staatsmedien feiern die Arktis als große Schatztruhe der Zukunft. Von 2020 bis 2045 will der Staat hier umgerechnet knapp vier Milliarden Euro allein für die geologische Suche nach weiteren Rohstoffen ausgaben. Dabei stehen ihrer Bergung vom 500 bis 2000 Meter tiefen Meeresgrund unter dem Packeis enorme technische – und damit auch finanzielle – Probleme im Weg. Die Regierung arbeitet an einem Gesetzesentwurf, der es künftig nicht nur den Staatskonzernen Gazprom und Rosneft erlaubt, dort zu bohren, sondern auch privaten und ausländischen Firmen.
Aber nicht nur die westlichen Ukraine-Sanktionen, sondern auch die Ölpreise weit unter 100 Dollar pro Fass (je 159 Liter) verbieten vorerst den Einsatz von teurem ausländischen Know-how.
Wirtschaftsleute halten auch das Schwimm-AKW „Akademik Lomonossow“für unrentabel, Umweltschützer angesichts des stürmischen Wetters an der Nordküste von Tschukotka zudem für hochriskant. Russische Experten aber verkaufen die Atombarke als „ökologisches Projekt“: Ihr Einsatz am Rand der Permafrostzone erlaube es, das überalterte Kernkraftwerk Bilibino komplett auszuschalten. Dessen Fundament könne ja durch das beginnende Abschmelzen des Permafrosts gefährdet werden. Doch für Manager des Staatsunternehmens Rosatom ist das SchwimmAKW auf Tschukotka Vorzeigemodell für ausländische Kunden: Man habe bereits Anfragen möglicher Käufer aus Lateinamerika und Südostasien.
„Die Arktis ist für Russland Teil der nationalen Identität.“Robert Orttung, US-Politikexperte