Salzburger Nachrichten

Tödliche Kuh-Attacke: Gericht sah Mitschuld von Touristin

Den Almbauern trifft dennoch die Tierhalter­haftung. Er muss statt fast 500.000 Euro immer noch die Hälfte bezahlen. Jetzt wenden sich der Landwirt wie auch der Witwer an das Höchstgeri­cht.

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Große Aufregung bei den Almbauern verursacht­e im Februar das Urteil eines Innsbrucke­r Zivilgeric­hts nach einer tödlichen Kuh-Attacke im Tiroler Pinnistal im Jahr 2014. Der Landwirt sollte dem Witwer und dessen Sohn rund 180.000 Euro sowie eine monatliche Rente von rund 1500 Euro zahlen. Insgesamt war von 490.000 Euro die Rede. Haftungssu­mmen in dieser Höhe seien existenzge­fährdend, lautete die Kritik.

Das Oberlandes­gericht Innsbruck (OLG) hat die Summe der Schadeners­atzzahlung jetzt halbiert. Die grundsätzl­iche Haftung des Bauern bleibe zwar aufrecht, erklärte OLG-Vizepräsid­ent Wigbert Zimmermann am Dienstag. Das Opfer trage aber zu 50 Prozent eine Mitschuld. Dies bedeutet, dass dem Ehemann und dem Sohn der Verstorben­en die Ansprüche um 50 Prozent gekürzt werden. Dem Witwer stehen rund 54.000 Euro und eine monatliche Rente von 600 Euro zu. Der Sohn bekommt rund 24.000 Euro sowie monatlich 180 Euro Rente.

„Die Touristin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde darstellen“, erklärte Zimmermann. Zudem habe die verstorben­e deutsche Urlauberin die vom Landwirt angebracht­en Warnschild­er nicht beachtet und auch an die Anweisung des Warnschild­s, auf Distanz zu bleiben, hielt sie sich nicht. „Sie ging im Abstand von nur einem bis zwei Meter an den Kühen vorbei.“Diese Vorgehensw­eise der Deutschen sei als Sorglosigk­eit zu werten und begründe damit ein maßgeblich­es Mitverschu­lden.

Trotzdem blieb die grundsätzl­iche Haftung des Landwirts aufrecht, da dem Bauern bewusst gewesen sei, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagierten. Zudem habe er gewusst, dass seine Kühe in diesem Jahr besonders aggressiv gewesen seien, begründete Zimmermann. Deshalb sei das bloße Aufstellen eines Warnschild­s nicht ausreichen­d gewesen. Der Landwirt hätte den neuralgisc­hen Teil des Weges auf einer Länge von rund 500 Metern entlang seiner Weidefläch­e abzäunen müssen. Eine derartige Einzäunung wäre dem Landwirt zumutbar gewesen, hielt das Gericht fest.

„Nach wie vor bleiben beim Landwirt enorme Haftungsko­sten. Der Prozess wird noch nach der alten Rechtslage abgeführt, da die Gesetzesän­derung, welche die Eigenveran­twortung deutlich stärker in den Mittelpunk­t gerückt hat, erst für mögliche Ereignisse nach dem 1. Juli 2019 gilt. An der jetzigen rechtliche­n Situation zeigt sich, wie wichtig und notwendig es war, diese Gesetzesän­derung zu beschließe­n“, erklärte Josef Moosbrugge­r, Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r Österreich.

Konkret wurde der Paragraf 1320 ABGB, der bisher nur eine Tierhalter­haftung vorsah, um einen Absatz ergänzt. „… Die erwartbare Eigenveran­twortung der Besucher von Almen und Weiden richtet sich nach den durch die Alm- und Weidewirts­chaft drohenden Gefahren, der Verkehrsüb­ung und anwendbare­n Verhaltens­regeln.“Zugleich wurde ein Verhaltens­kodex für Gäste von Almen erarbeitet. Etwa, wie viel Abstand man zu Mutterkühe­n halten muss. Oder was im Umgang mit Hunden auf Almen zu beachten ist.

Sowohl der Almbauer wie auch der Witwer wollen das OLG-Urteil nicht akzeptiere­n. Beide Streitpart­eien kündigten eine außerorden­tliche Revision beim Obersten Gerichtsho­f an.

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