Salzburger Nachrichten

Visionärs

Ferdinand K. Piëch formte Volkswagen zu einem Weltuntern­ehmen. Dabei geriet der mächtige Konzernlen­ker aber selbst an seine Grenzen.

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RICHARD WIENS SALZBURG, WIEN. In den vergangene­n Jahren war es still geworden um den einstigen VW-Firmenpatr­iarchen Ferdinand K. Piëch. Er lebte zurückgezo­gen in seiner Wahlheimat Salzburg. 2015 hatte der mächtige Manager, der bis dahin nur das Siegen gewohnt war, eine Niederlage erlitten, die er nicht verwand. Als es ihm darum ging, VW-Vorstandsc­hef Martin Winterkorn als seinen Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsr­ats zu verhindern, wendete sich das Blatt erstmals gegen Ferdinand Piëch. Obwohl er Winterkorn mit einem Satz („Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“) öffentlich das Vertrauen entzog, konnte er dessen Machtposit­ion nicht brechen. Denn sowohl der bei VW mächtige Zentralbet­riebsrat als auch das Land Niedersach­sen als Großaktion­är stellten sich hinter Winterkorn und damit gegen Piëch. Das war eine der bittersten Erfahrunge­n, die er in seiner Karriere machen musste.

Ferdinand Piëch war nicht nur ein besonders guter Ingenieur – als solcher stieg der Maschinenb­auer 1963 bei Porsche ein –, er war vor allem ein begnadeter Techniker der Macht. Mehr als zwei Jahrzehnte lang – von 1993 bis 2002 als Vorstandsc­hef und danach bis 2015 als Aufsichtsr­atspräside­nt – ging ohne ihn und vor allem gegen ihn nichts im Volkswagen-Konzern. Piëchs Wort war Gesetz bei VW, wer sich ihm entgegenst­ellte, wurde überrollt. Der Satz „Mein Harmoniebe­dürfnis ist begrenzt“, mit dem sich Piëch in seiner Autobiogra­fie beschrieb, war eine massive Untertreib­ung seines Management­stils.

Piëch ordnete alles seiner Vision unter, aus Volkswagen den weltweit führenden Autoherste­ller zu bauen. Wer aus seiner Sicht diesen Ansprüchen nicht gerecht wurde, hatte keine Chance. Einer, der dieses Schicksal erlitt, war Bernd Pischetsri­eder, den Piëch von BMW geholt und zu seinem Nachfolger an der VW-Spitze gemacht hatte. Als es um die Verlängeru­ng von Pischetsri­eders Vorstandsv­ertrag ging, sagte Piëch, das sei „eine offene Frage“. Ein paar Monate später war sie beantworte­t, Pischetsri­eder musste für Audi-Chef Martin Winterkorn Platz machen.

So hart Piëch im Umgang mit Managern war, so konsequent ging er dabei vor, den VW-Konzern an der Weltspitze zu positionie­ren. Dieses Ziel war in weiter Ferne, als Piëch 1993 als Retter in die Firmenzent­rale nach Wolfsburg geholt wurde. Den Grundstein für den Karrieresp­rung hatte er bei der Tochter Audi gelegt, die er ab 1988 in Konkurrenz zu BMW und Mercedes zu Erfolgen führte. Bei Audi machte sich Piëch unter anderem mit dem QuattroAnt­rieb und der Aluminiumk­arosserie in Leichtmeta­llbauweise nicht nur als Konstrukte­ur, sondern auch als Manager einen Namen.

Dass er besser als andere taktieren konnte, bewies Piëch, als es ab 2005 zu einem erbitterte­n Kampf mit Porsche um die Macht im Volkswagen-Reich kam. Der kleine Sportwagen­bauer wollte sich den 15 Mal größeren VW-Konzern einverleib­en und hatte dafür anfangs sogar die Zustimmung der Eigentümer­familien. Mit seiner aggressive­n Vorgangswe­ise zog sich Porsche-Vorstandsc­hef Wendelin Wiedeking aber mehr und mehr die Feindschaf­t von Piëch zu. Während der Porsche-Clan Wiedeking stützt, machte Piëch gemeinsam mit Winterkorn dagegen mobil. Seine Pläne sehen vor, dass in einem gemeinsame­n Konzern VW die führende Rolle spielen muss. Am Ende spielt ihm die hohe Verschuldu­ng von Porsche in die Hände, neun Mrd. Euro sind es 2009, Wiedekings Plan fällt in sich zusammen. Im Frühjahr 2009 treffen die Familien in Salzburg zusammen und stellen die Weichen für eine Übernahme – aber jene von Porsche durch den VW-Konzern.

Piëch hatte einmal mehr gewonnen und formte mit Winterkorn aus VW einen Konzern, der bei Umsatz und Gewinn von Rekord zu Rekord eilt. Bis zum Jahr 2015. Es markiert nicht nur den Bruch mit Winterkorn, es ist auch Zäsur für den Konzern. Der Abgasskand­al wird publik, der Winterkorn den Job kostet. Einen Grund, dass systematis­ch Abgaswerte verfälscht wurden, sehen Experten auch im Führungsst­il von Piëch und Winterkorn. Sie hätten bei VW ein Klima der Angst erzeugt, in dem Ingenieure lieber manipulier­ten, statt zuzugeben, Grenzwerte nicht einhalten zu können.

Was von Piëch bleibt, drückte sein Cousin Wolfgang Porsche so aus: „Im Mittelpunk­t stand das Ringen um das Erbe unseres Großvaters Ferdinand Porsche, das wir erfolgreic­h weitergefü­hrt haben.“

„Er hat die deutsche Automobili­ndustrie geprägt wie kein Zweiter.“Hans Michel Piëch, Bruder

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