In Europa wachsen die Waldflächen
Länder wie Österreich müssen sich nicht vorwerfen lassen, zu viel Wald abzuholzen. Dafür bringt hier der Klimawandel andere Probleme.
Der Amazonas brennt. Vor allem Brasilien ist betroffen. Doch Hilfe will das Land – zumindest in der ersten Reaktion – nicht: 20 Millionen US-Dollar (17,9 Millionen Euro) hatten die Industriestaaten beim G7-Gipfel zugesagt. Der brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro verbat sich aber jede Einmischung aus dem Ausland – er kritisierte „kolonialistische Mentalität“. Bolsonaros Kabinettschef Onyx Lorenzoni sagte: „Vielleicht wäre es wichtiger, mit den Mitteln Europa wieder aufzuforsten.“
Doch gibt es in Europa noch Fläche, auf der man Bäume pflanzen könnte? Und wie ist es hier um den Wald bestellt?
An der ETH Zürich befasst sich das Crowther Lab mit Aufforstung. Wissenschafter Constantin Zohner zoomt dort in eine Karte. Europa ist mehrheitlich grün. „Hier gibt es nicht viel Potenzial für Bäume – alles, was nicht Wald ist, wird für Landwirtschaft oder Besiedelung genutzt“, sagt Zohner.
In einer Studie hat das Lab berechnet, dass weltweit 0,9 Milliarden Hektar Wald gepflanzt werden könnten – ein Großteil davon in Russland, den USA und Kanada. Diese 0,9 Milliarden Hektar würden 751 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) speichern. Das sind zwei Drittel der 1100 Milliarden Tonnen CO2, die seit der industriellen Revolution durch den Menschen in die Atmosphäre gelangt sind.
Um 7000 Hektar pro Jahr wächst der Wald in Österreich. Der Grund hierfür sei aber nicht aktive Aufforstung, sagt Hubert Hasenauer, Rektor der Universität für Bodenkultur (Boku). Der Wald, erzählt der Pinzgauer, erkämpfe sich auf Almen schnell Fläche zurück, wenn dort nicht regelmäßig gemäht werde.
Dennoch könne Österreich den eigenen CO2-Ausstoß nicht durch Bäume kompensieren. 79,1 Millionen Tonnen Treibhausgase hat die Alpenrepublik in einer ersten Berechnung des Umweltbundesamtes 2018 ausgestoßen. Um diese Menge zu binden, müsste Österreich eine Waldfläche besitzen, die zweieinhalb Mal so groß ist wie das Land selbst, sagt Hasenauer.
Die Bäume seien Gestalter des Klimas. Sie entzögen der Atmosphäre CO2, das Treibhausgas bräuchten sie zum Wachsen, sagt Hasenauer. Doch der Wald ist auch ein Betroffener des Wandels. Die Temperatur steige an, der Niederschlag verändere sich. „Viele unserer Bäume sind so konditioniert, dass sie regelmäßig Niederschlag brauchen – ein Mal die Woche Regen wäre ideal“, sagt der Wissenschafter. Vor allem im Osten Österreichs gebe es Trockenperioden, die Bäume unter Stress setzten.
Ein Symptom dieses Stresses sei der Borkenkäfer, gegen den sich die Bäume dann nicht mehr wehren könnten, erklärt Alexander Petutschnigg. Er ist Studiengangsleiter des Fachbereichs Holztechnologie und Holzbau an der FH Salzburg.
Der Wissenschafter befasst sich damit, welche Baumarten gut mit dem Klimawandel umgehen können. „Kiefern und Buchen kommen gut mit trockenen Standorten und höheren Temperaturen zurecht.“Bisher dominiere die Fichte in Österreichs Wäldern, künftig werde man mehr Kiefern und Buchen sehen. Das habe Auswirkungen auf die Holzwirtschaft. Sie müsse sich auf andere Harzanteile, mehr Äste und mehr Formveränderung einstellen.
Doch der Wald generiere nicht nur Rohstoffe, sagt Petutschnigg. Er schütze vor Lawinen und Hochwasser und helfe den Österreichern bei der Erholung. „Umso wichtiger ist es, dass es dem Wald gut geht.“