Hass im Netz richtet sich vor allem gegen Politikerinnen
Einmal ist es ihr Aussehen, ein anderes Mal ihre Rolle als Mutter: Politikerinnen sind in sozialen Netzwerken häufig mit sexistischen Angriffen konfrontiert. Einige setzen sich aber zur Wehr.
In Wahlkampfzeiten haben die Social-Media-Teams von Zeitungen und Parteien alle Hände voll zu tun. Vor allem Politikerinnen werden im Netz Opfer von Hass und Diskriminierung – und das häufiger als ihre männlichen Kollegen. Das zeigt auch eine internationale Studie. Was auf Facebook und Twitter zu lesen ist, geht unter die Haut: Die Politikerinnen werden für ihr Aussehen kritisiert, ihre Art zu reden wird angeprangert oder ihre Rolle als Mutter infrage gestellt.
Je nach Partei gehen die Kandidatinnen unterschiedlich mit den Hasspostings um. „Ich habe mein Leseverhalten sehr eingeschränkt“, sagt etwa die ehemalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). „Bei mir war es schlimm während der Schwangerschaft und nach der Geburt meines Kindes. Ich sei zu dumm zu verhüten und solche Dinge wurden über mich geschrieben“, sagt sie im SN-Gespräch.
Immer häufiger setzen sich die Betroffenen zur Wehr. Für Aufsehen sorgte etwa das Verfahren gegen die Grünenpolitikerin Sigrid Maurer. Die Statistikabteilung des Justizministeriums ortet seit Jahren eine steigende Zahl der Verfahren gegen Hassposter. Zwischen den Geschlechtern wird dort jedoch nicht unterschieden. Aber warum sind Frauen häufiger Opfer der Hetze? Und wie reagieren Politikerinnen im aktuellen Wahlkampf auf die Diskriminierung im Netz?
MARIAN SMETANA WIEN.
Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger wird beschimpft, weil sie Mutter und Politikerin gleichzeitig ist. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wird wegen ihres Lächelns angegriffen. Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wird aufgrund ihres Aussehens schwer beleidigt. Die Social-Media-Teams in Zeitungen und Parteien haben viel zu tun. Im Netz hagelt es derzeit Hass von allen Seiten, er richtet sich oft gegen Politikerinnen.
Internationale Studien – unter anderem der IPU (einer internationalen Vereinigung von Parlamenten) – untermauern den Eindruck, den die Onlineredaktion der SN schon lange hat: Politikerinnen ziehen mehr gehässige und beleidigende Kommentare auf sich. Die Kommentare beziehen sich dabei auf Aussehen, Kleidung, Habitus und das Geschlecht.
„… auch Callboys dürfen sich vor was ekeln“, schrieb etwa ein Nutzer unter einen Artikel über den Besuch einer hochrangigen Politikerin bei den Salzburger Festspielen. Nicht anonym, sondern unter vollem Namen.
Eine Studie des britischen Nachrichtensenders BBC und des Institute for Strategic Dialogue (ISD) hat herausgefunden, dass vor allem Politikerinnen von rechten Hetzern angegriffen werden. Die Parteien gehen teilweise unterschiedlich mit den Hasspostern um. Ignorieren, moderieren oder anzeigen. Fest steht aber, dass sich Politikerinnen eine Strategie zum eigenen Schutz zurechtlegen.
„Ich habe mein Leseverhalten sehr eingeschränkt“, sagt etwa die ehemalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). „Bei mir war es schlimm während der Schwangerschaft und nach der Geburt meines Kindes. Ich sei zu dumm zu verhüten und solche Dinge wurden über mich geschrieben“, sagt sie. „Eine Spitzenpolitikerin, die gleichzeitig eine Familie gründet: Das haben viele offen angefeindet.“Das veraltete Frauenbild sei noch immer vorhanden. „Frauen werden als dumm dargestellt, bei Männern wird eine andere Meinung akzeptiert.“Sie habe sich mit der Zeit eine dicke Haut zulegen müssen, heute liest sie solche Kommentare nicht mehr.
Seit Jahren wird über schärfere Hetze im Netz diskutiert und neue Gesetze gefordert. Das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein, so der Tenor. Wie schwer sich die Justiz mit diesem Phänomen aufgrund der Gesetzeslage noch immer tut, zeigte sich im Vorjahr, als die Grünenpolitikerin Sigrid Maurer von einem Ladenbesitzer verklagt wurde. Von dem Computer des Geschäftsmannes hatte Maurer extrem obszöne Nachrichten bekommen und sie veröffentlicht. Weil sie den Namen des Computerbesitzers, von dessen Facebook-Account die Nachrichten verschickt worden waren, veröffentlichte, wurde Maurer geklagt und wegen übler Nachrede schuldig gesprochen. Die zweite Instanz hob das Urteil auf, der Fall muss neu verhandelt werden. Der Antirassismusverein Zara rief mit Maurer schließlich einen Rechtshilfefonds ins Leben, der 162.445 Euro an Spenden sammeln konnte.
„Früher haben wir alles geblockt, weil es einfacher war. Heute gehen wir auch auf die beleidigenden User zu“, sagt etwa Michael Wuerges, Social-Media-Chef der SPÖ und von Pamela Rendi-Wagner. „Wir schreiben die Leute auch öffentlich an und bieten ein Gespräch an. Dort ist dann die Stimmung meist eine andere.“Dennoch gibt es klare Grenzen. „Trolle, die professionell Dutzende Hasspostings verschicken, werden blockiert und wenn jemand den Tod wünscht, ist natürlich die strafrechtliche Grenze erreicht.“
In der Statistikabteilung des Justizministeriums unterscheidet man nicht zwischen den Geschlechtern, klar erkennbar ist aber, dass die Verfahren wegen „Hasses im Netz“seit Jahren mehr werden. Vor allem eine Sensibilisierung ist in den Zahlen erkennbar, denn es gibt immer mehr Anzeigen. Landeten im Jahr 2015 noch 516 solcher Fälle bei der Staatsanwaltschaft, waren es im Vorjahr 1003. Es gab im Jahr 2018 schließlich 154 tatsächliche Anklagen und 72 Verurteilungen. In vielen Fällen einigt man sich außergerichtlich.
„Gerade im Wahlkampf versuche ich, solche Kommentare erst gar nicht an mich herankommen zu lassen. Sie kosten einfach zu viel Kraft“, beschreibt Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger ihren Umgang mit solchen Nachrichten. „Ich habe ein Team, das alle Kommentare monitort und entsprechend reagiert.“Bei inhaltlich kritischen Kommentaren scheue man die Diskussion nicht. „Strafrechtlich möglicherweise Relevantes haben wir aber auch schon angezeigt“, sagt Meinl-Reisinger.
„Ich habe den Eindruck, dass die Hetzer sich bei Frauen mehr Chancen ausrechnen, dass sie zurückweichen“, fügt Köstinger noch hinzu. Die lange Liste an erfolgreichen Politikerinnen ist dann wohl der Beweis, dass die Hassposter offenbar nicht so mächtig sind, wie sie glauben möchten.
„Solche Kommentare kosten einfach zu viel Kraft.“Beate Meinl-Reisinger, Neos-Spitzenkandidatin