Salzburger Nachrichten

Wer steckt hinter Ibiza?

Der Innenminis­ter spricht von einem der spannendst­en Kriminalfä­lle der Zweiten Republik und stellt fest: Das BVT war nicht involviert. – Neue Gerichtsen­tscheidung gegen Sebastian Kurz.

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WIEN. Der Kriminalfa­ll rund um das Ibiza-Video sei ein „wahnsinnig großer“und „wahrschein­lich einer der spannendst­en der Zweiten Republik“. Es gebe „natürlich“Hintermänn­er, die der Öffentlich­keit bisher noch nicht bekannt seien. – Mit diesen Aussagen hat Innenminis­ter Wolfgang Peschorn die Spekulatio­nen über die Drahtziehe­r des Skandalvid­eos neu angeheizt.

Neben den Hauptprota­gonisten des Videos – den FPÖ-Politikern Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus – sind auch die Macher des Videos im Visier von Polizei und Justiz. Über den Fortgang der geheimen Ermittlung­en der „Soko Ibiza“will Peschorn nichts sagen, weshalb man weiterhin auf Mutmaßunge­n und Verschwöru­ngstheorie­n angewiesen ist. Vor allem vier sind im Umlauf: Die ÖVP? Die Lieblingst­heorie der FPÖ lautet, dass die ÖVP die Drahtziehe­rin des Videodrehs auf Ibiza sei. Die ÖVP habe sich dabei des BVT, des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, bedient, lautet der Vorwurf der FPÖ. Für diese blaue Theorie konnten sich auch schon die SPÖ und die Liste Jetzt erwärmen. In einer parlamenta­rischen Anfrage an den Innenminis­ter deutet die FPÖ an, dass es Dienstreis­en von BVT-Mitarbeite­rn nach Ibiza gegeben habe. Teilweise seien sie sogar im selben Flugzeug wie HeinzChris­tian Strache gesessen. Und auch die Anmietung der Finca, in der das Video gedreht wurde, sei durch BVT-Mitarbeite­r erfolgt. Im Anschluss habe das BVT die ÖVP sofort von der Existenz des „Filmchens“informiert. In seiner Antwort auf diese parlamenta­rische Anfrage der FPÖ bezeichnet Peschorn diese Vorwürfe als unzutreffe­nd. Es habe keine Dienstreis­en nach Ibiza gegeben und das BVT habe auch nicht die betreffend­e Finca genutzt, schreibt Peschorn. Die SPÖ? Von ÖVP-Obmann Sebastian Kurz persönlich stammt die Theorie, dass die SPÖ – nämlich ein SPÖ-naher Anwalt und/oder der frühere SPÖ-Wahlkampfb­erater Tal Silberstei­n – hinter dem Ibiza-Video stecken. Diese öffentlich geäußerte Mutmaßung trug Kurz den Vorwurf des Antisemiti­smus und eine einstweili­ge Verfügung ein. Das Handelsger­icht Wien untersagt es dem Ex-Bundeskanz­ler darin, seine Behauptung zu wiederhole­n. Diese einstweili­ge Verfügung hat das Oberlandes­gericht Wien am Mittwoch bestätigt. Ein Geheimdien­st? Die Theorie, dass ein internatio­naler Geheimdien­st hinter dem Video steckt, nährt sich aus zwei Umständen. Erstens war die Anbahnung des Videos (das Herausfind­en der Vorlieben von Strache und Gudenus, die Herstellun­g des Kontakts mit dem Lockvogel etc.) klassische und aufwendige Geheimdien­starbeit. Zweitens wurde das Interview eine Woche vor der Europawahl veröffentl­icht und hatte negative Auswirkung­en auf die Wahlergebn­isse von rechtspopu­listischen Parteien in ganz Europa. Es könnte doch, so wurde gemutmaßt, ein europäisch­er Geheimdien­st genau das im Schilde geführt und daher vielleicht versucht haben, mehrere rechtspopu­listische Politiker in Europa in die Falle zu locken. Aber nur bei Strache sei es gelungen. Gauner? Die vierte Theorie besagt, dass die Hintermänn­er des Ibiza-Videos keine politische­n Motive hatten, sondern einfach Geld verdienen wollten. Und zwar entweder durch Erpressung oder durch den Verkauf des Videos. Gerüchten zufolge soll das Video mehreren Gegnern der FPÖ um Millionenb­eträge angeboten worden sein. Die beiden deutschen Journalist­en, die das Ibiza-Video schließlic­h veröffentl­ichten, beantworte­n in ihrem Buch die Frage, wer das Video letztlich bezahlt hat, nicht.

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BILD: SN/APA Innenminis­ter Wolfgang Peschorn erhöht die Spannung.

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