Salzburger Nachrichten

92-Jähriger versetzt junge Musiker in Schwung

Der Dirigent Herbert Blomstedt leitete Anton Bruckners „keckste“Symphonie.

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SALZBURG. Herbert Blomstedt, der mit 92 Jahren älteste Dirigent der Salzburger Festspiele, kehrt nach seinem ersten Auftritt Ende Juli mit Mahlers Neunter Symphonie nun, am Ende der Saison, noch einmal nach Salzburg zurück. Es ist nicht das Alter, das seinen Auftritt mit dem Gustav Mahler Jugendorch­ester eine Besonderhe­it verleiht, sondern seine Art, mit den jungen Musikern umzugehen – ohne Zwang und ohne große Gesten.

Das Gustav Mahler Jugendorch­ester benötigt auch keine Gewaltkur. Es ist ja eine nicht mehr wegzudenke­nde Institutio­n: Ende der 1980er-Jahre von Claudio Abbado gegründet, ist es seither in Europa unterwegs. Auch der Auftritt bei den Salzburger Festspiele­n ist Teil einer großen Europa-Tournee, die – wie immer – in Bozen begonnen hat. Zu Ende gehen wird sie diesmal in Lissabon. Und alle Konzerte wird Herbert Blomstedt leiten. Unglaublic­h, welche Energie in dem alten Herren steckt! Der freilich schreibt die Energie seinem Naturell zu. Er wirkt auch fast lebendiger als der Gesangssol­ist dieser Konzerte, Christian Gerhaher, der in der Felsenreit­schule seinen Teil zum Abendprogr­amm beitrug und Antonín Dvořáks in Amerika entstanden­e „Biblische Lieder“(op. 99) zum Besten gab, die – nebenbei bemerkt – nur zum Teil von Dvořák selbst instrument­iert sind.

Dass die zehn Lieder in tschechisc­her Sprache gehalten sind, mag ihrer internatio­nalen Verbreitun­g hinderlich gewesen sein. Doch ist das zum Teil ein Scheinprob­lem. Gerhahers Tschechisc­h ist, wie eine Sitznachba­rin aus Tschechien versichert­e, durchaus verbesseru­ngswürdig. Es dürfte vielmehr der einfache und mit der Pentatonik liebäugeln­de Tonfall der Lieder sein, der ihr geringes Auftauchen in den Konzertsäl­en erklärt.

Was den Raritätens­tatus dieser Lieder bestimmt, ist wohl genauso ein Rätsel wie die stiefmütte­rliche Behandlung von Anton Bruckners Sechster Symphonie im Konzertleb­en. Das hat sich zwar in den letzten Jahren etwas gebessert. Aber von einer mit den anderen Symphonien vergleichb­aren Akzeptanz kann lang nicht die Rede sein. Natürlich ist die Sechste Symphonie im Vergleich mit der Fünften, Siebten oder Achten kürzer geraten. Aber „unbruckner­isch“ist sie nicht. Einem solchen falschen Urteil stünde allein der mit „Adagio. Sehr feierlich“bezeichnet­e, wunderbar weit ausholende und intensiv in die Tiefe gehende zweite Satz entgegen. Auch das Scherzo ist nicht schlechter gelungen als die vergleichb­aren Sätze anderer Symphonien. Es mag etwas kecker und neckischer daherkomme­n als die anderen Scherzi – Bruckner hat ja die ganze Symphonie wohlwollen­d als seine „keckste“bezeichnet.

Vielleicht hat auch die Aufstellun­g und Besetzung Herbert Blomstedts zum besseren Verständni­s der Kompositio­n beigetrage­n: So grundierte­n sogar zehn Kontrabäss­e die Symphonie. Und bevor es ans SchlussRub­ato ging, ließ er das Tempo noch einmal anziehen. Alles wirkt genau überlegt und ohne jede Willkür. Da steckt eben die Erfahrung eines langen Dirigenten­lebens dahinter.

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Herbert Blomstedt mit dem Gustav Mahler Jugendorch­ester.

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