Sind Wasserstoffautos eine Alternative zur Elektromobilität?
In der politischen Diskussion rückt Wasserstoff als Energieträger der Zukunft immer mehr in den Fokus. Eine Studie der TU Wien liefert aber eher ernüchternde Erkenntnisse.
Die Politik will verstärkt auf Wasserstoff als Energieträger der Zukunft setzen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel kündigte bis zum Jahresende eine nationale Wasserstoffstrategie an. Und ExKanzler Sebastian Kurz ließ aufhorchen, als er Ende Juni sagte, er wolle Österreich zur Wasserstoffnation Nummer eins machen. Sein Hauptaugenmerk liege dabei auf dem Verkehr. Doch wie sinnvoll ist es tatsächlich, vor allem mit Blick auf die hochgesteckten Klimaziele, in Wasserstoff zu investieren?
Eine Studie der Technischen Universität Wien könnte hier die Euphorie etwas drosseln. Manfred Schrödl vom Institut für Energiesystem und Elektrische Antriebe kommt darin beispielsweise zum Schluss: „Wasserstoffautos sind keine Alternative zur Elektromobilität. Nur in bestimmten Nischen der Mobilität ist Wasserstoff als Energieträger sinnvoll.“
Österreich hat sich verpflichtet, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid von 2005 bis 2030 um 36 Prozent zu verringern. Der Strombedarf soll bis 2030 im Jahresdurchschnitt zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Die Emissionen im Bereich Mobilität sollen bis dahin um ein Drittel sinken. Manfred Schrödl erklärt, dass diese Ziele nur mit Elektromobilität und höheren Förderungen für regenerative Energie zu erreichen seien.
Der Techniker kann das auch im Detail vorrechnen. Demnach braucht ein Elektroauto für eine Fahrt von 100 Kilometern ungefähr 20 kWh (Kilowattstunden) Strom. Addiert man zehn Prozent Verluste durch Zwischenspeichern und Laden, kommt man auf 22 kWh – vom Windrad oder von der Photovoltaikzelle weggerechnet. Die Bilanz eines Wasserstoffautos sieht nach Schrödls Angaben deutlich schlechter aus. Es benötigt für die 100 Kilometer 1 bis 1,2 Kilogramm Wasserstoff mit einem Energiegehalt von 33 bis 39 kWh. Auch hier rechnet er die Verluste durch Komprimierung und Transport in der ökologisch günstigsten Variante dazu und kommt dabei auf mindestens 52 kWh. „Das Wasserstoffauto benötigt ungefähr 2,4 Mal so viel Energie wie das klassische Elektroauto, wenn es sich um grünen Wasserstoff handelt“, betont Schrödl.
In der Praxis sieht derzeit die Energiebilanz von Wasserstoff noch deutlich schlechter aus, weil man 90 Prozent davon aus Erdgas herstellt: In diesem Fall liegt ein mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug nicht besser als ein gewöhnliches Auto, das sechs bis sieben Liter Diesel oder Benzin auf 100 Kilometern verbraucht. Schrödl führt als ein weiteres Argument ins Treffen, dass mit Blick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien der zusätzliche Strombedarf bei einer Wasserstoffauto-Initiative fast drei Mal höher sei als für Elektroautos.
Die Zukunft von Wasserstoff sieht der TU-Forscher eher als Langzeit-Energiespeicher oder in der Industrie, wenn Abwärme gut genutzt wird. In einem Dossier des österreichischen Klima- und Energiefonds zum Thema Wasserstoff sieht man die Potenziale dieses Energieträgers vor allem bei Fahrzeugen, die hohe Lasten über weite Strecken transportieren. Rein batterieelektrisch sei das nur unter hohem technischen Aufwand und großen Kosten zu betreiben. Für die Experten des Klimafonds ist Wasserstoff darüber hinaus für Flugzeuge, Schiffe und Züge interessant. Mini-Wasserstoffbrennstoffzellen könnten Batterien in Smartphones oder Laptops ablösen und MikroKraft-Wärme-Kopplung könnte Häuser heizen.