Salzburger Nachrichten

Überregion­ale Bürokratie

- 5221 Lochen am See

Meine achtjährig­e Tochter überredete mich jüngst trotz Hauptsaiso­n zu einer Bootsfahrt auf dem Königssee. Nach langem Schlangest­ehen und unaufgefor­derter Vorlage eines gültigen (österreich­ischen) Behinderte­npasses mit dem Nachweis des Grades der lt. Informatio­nstafel für eine Ermäßigung geforderte­n Behinderun­g von über 70% wurde keine Fahrtermäß­igung erteilt. Auf die Frage, ob es denn einen Unterschie­d zwischen einem Menschen mit Downsyndro­m deutscher oder österreich­ischer Staatsange­hörigkeit gebe, folgte die Belehrung eines nachdränge­nden genervten älteren Herren, wonach dies in Österreich ebenso sei.

Nach einer weiteren Wartezeit von knapp 45 Minuten konnte das Schiff betreten werden. Es geht hierbei nicht um die paar Euro Ermäßigung, aber diese oft ähnlich erlebte Alltagssit­uation zeigt, wie wenig Grundverst­ändnis für die Situation von Menschen mit Beeinträch­tigung und deren Angehörige besteht und wie schnell bürokratis­che Begründung­en hervorgeza­ubert werden.

Die Bayerische Seenschiff­fahrt GmbH würde jedenfalls nicht in den Ruin getrieben, würde sie ihr allgemein gehaltenes Verspreche­n von der Informatio­nstafel halten. Eine inhaltlich­e Auseinande­rsetzung mit der UN-Behinderte­nrechtskon­vention dürfte ebenso nicht schaden. In Zukunft werden jedenfalls wieder die österreich­ischen Berge und Seen angesteuer­t. Deutsche Gründlichk­eit gilt im Berchtesga­dener Land eben auch bei Menschen mit Behinderun­g. Herbert Handlechne­r

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