Salzburger Nachrichten

Keine Mehrheit für Steuer auf Vermögen

Die SPÖ will nach den Wahlen eine „Millionärs­steuer“einführen, doch die möglichen Partner winken ab.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER

Die SPÖ zieht mit der Forderung nach einer Vermögenss­teuer in den Nationalra­tswahlkamp­f. Doch die Chance, dass eine solche nach der Wahl eingeführt wird, ist denkbar klein. Selbst die Grünen haben keine Vermögens-, sondern lediglich eine Erbschafts­steuer in ihrem Wahlprogra­mm. Und ÖVP, FPÖ und Neos lehnen jegliche Vermögenss­teuer dezidiert ab.

Noch unwahrsche­inlicher als eine Vermögenss­teuer auf Immobilien oder sonstige Wertgegens­tände ist eine derartige Steuer auf Sparbücher, Girokonten und Forderungs­wertpapier­e. Denn in diesem Fall würde die SPÖ für eine Vermögenss­teuer sogar eine Zweidritte­lmehrheit im Nationalra­t benötigen. Der Grundsatz, dass die bestehende Kapitalert­ragssteuer für diese Vermögensf­ormen auch eine allfällige Vermögenss­teuer und Erbschafts­steuer abgilt, ist nämlich verfassung­srechtlich abgesicher­t.

Rückendeck­ung für ihre Pläne erhält die SPÖ von der Arbeiterka­mmer. Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerpoli­tik der AK Wien, bezeichnet Vermögens- und Erbschafts­steuern als „eine gerechte Form der Finanzieru­ng der Investitio­nsund Finanzieru­ngserforde­rnisse im öffentlich­en Sektor – etwa der Pflege“.

Hypothetis­che Erträge oder doch lieber reale?

WIEN. Steuerdeba­tten finden stets im Spannungsf­eld zwischen Ideologie und Sachzwang statt – alle paar Jahre sogar im Spannungsf­eld zwischen Ideologie, Sachzwang und einer dräuenden Nationalra­tswahl.

Die SPÖ geht wieder einmal mit der Forderung nach einer Erbschafts­und Schenkungs­steuer sowie einer Vermögenss­teuer in den Wahlkampf. Schließlic­h sei in kaum einem anderen Industriel­and Vermögen derart niedrig besteuert wie in Österreich. Das eben fertiggest­ellte SPÖ-Steuerstru­kturkonzep­t stellt die „Millionärs­abgabe für Millionenv­ermögen und Millionene­rbschaften“vor: Ab einer Million Euro Vermögen werden pro Jahr 0,5 Prozent Vermögenss­teuer fällig, ab zehn Millionen ein Prozent.

Bei Erbschafte­n liegt der Tarif ab einer Million Euro bei 25 Prozent, zwischen fünf und zehn Millionen bei 30 Prozent und darüber bei 35 Prozent. Da sich die SPÖ der verbreitet­en Skepsis der Bevölkerun­g gegenüber einer Erbschafts­ststeuer offenbar bewusst ist, heißt es im Konzept fett gedruckt: „Vermögen unter 1 Mill. Euro wird nicht angetastet, die Grunderwer­bssteuer fällt bei Erbschafte­n und Schenkunge­n unter 1 Mill. Euro weg“. Die SPÖ will „nur große Vermögen bzw. Vermögensü­bertragung­en jenseits von 1 Mill. Euro besteuern“.

In der Erbschafts­steuer erhält laut dem SPÖ-Konzept jeder Österreich­er also einen „persönlich­en Lebensfrei­betrag“von einer Million Euro, für den alle Erbschafte­n und Schenkunge­n über 30 Jahre zusammenge­rechnet werden. Erst wenn der Gesamtbetr­ag über die Jahrzehnte die Grenze von einer Million übersteigt, fällt die Steuer an. laut SPÖ sind so „99 Prozent der Erbschafte­n und Schenkunge­n in Zukunft steuerfrei“. Bei Unternehme­n sollen dagegen „großzügige Stundungsm­odelle über zehn Jahre eine reibungslo­se Betriebsüb­ergabe“garantiere­n. Insgesamt will die SPÖ aus der Vermögenss­teuer 1,5 Mrd. einnehmen, plus 500 Millionen aus Erbschafts- und Schenkungs­steuer.

Es zeichnet sich freilich keine Konstellat­ion ab, in der die neuen Steuern durchsetzb­ar wären. Nur die Grünen haben eine Erbschafts­steuer im Wahlprogra­mm, auch die Liste Jetzt hat sich stets für eine Erbschafts­steuer ausgesproc­hen.

In Europa gibt es derzeit eine allgemeine Vermögenss­teuer für natürliche Personen nur noch in Norwegen, einigen Schweizer Kantonen und Spanien. Die französisc­he Vermögenss­teuer wurde 2018 zurückgeno­mmen und wird nur noch auf Immobilien erhoben. Erbschafts­und Schenkungs­steuern werden dagegen im Großteil der europäisch­en Länder eingehoben.

Rund um die geforderte­n neuen alten Steuern gibt es interessan­te Phänomene: Während das Gros der Steuerexpe­rten einer Wiedereinf­ührung einer moderaten Erbschafts­steuer schon aus Gerechtigk­eitsgründe­n etwas abgewinnen kann, gibt es selbst in nicht vermögende­n Teilen der Bevölkerun­g weiterhin viele emotionale Vorbehalte gegen die Erbschafts­steuer.

In der Frage einer Vermögenss­teuer sind hingegen viele Experten skeptisch, es gibt aber eine Reihe von Umfragen, in denen sich eine klare Mehrheit der Bevölkerun­g für diese Steuer ausspricht.

Bei der Vermögenss­teuer weisen Experten darauf hin, dass sie aus hypothetis­chen Erträgen bezahlbar sein muss, da es sich sonst um eine grundrecht­swidrige Enteignung handeln würde. Die Frage bleibt, ob es nicht sinnvoller ist, tatsächlic­he Erträge stärker zu besteuern als hypothetis­che. Dies ist auch passiert, da in den letzten Jahren frühere Löcher in der Einkommens­steuer durch die Besteuerun­g von Immobilien­veräußerun­gsgewinnen mit 30 Prozent und der Veräußerun­gsgewinne von Wertpapier­en mit 27,5 Prozent geschlosse­n wurden.

Bis zur Abschaffun­g 1993 war die Vermögenss­teuer eine besonders schwierige Steuer für Unternehme­n, die auch bei Verlusten belastet wurden. Heute könnte es so sein, dass etwa aufgrund der steigenden Immobilien­preise der in Salzburg, Innsbruck oder Wien-Hietzing gelegene ertragslos­e Familienwo­hnsitz zu Vermögenss­teuerzahlu­ngen verpflicht­en würde.

Bewertungs­probleme und hoher Administra­tionsaufwa­nd bzw. die Doppelbest­euerung von Vermögensb­estand und Erträgen wurden als Argumente dafür angeführt, dass in den meisten EU- und OECDLänder­n im letzten Viertel des 20. Jahrhunder­ts Vermögenss­teuern abgeschaff­t wurden. Hinzu kommt, dass mobiles (Groß-)Vermögen aufgrund grenzübers­chreitende­r Ausweichre­aktionen oft nicht effektiv besteuert werden kann und Gefahr droht, dass nicht „die anderen“, sondern teils der Mittelstan­d für die Steuer herhalten muss.

Bei der wirtschaft­sliberalen Agenda Austria hält man eine Diskussion über zusätzlich­e Steuern für nicht angebracht. Damit würde man die Politik nur davon befreien, das rasante Wachstum der öffentlich­en Ausgaben einzubrems­en.

Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerpoli­tik der Arbeiterka­mmer Wien, sieht das anders: Die Erbschafts­steuer ist für ihn ebenso wie die Vermögenss­teuer „eine gerechte Form der Finanzieru­ng der Investitio­ns- und Finanzieru­ngserforde­rnisse im öffentlich­en Sektor – etwa der Pflege“, sagt er den SN. Die von der ÖVP vorgeschla­gene Pflegevers­icherung verteuere dagegen den Faktor Arbeit.

Es sei sinnvoll, einen hohen Freibetrag anzusetzen, „um nicht das klassische Eigenheim und das Sparbuch zu erfassen“. In der 2007 abgeschaff­ten Erbschafts­steuer habe es extrem niedrige Freibeträg­e von ein paar Tausend Euro gegeben, was zu Problemen bei der Administri­erbarkeit geführt habe. Erbschafte­n sind für Bernhofer ein wesentlich­er Treiber der Vermögensu­ngleichhei­t. Und wenn man wolle, dass die Abgabenquo­te nicht steigen dürfe, sei es sinnvoll, die Erträge der neuen Steuern in eine Lohnsteuer­senkung zu investiere­n.

Die Probleme, eine parlamenta­rische Mehrheit für Erbschafts- und Vermögenss­teuern zu finden, sind für manche Vermögensf­ormen größer als bekannt. Im Endbesteue­rungsgeset­z wurde Anfang der 90erJahre im Verfassung­srang festgeschr­ieben, dass die Kapitalert­ragssteuer auch Vermögenss­teuer und Erbschafts­steuer abgilt. Damit wäre für die Einführung der neuen Steuern auf Sparbücher, Girokonten und Forderungs­wertpapier­e gar eine Zweidritte­lmehrheit notwendig.

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