Keine Mehrheit für Steuer auf Vermögen
Die SPÖ will nach den Wahlen eine „Millionärssteuer“einführen, doch die möglichen Partner winken ab.
Die SPÖ zieht mit der Forderung nach einer Vermögenssteuer in den Nationalratswahlkampf. Doch die Chance, dass eine solche nach der Wahl eingeführt wird, ist denkbar klein. Selbst die Grünen haben keine Vermögens-, sondern lediglich eine Erbschaftssteuer in ihrem Wahlprogramm. Und ÖVP, FPÖ und Neos lehnen jegliche Vermögenssteuer dezidiert ab.
Noch unwahrscheinlicher als eine Vermögenssteuer auf Immobilien oder sonstige Wertgegenstände ist eine derartige Steuer auf Sparbücher, Girokonten und Forderungswertpapiere. Denn in diesem Fall würde die SPÖ für eine Vermögenssteuer sogar eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat benötigen. Der Grundsatz, dass die bestehende Kapitalertragssteuer für diese Vermögensformen auch eine allfällige Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer abgilt, ist nämlich verfassungsrechtlich abgesichert.
Rückendeckung für ihre Pläne erhält die SPÖ von der Arbeiterkammer. Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerpolitik der AK Wien, bezeichnet Vermögens- und Erbschaftssteuern als „eine gerechte Form der Finanzierung der Investitionsund Finanzierungserfordernisse im öffentlichen Sektor – etwa der Pflege“.
Hypothetische Erträge oder doch lieber reale?
WIEN. Steuerdebatten finden stets im Spannungsfeld zwischen Ideologie und Sachzwang statt – alle paar Jahre sogar im Spannungsfeld zwischen Ideologie, Sachzwang und einer dräuenden Nationalratswahl.
Die SPÖ geht wieder einmal mit der Forderung nach einer Erbschaftsund Schenkungssteuer sowie einer Vermögenssteuer in den Wahlkampf. Schließlich sei in kaum einem anderen Industrieland Vermögen derart niedrig besteuert wie in Österreich. Das eben fertiggestellte SPÖ-Steuerstrukturkonzept stellt die „Millionärsabgabe für Millionenvermögen und Millionenerbschaften“vor: Ab einer Million Euro Vermögen werden pro Jahr 0,5 Prozent Vermögenssteuer fällig, ab zehn Millionen ein Prozent.
Bei Erbschaften liegt der Tarif ab einer Million Euro bei 25 Prozent, zwischen fünf und zehn Millionen bei 30 Prozent und darüber bei 35 Prozent. Da sich die SPÖ der verbreiteten Skepsis der Bevölkerung gegenüber einer Erbschaftsststeuer offenbar bewusst ist, heißt es im Konzept fett gedruckt: „Vermögen unter 1 Mill. Euro wird nicht angetastet, die Grunderwerbssteuer fällt bei Erbschaften und Schenkungen unter 1 Mill. Euro weg“. Die SPÖ will „nur große Vermögen bzw. Vermögensübertragungen jenseits von 1 Mill. Euro besteuern“.
In der Erbschaftssteuer erhält laut dem SPÖ-Konzept jeder Österreicher also einen „persönlichen Lebensfreibetrag“von einer Million Euro, für den alle Erbschaften und Schenkungen über 30 Jahre zusammengerechnet werden. Erst wenn der Gesamtbetrag über die Jahrzehnte die Grenze von einer Million übersteigt, fällt die Steuer an. laut SPÖ sind so „99 Prozent der Erbschaften und Schenkungen in Zukunft steuerfrei“. Bei Unternehmen sollen dagegen „großzügige Stundungsmodelle über zehn Jahre eine reibungslose Betriebsübergabe“garantieren. Insgesamt will die SPÖ aus der Vermögenssteuer 1,5 Mrd. einnehmen, plus 500 Millionen aus Erbschafts- und Schenkungssteuer.
Es zeichnet sich freilich keine Konstellation ab, in der die neuen Steuern durchsetzbar wären. Nur die Grünen haben eine Erbschaftssteuer im Wahlprogramm, auch die Liste Jetzt hat sich stets für eine Erbschaftssteuer ausgesprochen.
In Europa gibt es derzeit eine allgemeine Vermögenssteuer für natürliche Personen nur noch in Norwegen, einigen Schweizer Kantonen und Spanien. Die französische Vermögenssteuer wurde 2018 zurückgenommen und wird nur noch auf Immobilien erhoben. Erbschaftsund Schenkungssteuern werden dagegen im Großteil der europäischen Länder eingehoben.
Rund um die geforderten neuen alten Steuern gibt es interessante Phänomene: Während das Gros der Steuerexperten einer Wiedereinführung einer moderaten Erbschaftssteuer schon aus Gerechtigkeitsgründen etwas abgewinnen kann, gibt es selbst in nicht vermögenden Teilen der Bevölkerung weiterhin viele emotionale Vorbehalte gegen die Erbschaftssteuer.
In der Frage einer Vermögenssteuer sind hingegen viele Experten skeptisch, es gibt aber eine Reihe von Umfragen, in denen sich eine klare Mehrheit der Bevölkerung für diese Steuer ausspricht.
Bei der Vermögenssteuer weisen Experten darauf hin, dass sie aus hypothetischen Erträgen bezahlbar sein muss, da es sich sonst um eine grundrechtswidrige Enteignung handeln würde. Die Frage bleibt, ob es nicht sinnvoller ist, tatsächliche Erträge stärker zu besteuern als hypothetische. Dies ist auch passiert, da in den letzten Jahren frühere Löcher in der Einkommenssteuer durch die Besteuerung von Immobilienveräußerungsgewinnen mit 30 Prozent und der Veräußerungsgewinne von Wertpapieren mit 27,5 Prozent geschlossen wurden.
Bis zur Abschaffung 1993 war die Vermögenssteuer eine besonders schwierige Steuer für Unternehmen, die auch bei Verlusten belastet wurden. Heute könnte es so sein, dass etwa aufgrund der steigenden Immobilienpreise der in Salzburg, Innsbruck oder Wien-Hietzing gelegene ertragslose Familienwohnsitz zu Vermögenssteuerzahlungen verpflichten würde.
Bewertungsprobleme und hoher Administrationsaufwand bzw. die Doppelbesteuerung von Vermögensbestand und Erträgen wurden als Argumente dafür angeführt, dass in den meisten EU- und OECDLändern im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts Vermögenssteuern abgeschafft wurden. Hinzu kommt, dass mobiles (Groß-)Vermögen aufgrund grenzüberschreitender Ausweichreaktionen oft nicht effektiv besteuert werden kann und Gefahr droht, dass nicht „die anderen“, sondern teils der Mittelstand für die Steuer herhalten muss.
Bei der wirtschaftsliberalen Agenda Austria hält man eine Diskussion über zusätzliche Steuern für nicht angebracht. Damit würde man die Politik nur davon befreien, das rasante Wachstum der öffentlichen Ausgaben einzubremsen.
Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerpolitik der Arbeiterkammer Wien, sieht das anders: Die Erbschaftssteuer ist für ihn ebenso wie die Vermögenssteuer „eine gerechte Form der Finanzierung der Investitions- und Finanzierungserfordernisse im öffentlichen Sektor – etwa der Pflege“, sagt er den SN. Die von der ÖVP vorgeschlagene Pflegeversicherung verteuere dagegen den Faktor Arbeit.
Es sei sinnvoll, einen hohen Freibetrag anzusetzen, „um nicht das klassische Eigenheim und das Sparbuch zu erfassen“. In der 2007 abgeschafften Erbschaftssteuer habe es extrem niedrige Freibeträge von ein paar Tausend Euro gegeben, was zu Problemen bei der Administrierbarkeit geführt habe. Erbschaften sind für Bernhofer ein wesentlicher Treiber der Vermögensungleichheit. Und wenn man wolle, dass die Abgabenquote nicht steigen dürfe, sei es sinnvoll, die Erträge der neuen Steuern in eine Lohnsteuersenkung zu investieren.
Die Probleme, eine parlamentarische Mehrheit für Erbschafts- und Vermögenssteuern zu finden, sind für manche Vermögensformen größer als bekannt. Im Endbesteuerungsgesetz wurde Anfang der 90erJahre im Verfassungsrang festgeschrieben, dass die Kapitalertragssteuer auch Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer abgilt. Damit wäre für die Einführung der neuen Steuern auf Sparbücher, Girokonten und Forderungswertpapiere gar eine Zweidrittelmehrheit notwendig.