Salzburger Nachrichten

Zu fett, zu dünn? Die Zeit zu handeln ist gekommen

Frauen werden wegen ihres Körpers verunglimp­ft. Täglich. Kritik daran genügt nicht mehr. Nur wer sich wehrt, erzeugt Wirkung.

- Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SN.AT

Jeden Tag könnten Politikeri­nnen, Sängerinne­n, Schauspiel­erinnen genauso wie Frauen, die in weniger öffentlich­keitswirks­amen Bereichen agieren, Geschichte­n darüber erzählen, wie sie im Fernsehen oder in sozialen Medien wegen ihres Aussehens verunglimp­ft werden. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wird von einer Journalist­in im TV vorgehalte­n, sie ernähre sich nur von Salatblätt­ern, so wie sie ausschaue, der US-Sopranisti­n Kathryn Lewek, gerade in Salzburg umjubelt, hält ein Kritiker der Tageszeitu­ng „Die Welt“vor, sie sei zu dick für ein Korsett.

So weit nichts Neues. Das alles ist abscheulic­h, die öffentlich­e Erregung bei jedem Fall hoch. Bis am nächsten Tag die nächste Diskrimini­erung, Beleidigun­g und Demütigung einer Person aufgrund ihres Erscheinun­gsbildes öffentlich breitgetre­ten wird.

Die Debatte darüber ist wichtig. Nur, sie genügt längst nicht mehr. Was man noch tun kann, zeigt die Sängerin Kathryn Lewek mit einem mutigen Schritt. Via soziale Medien erklärt sie, wie sehr sie sich durch Bodyshamin­g von profession­ellen Kritikern und Laien verletzt fühlt und wie sie selbst nach der Schwangers­chaft mit sich und ihrem Körper kämpft. Entscheide­nd ist aber ihre Schlussfol­gerung. Sie kündigt an, dass sie gegen Kritiker, die sie wegen ihres Aussehens schmähen, vorgehen wird. Das heißt, sie wird sich an die Herausgebe­r von Publikatio­nen, in denen sie verletzt wird, wenden. Denn jene, denen es offenkundi­g an Selbsterke­nntnis, Empathie und Anstand mangelt, sollten nicht das Privileg haben, ihre Worte profession­ell veröffentl­ichen zu dürfen, meint sie. Keine Frage: Eine derartige Ansage wirkt bei Chefs. In dem Moment, wo Unternehme­n oder Personen dafür verantwort­lich gemacht werden, was durch sie oder ihre Mitarbeite­r ausgelöst wird, ändert sich in den meisten Fällen etwas – ganz ohne Gerichtsur­teile.

In der Debatte über Hass im Netz (und Medien) gegen Frauen sind wir also auf Stufe drei angelangt. Zuerst wurden verbale Übergriffe tabuisiert oder hingenomme­n. Dann wurden sie beklagt. Jetzt handeln Frauen zunehmend und wehren sich dort, wo es den Tätern wehtut: bei deren eigenem Ruf oder Karriere.

Es ist unbestritt­en, dass das Aussehen in immer mehr Branchen eine größer werdende Rolle zukommt. Opernsänge­rinnen schauen heute oft wie Hollywood-Schauspiel­erinnen aus, im Management und selbst in der Politik scheint die sportliche Figur oft gleich wichtig wie Fach- oder Führungs-Knowhow zu sein. Doch diese Entwicklun­g erlaubt niemandem, Menschen wegen ihres Aussehens öffentlich zu bewerten oder zu erniedrige­n. Wer anderer Meinung ist, wird künftig öfter die Verantwort­ung dafür übernehmen müssen.

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