Bio-Obstsackerl sind noch ein Zankapfel
Die meisten Supermärkte verlangen für recycelbare Knotenbeutel einen Unkostenbeitrag. In Kompostieranlagen werden sie dennoch aussortiert.
WIEN. In vielen Obst- und Gemüseabteilungen von Supermärkten haben Konsumenten derzeit die Qual der Wahl: Sie können ihren Salat in einen Gratis-Knotenbeutel aus Plastik geben oder in ein kompostierbares Bio-Plastiksackerl, für das einige Lebensmittelkonzerne drei Cent pro Stück verlangen. Ist es nicht ein falsches Signal an Kunden, wenn sie umweltfeindliche Produkte geschenkt bekommen, für recycelbare hingegen bezahlen müssen?
„Unsere Beobachtungen zeigen das Gegenteil: Hat etwas keinen Preis, hat es keinen Wert. Daher und um auf die Wertigkeit der Ressourcen und eine Mehrfachnutzung aufmerksam zu machen, geben wir das abbaubare Öko-Sackerl zum Selbstkostenpreis von drei Cent an unsere Kunden weiter“, sagt Susanne Moser-Guntschnig, Sprecherin des Lebensmittelkonzerns Rewe. Beim Diskonter Hofer argumentiert man, dass Rohstoffe wie auch Produktion bei den biologisch abbaubaren Knotenbeuteln wesentlich teurer seien, weshalb ein Unkostenbeitrag von drei Cent eingehoben werde.
Die Handelsketten befinden sich in einer Umstellungsphase. Derzeit werden noch Restbestände der konventionellen Obstsackerl aufgebraucht. Spätestens mit Jahresbeginn 2020 ist mit dem umweltverschmutzenden Plastikmüll von Gesetzes wegen Schluss. Bei Spar würden ab Oktober österreichweit nur mehr kompostierbare Sackerl an die Filialen geliefert, sagt Lukas Wiesmüller, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit. Der Spar-Konzern will auch in Zukunft die im Einkauf viel teureren recycelbaren Knotenbeutel gratis an Kunden abgeben.
Ein Signal, das Nunu Kaller, Konsumentensprecherin der Umweltschutzorganisation Greenpeace, kritisiert: „Schon ein geringer Betrag führt zu einer Reduktion der Verwendung. Beispiele aus England zeigen, dass bei Kosten von zwei Cent der Verbrauch von Knotenbeuteln um 80 Prozent gesunken ist.“Um einen solchen Steuerungseffekt zu erzielen, hätten Umweltschützer überhaupt gern einen Mindestpreis im Gesetz festgelegt. Die Regierung erteilte dieser Forderung allerdings eine Absage.
Das neue TÜV-zertifizierte und Ö-normierte Öko-Sackerl hat noch ein Problem: Man kann es zwar problemlos als Bioabfallbeutel verwenden und zu Hause in den Kompost werfen, nur verrottet es viel langsamer als Salat und Obst. Nur bei idealen Kompostbedingungen wird es innerhalb von drei Monaten abgebaut. „Ich würde nicht empfehlen, es auf den eigenen Kompost zu geben“, sagt Christian Kornherr, Leiter der Abteilung „Untersuchungen“beim Verein für Konsumenteninformation (VKI).
Selbst in industriellen Kompostieranlagen werden die Öko-Sackerl aussortiert, weil sie nicht als solche eindeutig gekennzeichnet sind und die Gefahr besteht, dass Mikroplastik in den Kompostkreislauf gelangt. „Wenn schon biologisch abbaubar, dann sollten sie einheitlich aussehen und klar erkennbar sein“, erklärt Kornherr, der die Initiative „Bio-Kreislauf-Sackerl“(www.biosackerl.at) des Kompostgüteverbands unterstützt.
Auch Nunu Kaller fordert eine Investition in entsprechende Abfallwirtschaftssysteme. Solange „Sackerlfetzen im Kompost“blieben, die optisch die Qualität minderten, würden Biosackerl in Kompostieranlagen aussortiert. Generell plädiert sie für Mehrwegalternativen – wie bereits existierende wiederverwendbare Netze und Taschen – und gegen einen reinen Materialaustausch wie bei den Obstsackerln.
„Öko-Sackerl sollten einheitlich aussehen und klar erkennbar sein.“