Salzburger Nachrichten

Frauen zahlen drauf

In Österreich bekommen Frauen für gleiche Arbeit weniger Geld als Männer. Und sie müssen für gleiche Leistungen oder Produkte oft tiefer in die Tasche greifen. Gerade der Friseurbes­uch ist teuer – nicht wegen der Haarlänge.

-

Geht eine Frau zum Friseur, zahlt sie elf Euro mehr als ein Mann. Nicht für das Schneiden langer Locken, sondern für einen Kurzhaarsc­hnitt. Fast 90 Prozent der heimischen Frisiersal­ons behandeln Frauen und Männer ungleich und verlangen für gleichen Service – Waschen, Schneiden und Trocknen bei kurzen Haaren – unterschie­dliche Preise. Das ist nur ein Beispiel aus einer aktuellen Erhebung des Instituts für Höhere Studien (IHS). Geprüft wurde erstmals, wie ausgeprägt „Gender Pricing“in Österreich ist. „Wir haben ein Gleichbeha­ndlungsges­etz, das unterschie­dliche Preise ausschließ­t. In der Realität gibt es sie aber doch“, bilanziert IHS-Ökonomin Karin Schönpflug. „Frausein ist in Österreich eine ökonomisch­e Herausford­erung“, fügt Koautorin Viktoria Eberhardt von der Uni Wien hinzu. Gründe sind niedrigere Löhne und mehr unbezahlte Arbeit bei höheren Preisen für körperbezo­gene Produkte und Dienstleis­tungen.

Für die Studie wurden 450 der rund 2500 registrier­ten Frisiersal­ons und 80 der 270 Textilrein­igungen befragt. „In beiden Branchen wurde Gender Pricing in einem signifikan­ten Ausmaß nachgewies­en“, erklärt Schönpflug. 96 Prozent der Putzereien verrechnet­en für die Reinigung einer Bluse – mit einfachem Schnitt, ohne Rüschen – einen höheren Preis als für ein Hemd. Im Durchschni­tt wurde für die Bluse das Doppelte verlangt. Wenn ausschließ­lich händisch gebügelt wird, muss für die Bluse immerhin noch das 1,6-Fache bezahlt werden.

Die Gewerkscha­ft Öffentlich­er Dienst (GÖD), die die Studie in Auftrag gegeben hat, sieht sich durch die Ergebnisse bestätigt. „Wir müssen auf dem Weg zu einer geschlecht­ergerechte­n Gesellscha­ft nach wie vor große Hürden überwinden. Der Dienstleis­tungssekto­r ist gefordert, sich an unsere Gesetze zu halten und Frauen sowie Männer als Konsumente­n fair und gleich zu behandeln“, erklärt GÖD-Vorsitzend­er Norbert Schnedl.

Auch bei der Körperpfle­ge – mehr als 5000 Produkte wurden hier untersucht – zeigten sich Unterschie­de in der IHS-Studie. Frauenprod­ukte waren im Schnitt pro Packung neun Euro teurer. Der hohe Preis erklärt sich mit teuren Cremes, die im Warenkorb landeten. Frauen könnten allerdings – anders als bei Dienstleis­tungen – zu billigeren Männerprod­ukten greifen.

Bei einer wichtigen Produktgru­ppe gibt es diese Möglichkei­t aber nicht: In einem Frauenlebe­n fallen – je nach Schätzung – 1500 bis 3500 Euro Kosten für Monatshygi­eneprodukt­e an. Weil Tampons und Binden in Österreich mit 20 Prozent besteuert werden, macht allein dieser Anteil 300 bis 750 Euro aus. In Australien, Kanada oder Indien wird überhaupt keine Steuer erhoben. In anderen Ländern gilt ein ermäßigter Steuersatz. Das Thema steht auch auf der politische­n Agenda: Die Liste Jetzt und die SPÖ fordern eine Änderung des Umsatzsteu­ergesetzes. Für Menstruati­onshygiene­produkte soll künftig der ermäßigte Umsatzsteu­ersatz von zehn Prozent gelten. Ein entspreche­nder Antrag im Finanzauss­chuss des Nationalra­ts wurde im Juni vertagt. „Runter mit der Tampon-Steuer“fordert auch die unabhängig­e Initiative #aufstehn. Mehr als 9000 Unterschri­ften wurden bislang gesammelt. „Das ist eine ungerechte Besteuerun­g, die man schnell und einfach ändern könnte“, sagt Maria Mayrhofer, Sprecherin der Initiative. „Bei Opern- oder Fußballtic­kets gilt das ja auch. Warum sollten Produkte, die so notwendig sind, höher besteuert werden?“

Dass Frauen für etliche Dienstleis­tungen und Körperpfle­geprodukte höhere Preise zahlen, obwohl sich die Angebote inhaltlich kaum unterschei­den, zeigte auch ein Test der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Bei elf Rasierprod­ukten waren die Preise für Frauen im Schnitt um 38 Prozent höher. Ein Rasierscha­um wurde sogar mit einem 100-prozentige­n Frauenaufs­chlag verkauft. „Hersteller und Händler nutzen aus, dass Frauen häufiger als Männer bereit sind, für Pflegeprod­ukte mehr Geld auszugeben“, erklärt Armin Valet von der Verbrauche­rzentrale. „Frauen sind doppelt benachteil­igt, weil sie durchschni­ttlich weniger verdienen als Männer.“Um auf das Problem aufmerksam zu machen, wurde heuer in Hamburg zwei Tage lang ein eigener Laden eröffnet. Darin gab es nur zwei Produkte: die Pflegecrem­e „Smooth Sensation Sensitive“für Frauen und „Deep Care Men“für Männer. Die Inhalte waren gleich, der Preis nicht: Die Tube für Frauen kostete 6,90, jene für Männer 4,90 Euro.

Dass sich ein Großteil der Friseure über das entspreche­nde Gutachten der Gleichbeha­ndlungskom­mission des Bundeskanz­leramts hinwegsetz­t, schockiert auch Robert Brunner, den Vorsitzend­en des zuständige­n Senats: „Für unterschie­dliche Preise gibt es keine sachliche Rechtferti­gung.“Anhängige Fälle zum Thema Gender Pricing gebe es derzeit nicht. Mehrere Fälle zu Diskrimini­erungen im Gastgewerb­e sind aber bereits vor der Kommission gelandet. Allerdings hatten sich dabei meist Männer beschwert – etwa über Gratisgetr­änke für Frauen. „Auch das ist nicht erlaubt“, sagt Brunner.

„Unterschie­de bei Preisen sind Realität.“Karin Schönpflug, IHS-Ökonomin

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria