Salzburger Nachrichten

Warum es nach Regen so gut riecht

Es sind nicht nur ätherische Öle, die nach einem kräftigen Regenguss die Luft schwängern. Durch die Wunder der Natur werden die Geruchssto­ffe des Bodens und der Pflanzen auch in den Regentropf­en eingeschlo­ssen. Bis sie platzen.

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CAMBRIDGE. Wenn es regnet, riecht es nach Petrichor. So benannten die australisc­hen Wissenscha­fter Isabel Bear und Richard Thomas im März des Jahres 1964 den Geruch des Regens. Das Wort, das sich internatio­nal durchgeset­zt hat, lässt sich mit „(göttliches) Blut des Steins“übersetzen. Den beiden Forschern war nämlich aufgefalle­n, dass der Regen ein leicht gelbliches Öl von den Steinen und Felsen wusch, das für den ganz besonderen Geruch verantwort­lich zu sein schien.

Doch was war das für eine seltsame Flüssigkei­t und vor allem: Woher kam sie? Weitere Nachforsch­ungen zeigten, dass es sich hierbei vor allem um ätherische Öle bzw. sekundäre Pflanzenst­offe handelt, die bestimmte Pflanzen absondern und die sich als dünner Film auf den Blättern, Stämmen und Grashalmen, aber auch in der Umwelt niederschl­agen, unter anderem eben auch auf den Steinen und Felsen.

Doch damit ist allenfalls die pflanzlich­e Note im Geruchscoc­ktail des Regens erklärt. Petrichor riecht aber immer auch ein wenig erdig. Woher kommt diese Nuance? In der Tat gibt es eine weitere Quelle, aus der sich der ganz spezielle Regenduft speist, wie Wissenscha­fter festgestel­lt haben: Mikroorgan­ismen, die vor allem im Boden leben und für ebendiesen erdigen Geruch verantwort­lich sind.

Streptomyc­es-Arten etwa und auch Myxobakter­ien produziere­n Geosmin, einen bicyclisch­en Alkohol, der stark nach Erde riecht und sogar so schmeckt. Diesen modrigen Erdgeruch können wir Menschen schon in geringsten Konzentrat­ionen wahrnehmen. Wie diese Geruchssto­ffe nun bei Regen vom Boden aus in die Luft gelangen können, haben Young Soo Joung und Cullen R. Buie vom Massachuse­tts Institute of Technology im US-amerikanis­chen Cambridge herausgefu­nden. In ihrer Studie ließen die Forscher Tropfen verschiede­ner Flüssigkei­ten in 600 Versuchen auf 28 unterschie­dliche Untergründ­e fallen, und filmten sie dabei mit Hochgeschw­indigkeits­kameras.

„Wenn ein Tropfen auf die Oberfläche auftrifft, verflacht er sich aufgrund der kinetische­n Energie“, beschreibt Joung den Vorgang. „Kleine Blasen werden in den Tropfen eingeschlo­ssen, weil die Expansions­geschwindi­gkeit des Tropfens größer ist als die Geschwindi­gkeit, mit der die Oberfläche das Wasser absorbiert. Zerplatzen diese Blasen nun an der Oberfläche des Regentropf­ens, entsteht ein Aerosol aus kleinsten Spritzern.“

Mit anderen Worten: Die Geruchssto­ffe des Bodens und der Pflanzen werden in kleinen Bläschen in den Regentropf­en eingeschlo­ssen, sobald dieser auf die entspreche­nde Oberfläche auftrifft. Im Inneren des Regentropf­ens steigen diese Bläschen dann an dessen Oberfläche auf und zerplatzen dort. Dabei entsteht ein Aerosol, haben die Forscher festgestel­lt, das die Geruchssto­ffe in die Luft abgibt. Am stärksten wirkt dieser Effekt nach Angaben der Wissenscha­fter auf porösen Oberfläche­n, denn dort haben größere Mengen der geruchsakt­iven Substanzen Platz.

Auch eine vorhergehe­nde längere Trockenhei­t lässt einen intensiver­en Geruch entstehen, ganz einfach aus dem Grund, weil sich in einer regenlosen Zeit größere Mengen von Geruchssto­ffen auf den Oberfläche­n ansammeln, die dann durch den Regen in die Luft transporti­ert werden können. Interessan­terweise gelangen auf diese Art auch Mikroorgan­ismen in die Luft.

„Unsere Studie zeigt übrigens auch“, resümiert Joung, „wie Bakterien und Viren mit dem Regen vom Boden aus in die Luft transporti­ert werden können.“

Der Regen riecht also nicht nur schön, er kann es auch im wahrsten Sinne des Wortes ganz schön in sich haben.

„Der Regen kann es auch ganz schön in sich haben.“Young Soo Joung, Forscher

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