Influencer geben den Hochzeitstakt vor
Inspiration für den großen Tag oder den nächsten Urlaub suchen viele Menschen im Social Web. Wie Instagram Hochzeiten teurer macht und Influencer auch gern überschätzt werden.
Die eigene Hochzeit ist einer der größten Momente im Leben. Fast noch wichtiger erscheint aber für viele mittlerweile eines: das perfekte Foto davon. Meinungsmacher in sozialen Medien, sogenannte Influencer, zeigen vor, wie die perfekte Location auszusehen hat, das Catering angerichtet und der Dresscode lauten soll. Und geben damit den Takt für andere vor.
Das schlägt vielen Brautpaaren zu Buche. Um die Trauung für das soziale Netzwerk möglichst fotogen zu machen, gaben Briten im Jahr 2019 um etwa 50 Prozent mehr Geld aus als noch vor fünf Jahren, wie eine neue Studie der Hochzeitsagentur Hitched zeigt. Der Druck steigt, größere Schauwerte zu bieten.
Und dieser Trend zieht sich in andere Lebensbereiche. Auch der Tourismussektor hat sich das zunutze gemacht. An besonders „instagramwürdigen“Punkten stehen Menschen Schlange für das beste einsame Foto, Aussichtspunkte verrechnen Geld für einen Klick, Tourismusanbieter küren „die zehn besten Instagram-Hotels“.
Dazu zählt zum Beispiel auch das Vier-Stern-Hotel Aqua Dome in Tirol. Besonders beliebt: die Außenpoolanlagen mit Blick auf die Ötztaler Schlucht. Zahlreiche Influencer badeten in den Poolschalen – und im Scheinwerferlicht. Viele machen es ihnen nach. „Wir haben mittlerweile ausgewiesene Fotopoints für Influencer und Gäste aufgestellt, damit sie attraktive Fotos machen können und unser Badebetrieb gleichzeitig nicht gestört wird“, sagt Manuel Dempfer-Glanzer, der für das Onlinemarketing des Hotels zuständig ist. Das Hotel reiht sich als ideale Fotokulisse für Instagram neben das Marina Bay Sands Hotel in Singapur oder dem Giraffe Manor Hotel in Nairobi, wo man mit Giraffen frühstücken und vor stattlicher Fassade des Kolonialzeitalters residieren kann.
Um den Trend noch mehr zu bedienen, bietet das Aqua Dome Zusatzleistungen wie Alpaka-Wanderungen, Helikopter-Rundflüge oder Floating an. So werden Fotos spektakulärer, die Profile der Influencer praller und mehr Gäste angelockt. Ganze Tourismusregionen setzen auf die jungen Meinungsmacher.
„Die Zusammenarbeit mit Influencern ist bei uns in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden“, sagt Linda Zechmeister vom Tourismusverband Saalbach-Hinterglemm. Zwei Mal pro Jahr veranstaltet die Region eine kleine „Influencer Convention“. International bekannte Influencer werden geladen, um die Region zu erleben, zu fotografieren und vor allem, um ihrer Gefolgschaft ausführlich davon zu berichten.
Die geladenen Gäste sind dabei keine zufällige Gruppe. Neben der Reichweite ist dem Tourismusverband vor allem wichtig, dass die Personen zur Region passen und authentisch sind. Und: Die Accounts müssten „sauber“sein, also keine gekauften Follower haben, so Zechmeister.
Aber was bringt Influencer-Marketing wirklich? „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“, sagt Social-Media-Marktforscher Markus Zimmer. Aus Unternehmenssicht sei die Zusammenarbeit mit den Social-Media-Stars nicht immer sinnvoll, der Effekt von Influencern werde manchmal überschätzt. Zimmer hat mit seiner Agentur Buzzvalue 25 Kampagnen mit 315.000 Interaktionen auf Instagram analysiert.
Das Ergebnis: Auf zwei Drittel der Fotos ist das beworbene Produkt nicht erkennbar. „Wenn man bedenkt, dass Instagram ein visuelles Medium ist, sieht man schnell: Das bringt dem Unternehmen wenig“, sagt er. Außerdem: Weniger als drei Prozent der User-Kommentare in den untersuchten Kampagnen hätten sich auf das Produkt bezogen.
Dennoch sei Influencer-Marketing kein übertriebener Hype, sondern habe durchaus das Potenzial zum langfristigen Trend, sagt Markus Zimmer. „Die Branche muss sich aber auf jeden Fall professionalisieren. In den USA zum Beispiel ist diese Art der Werbung schon ein fixer Bestandteil des Marketing-Mixes geworden. Dort wird vorab klar definiert, wie das Produkt in Szene gesetzt werden soll. Die Influencer werden ordentlich gebrieft.“
Viele österreichische Unternehmen ließen den Influencern hingegen demütig freie Hand: „Und dann entstehen am Ende Kampagnen, die keinen Werbeeffekt haben. Wenn sich die Influencer hierzulande also nicht professionalisieren, werden die Unternehmen schnell die Lust verlieren“, gibt Zimmer zu bedenken. Mit solchen Analysen stoße Zimmer bei Agenturen nicht immer auf Gegenliebe, erzählt er. „Manche sagen, wir zerstören das Influencer-Business. Ich sage: Wir retten es.“
Es gebe ja auch sehr viele Kampagnen, die gut gemacht seien und den erhofften Erfolg verdienten, räumt Zimmer ein. Aktuell sei ein Trend hin zu sogenannten MikroInfluencern zu beobachten. Das sind Accounts mit weniger Followern. Der Vorteil: Diese Personen haben oft eine authentischere Fangemeinde. Das erkennt auch der Algorithmus von Instagram und verhilft etwaigen Werbekampagnen zu einer größeren Reichweite auf der Plattform.
Generell müsse man aber immer bedenken, dass die Nutzer den Influencern in aller Regel nicht wegen ihrer Produkttipps folgen, sondern weil sie die Person sympathisch und deren Inhalte interessant finden, erklärt Zimmer.
Manche Hotels haben mittlerweile den jungen Meinungsmachern schon wieder den Rücken gekehrt, wie etwa das Luxushotel The White Moose Café in Irland. Dort haben Influencer seit gut einem Jahr Hausverbot. Nach zahlreichen Anfragen wegen kostenloser Übernachtungen ist dem Hotelbesitzer schließlich der Kragen geplatzt.