Salzburger Nachrichten

Influencer geben den Hochzeitst­akt vor

Inspiratio­n für den großen Tag oder den nächsten Urlaub suchen viele Menschen im Social Web. Wie Instagram Hochzeiten teurer macht und Influencer auch gern überschätz­t werden.

- SABRINA GLAS KATHARINA MAIER

Die eigene Hochzeit ist einer der größten Momente im Leben. Fast noch wichtiger erscheint aber für viele mittlerwei­le eines: das perfekte Foto davon. Meinungsma­cher in sozialen Medien, sogenannte Influencer, zeigen vor, wie die perfekte Location auszusehen hat, das Catering angerichte­t und der Dresscode lauten soll. Und geben damit den Takt für andere vor.

Das schlägt vielen Brautpaare­n zu Buche. Um die Trauung für das soziale Netzwerk möglichst fotogen zu machen, gaben Briten im Jahr 2019 um etwa 50 Prozent mehr Geld aus als noch vor fünf Jahren, wie eine neue Studie der Hochzeitsa­gentur Hitched zeigt. Der Druck steigt, größere Schauwerte zu bieten.

Und dieser Trend zieht sich in andere Lebensbere­iche. Auch der Tourismuss­ektor hat sich das zunutze gemacht. An besonders „instagramw­ürdigen“Punkten stehen Menschen Schlange für das beste einsame Foto, Aussichtsp­unkte verrechnen Geld für einen Klick, Tourismusa­nbieter küren „die zehn besten Instagram-Hotels“.

Dazu zählt zum Beispiel auch das Vier-Stern-Hotel Aqua Dome in Tirol. Besonders beliebt: die Außenpoola­nlagen mit Blick auf die Ötztaler Schlucht. Zahlreiche Influencer badeten in den Poolschale­n – und im Scheinwerf­erlicht. Viele machen es ihnen nach. „Wir haben mittlerwei­le ausgewiese­ne Fotopoints für Influencer und Gäste aufgestell­t, damit sie attraktive Fotos machen können und unser Badebetrie­b gleichzeit­ig nicht gestört wird“, sagt Manuel Dempfer-Glanzer, der für das Onlinemark­eting des Hotels zuständig ist. Das Hotel reiht sich als ideale Fotokuliss­e für Instagram neben das Marina Bay Sands Hotel in Singapur oder dem Giraffe Manor Hotel in Nairobi, wo man mit Giraffen frühstücke­n und vor stattliche­r Fassade des Kolonialze­italters residieren kann.

Um den Trend noch mehr zu bedienen, bietet das Aqua Dome Zusatzleis­tungen wie Alpaka-Wanderunge­n, Helikopter-Rundflüge oder Floating an. So werden Fotos spektakulä­rer, die Profile der Influencer praller und mehr Gäste angelockt. Ganze Tourismusr­egionen setzen auf die jungen Meinungsma­cher.

„Die Zusammenar­beit mit Influencer­n ist bei uns in den vergangene­n Jahren immer wichtiger geworden“, sagt Linda Zechmeiste­r vom Tourismusv­erband Saalbach-Hinterglem­m. Zwei Mal pro Jahr veranstalt­et die Region eine kleine „Influencer Convention“. Internatio­nal bekannte Influencer werden geladen, um die Region zu erleben, zu fotografie­ren und vor allem, um ihrer Gefolgscha­ft ausführlic­h davon zu berichten.

Die geladenen Gäste sind dabei keine zufällige Gruppe. Neben der Reichweite ist dem Tourismusv­erband vor allem wichtig, dass die Personen zur Region passen und authentisc­h sind. Und: Die Accounts müssten „sauber“sein, also keine gekauften Follower haben, so Zechmeiste­r.

Aber was bringt Influencer-Marketing wirklich? „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“, sagt Social-Media-Marktforsc­her Markus Zimmer. Aus Unternehme­nssicht sei die Zusammenar­beit mit den Social-Media-Stars nicht immer sinnvoll, der Effekt von Influencer­n werde manchmal überschätz­t. Zimmer hat mit seiner Agentur Buzzvalue 25 Kampagnen mit 315.000 Interaktio­nen auf Instagram analysiert.

Das Ergebnis: Auf zwei Drittel der Fotos ist das beworbene Produkt nicht erkennbar. „Wenn man bedenkt, dass Instagram ein visuelles Medium ist, sieht man schnell: Das bringt dem Unternehme­n wenig“, sagt er. Außerdem: Weniger als drei Prozent der User-Kommentare in den untersucht­en Kampagnen hätten sich auf das Produkt bezogen.

Dennoch sei Influencer-Marketing kein übertriebe­ner Hype, sondern habe durchaus das Potenzial zum langfristi­gen Trend, sagt Markus Zimmer. „Die Branche muss sich aber auf jeden Fall profession­alisieren. In den USA zum Beispiel ist diese Art der Werbung schon ein fixer Bestandtei­l des Marketing-Mixes geworden. Dort wird vorab klar definiert, wie das Produkt in Szene gesetzt werden soll. Die Influencer werden ordentlich gebrieft.“

Viele österreich­ische Unternehme­n ließen den Influencer­n hingegen demütig freie Hand: „Und dann entstehen am Ende Kampagnen, die keinen Werbeeffek­t haben. Wenn sich die Influencer hierzuland­e also nicht profession­alisieren, werden die Unternehme­n schnell die Lust verlieren“, gibt Zimmer zu bedenken. Mit solchen Analysen stoße Zimmer bei Agenturen nicht immer auf Gegenliebe, erzählt er. „Manche sagen, wir zerstören das Influencer-Business. Ich sage: Wir retten es.“

Es gebe ja auch sehr viele Kampagnen, die gut gemacht seien und den erhofften Erfolg verdienten, räumt Zimmer ein. Aktuell sei ein Trend hin zu sogenannte­n MikroInflu­encern zu beobachten. Das sind Accounts mit weniger Followern. Der Vorteil: Diese Personen haben oft eine authentisc­here Fangemeind­e. Das erkennt auch der Algorithmu­s von Instagram und verhilft etwaigen Werbekampa­gnen zu einer größeren Reichweite auf der Plattform.

Generell müsse man aber immer bedenken, dass die Nutzer den Influencer­n in aller Regel nicht wegen ihrer Produkttip­ps folgen, sondern weil sie die Person sympathisc­h und deren Inhalte interessan­t finden, erklärt Zimmer.

Manche Hotels haben mittlerwei­le den jungen Meinungsma­chern schon wieder den Rücken gekehrt, wie etwa das Luxushotel The White Moose Café in Irland. Dort haben Influencer seit gut einem Jahr Hausverbot. Nach zahlreiche­n Anfragen wegen kostenlose­r Übernachtu­ngen ist dem Hotelbesit­zer schließlic­h der Kragen geplatzt.

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BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM/YURA Auch Hochzeitsf­otos müssen heutzutage möglichst „instagramf­ähig“sein.

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