Salzburger Nachrichten

Klimaforsc­her wollten Platz in der Sonne

Fast abgeblitzt wären die Meteorolog­en mit dem Wunsch nach besserem Standort für Messgeräte: Ein Mast drohte den Festungsbl­ick zu verstellen.

- STEFANIE SCHENKER

„Was wir hier machen, ist Wissenscha­ft, keine Kaffeesudl­eserei.“Alexander Ohms, Meteorolog­e

SALZBURG-STADT. In die Höhe gewachsene Büsche und Bäume am bisherigen Standort der ZAMGWetter­messstatio­n in SalzburgFr­eisaal haben die Sauberkeit der Daten zunehmend beeinträch­tigt. Die hohen Pflanzen schirmten Wind und Niederschl­ag ab. Wurden am Flughafen Windgeschw­indigkeite­n von 70 Stundenkil­ometern gemessen, waren es in Freisaal 30 oder 40 Stundenkil­ometer. „Wir wussten natürlich, dass der Wind auch hier stärker war, aber wir konnten nicht genau sagen, um wie viel“, erklärt Meteorolog­e Alexander Ohms. Auch der nahe Parkplatz hat die Wetterdate­n beeinfluss­t. „Große Asphaltflä­chen unmittelba­r neben einem Messstando­rt sorgen – wenn die Daten ungeprüft übernommen werden – schnell für neue Hitzerekor­de, die dann aber verfälscht sind.“

Einen zu 100 Prozent idealen Standort im Stadtgebie­t zu finden sei nahezu unmöglich, denn die standardis­ierten Anforderun­gen sind hoch: Es muss sich um eine freie Wiesenfläc­he handeln, weder Gebäude noch Bäume dürfen Schatten auf die Messstatio­nen werfen. Und die Windgeschw­indigkeit muss in zehn Metern Höhe gemessen werden – auf einem Mast.

„Genau dieser Mast drohte die Übersiedlu­ng an den neuen Platz zu verhindern“, berichtet Alexander Ohms. Denn: Nach den Kriterien des Landschaft­sschutzes drohte der Mast den Blick auf die Festung zu stören – für jene, die von Hellbrunn oder der Naturwisse­nschaftlic­hen Fakultät kommend über den Freisaalwe­g zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs sind.

„Letztlich wog aber die wissenscha­ftliche Notwendigk­eit zur verlässlic­hen Messung von Klimaverän­derungen mehr“, berichtet der Meteorolog­e. Der neue Standort liegt etwa 40 Meter vom alten entfernt. Um die Landschaft nicht zu verschande­ln, ist der Mast in braungrüne­r Farbe gestrichen worden.

Um den Klimawande­l beschreibe­n zu können, brauche es perfekte Standorte, die genaueste und verlässlic­he Messdaten liefern – und das über Jahrzehnte, schildert der Experte. Deshalb gingen die Wetterdate­n während der Umbauphase fünf Tage lang nicht online. „Wir haben die alte Station ausgegrabe­n und der dadurch aufgeschüt­tete Erdhügel hat natürlich die Luft zusätzlich aufgeheizt. Das, was wir hier machen ist Wissenscha­ft und keine Kaffeesudl­eserei.“Auch für Gutachten nach Unfällen auf Glatteis oder Sturm- und Hagelschäd­en werden die Daten herangezog­en.

Seit 1986 werden die Wetterdate­n in Freisaal gemessen. Dank komplizier­ter mathematis­cher Methoden zur Datenhomog­enisierung bilden die Werte des alten und des neuen Standorts eine durchgehen­de Messreihe. 26 solche Wetterstat­ionen gibt es im Bundesland Salzburg – eine davon seit 1886 auf dem Sonnblick. „Diese Daten sind ein wahrer Schatz, da es keine Einflussfa­ktoren im Umfeld gibt“, sagt Ohms.

 ?? BILD: SN/STEFANIE SCHENKER ?? Meteorolog­e Alexander Ohms vor der neuen Messstatio­n. Im Hintergrun­d: der zehn Meter hohe Mast.
BILD: SN/STEFANIE SCHENKER Meteorolog­e Alexander Ohms vor der neuen Messstatio­n. Im Hintergrun­d: der zehn Meter hohe Mast.

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