Klimaforscher wollten Platz in der Sonne
Fast abgeblitzt wären die Meteorologen mit dem Wunsch nach besserem Standort für Messgeräte: Ein Mast drohte den Festungsblick zu verstellen.
„Was wir hier machen, ist Wissenschaft, keine Kaffeesudleserei.“Alexander Ohms, Meteorologe
SALZBURG-STADT. In die Höhe gewachsene Büsche und Bäume am bisherigen Standort der ZAMGWettermessstation in SalzburgFreisaal haben die Sauberkeit der Daten zunehmend beeinträchtigt. Die hohen Pflanzen schirmten Wind und Niederschlag ab. Wurden am Flughafen Windgeschwindigkeiten von 70 Stundenkilometern gemessen, waren es in Freisaal 30 oder 40 Stundenkilometer. „Wir wussten natürlich, dass der Wind auch hier stärker war, aber wir konnten nicht genau sagen, um wie viel“, erklärt Meteorologe Alexander Ohms. Auch der nahe Parkplatz hat die Wetterdaten beeinflusst. „Große Asphaltflächen unmittelbar neben einem Messstandort sorgen – wenn die Daten ungeprüft übernommen werden – schnell für neue Hitzerekorde, die dann aber verfälscht sind.“
Einen zu 100 Prozent idealen Standort im Stadtgebiet zu finden sei nahezu unmöglich, denn die standardisierten Anforderungen sind hoch: Es muss sich um eine freie Wiesenfläche handeln, weder Gebäude noch Bäume dürfen Schatten auf die Messstationen werfen. Und die Windgeschwindigkeit muss in zehn Metern Höhe gemessen werden – auf einem Mast.
„Genau dieser Mast drohte die Übersiedlung an den neuen Platz zu verhindern“, berichtet Alexander Ohms. Denn: Nach den Kriterien des Landschaftsschutzes drohte der Mast den Blick auf die Festung zu stören – für jene, die von Hellbrunn oder der Naturwissenschaftlichen Fakultät kommend über den Freisaalweg zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs sind.
„Letztlich wog aber die wissenschaftliche Notwendigkeit zur verlässlichen Messung von Klimaveränderungen mehr“, berichtet der Meteorologe. Der neue Standort liegt etwa 40 Meter vom alten entfernt. Um die Landschaft nicht zu verschandeln, ist der Mast in braungrüner Farbe gestrichen worden.
Um den Klimawandel beschreiben zu können, brauche es perfekte Standorte, die genaueste und verlässliche Messdaten liefern – und das über Jahrzehnte, schildert der Experte. Deshalb gingen die Wetterdaten während der Umbauphase fünf Tage lang nicht online. „Wir haben die alte Station ausgegraben und der dadurch aufgeschüttete Erdhügel hat natürlich die Luft zusätzlich aufgeheizt. Das, was wir hier machen ist Wissenschaft und keine Kaffeesudleserei.“Auch für Gutachten nach Unfällen auf Glatteis oder Sturm- und Hagelschäden werden die Daten herangezogen.
Seit 1986 werden die Wetterdaten in Freisaal gemessen. Dank komplizierter mathematischer Methoden zur Datenhomogenisierung bilden die Werte des alten und des neuen Standorts eine durchgehende Messreihe. 26 solche Wetterstationen gibt es im Bundesland Salzburg – eine davon seit 1886 auf dem Sonnblick. „Diese Daten sind ein wahrer Schatz, da es keine Einflussfaktoren im Umfeld gibt“, sagt Ohms.