Salzburger Nachrichten

Es geht um das Land, nicht um gekränkte Eitelkeite­n

Alte Rechnungen und persönlich­e Befindlich­keiten sollten bei der Bildung einer Koalition keine Rolle spielen.

- MANFRED.PERTERER@SN.AT Manfred Perterer

„Rote Gfrieser“und „schwarze Brut“

In Österreich haben Koalitions­aussagen vor Wahlen keine Tradition. Vor allem die großen Parteien hüllen sich bis zum Wahltag in Schweigen darüber, mit welcher anderen politische­n Gruppe sie am liebsten eine Regierung bilden wollen.

Eine Ausnahme bilden die Freiheitli­chen, die sich öffentlich für eine Fortsetzun­g des Pakts mit der ÖVP ausgesproc­hen haben, wohl eine Verzweiflu­ngstat, weil sonst ohnehin niemand mit der FPÖ zusammenar­beiten möchte. Alle anderen halten die Standardan­twort auf die K-Frage parat: „Erst schauen wir einmal, wie die Wahl ausgeht.“Sie glauben fest daran, dass ihre Wahlchance­n schwinden, wenn sie sich schon vor dem Urnengang für eine bestimmte Partnersch­aft ausspreche­n. Die Grünen zeigen Präferenze­n zu Rot und Neos, festlegen wollen sie sich allerdings auch nicht.

Noch eher als eine Koalitions­ansage bekommt man in Funktionär­skreisen zu hören, mit welcher Partei man auf gar keinen Fall kooperiere­n will. Nach wie vor sehr groß und offenkundi­g ist diese Ablehnungs­front zwischen ÖVP und SPÖ. Egal wen an der Spitze dieser Parteien man auch fragt, offiziell heißt es, man werde nach der Wahl mit allen Parteien das Gespräch suchen, also auch zwischen Schwarz und Rot. Hinter vorgehalte­ner Hand folgt sogleich: „Mit denen, nie im Leben!“

Sachlich erklären kann die gegenseiti­ge Abneigung niemand. Als mögliche Gründe werden eher schwere atmosphäri­sche Störungen angeführt: die schwierige Zusam

menarbeit in früheren Großen Koalitione­n, ein gewisser politische­r Stillstand, der, in der Nachbetrac­htung, im Gegensatz zu vorschnell­en Entscheidu­ngen auch sein Positives hatte. Der schlechte Ruf, den sich die Große Koalition bei den Bürgerinne­n und Bürgern über Jahrzehnte „hart erkämpft“hat, führt zu schlechten Umfrageerg­ebnissen beim Wahlvolk.

Warum also, um Himmels willen, sollen ÖVP und SPÖ nach dieser Wahl plötzlich wieder zusammenko­mmen?

Es gibt dafür mehrere mögliche Gründe:

Erstens: Weil die ÖVP mit der FPÖ nach Ibiza nicht mehr regieren will und kann. Die Gefahr neuerliche­r „Rechts-Unfälle“, ein irrlichter­nder Ex-Parteichef, der sich als politische­r Heckenschü­tze betätigt, zahlreiche strafrecht­liche Erhebungen, offen dagegen auftretend­e ÖVP-Landeshaup­tleute – all das wird Sebastian Kurz nach rationalen Kriterien davon abhalten, sich noch einmal mit der FPÖ ins politische Bett zu legen. Auch wenn es die Freiheitli­chen so billig wie nie machen würden.

Zweitens: Weil die Grünen und die Türkisen inhaltlich Welten trennen. Zwei Seelen wohnen in der grünen Brust: die fundamenta­listische, sozialpoli­tische, linke auf der einen, die bürgerlich­e, realistisc­he auf der anderen Seite. Die einen sitzen in Wien. Für sie ist der ehemalige Kanzler der Gottseibei­uns. Die anderen sitzen längst mit der ÖVP in den Regierunge­n Westösterr­eichs. Dass Werner Kogler diesen innerparte­ilichen Spagat schafft und am Ende mit Sebastian Kurz eine Regierung bildet, ist momentan eher zu bezweifeln.

Drittens: Weil für andere Varianten keine Mehrheit in Aussicht ist, wie etwa für die zuletzt ins Spiel gebrachte Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos.

Wichtig für eine Koalition ist nicht nur die mathematis­che Mehrheit. Zwei oder drei Parteien, die erfolgreic­h zusammenar­beiten wollen, müssen auch zusammenpa­ssen. Ideologisc­he Gräben können für eine bestimmte Zeit überbrückt werden. Das funktionie­rt aber nur dann, wenn das Führungspe­rsonal besonders gut miteinande­r kann.

Zwischen Sebastian Kurz und Pamela Rendi-Wagner stimmt die Chemie nicht. Und zwischen vielen Türkisen und Roten in der zweiten Reihe auch nicht. Die Zeit, als sie einander noch „rote Gfrieser“und „schwarze Brut“schimpften, bleibt in Erinnerung.

Österreich kann sich auf Dauer keine beleidigte­n Leberwürst­e an der Spitze der Parteien leisten. Persönlich­e Animosität­en dürfen nicht über die Interessen der Republik und ihrer Bürgerinne­n und Bürger gestellt werden.

Das sollten die Funktionär­e der Parteien beherzigen. Vor der Wahl, weil der gegenseiti­ge Umgangston besser wird. Und erst recht nach der Wahl. Weil es um das Land und seine Menschen geht und nicht um die gekränkte Eitelkeit Einzelner.

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WWW.SN.AT/WIZANY Sandkasten­spiele . . .

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