Guter Patient, böser Patient: So ein Unsinn
Wer bezahlt, wird schneller operiert. Auch an den Salzburger Spitälern. Das ist weniger verwerflich als die fehlende Offenheit den Bürgern gegenüber.
Wer zusatzversichert ist, wird in den heimischen Krankenhäusern schneller operiert. Dieser Umstand, den ein Salzburger Gesundheitsexperte im SN-Interview unverblümt aussprach, lässt die Wogen hochgehen. Das hat zwei Gründe: Keiner fühlt sich gern als Mensch zweiter Klasse. Und vor allem lässt sich niemand gern für blöd verkaufen.
Egal ob Klassepatient oder nicht – die Behandlung und die Wartezeiten in den Salzburger Krankenanstalten sind für alle gleich. Das behaupteten die Verantwortlichen bisher hartnäckig. Am Donnerstag gestand LandesGesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP) aber ein, dass es doch Unterschiede gebe: „Es ist möglich, dass Sonderklassepatienten schneller einen Operationstermin bekommen.“
Das Leugnen von Anzeichen einer Zweiklassenmedizin hat mit der erlebten Realität vieler Menschen nichts zu tun. Die meisten haben am eigenen Leib oder in ihrem Umfeld schon erlebt, wie Dinge wirklich laufen. Regelmäßig geben auch Ärzte tiefe Einblicke – freilich nur hinter vorgehaltener Hand.
Nun verrät ein Mann, der die Abläufe aus langjähriger Praxiserfahrung kennt, öffentlich die schlecht gehüteten Geheimnisse der Spitäler. Wo man als Kassepatient bis zu vier Monate auf eine Hüft-OP wartet, da bringt der Zusatz „ich bin Privatpatient“einen Termin in 14 Tagen.
Die Politik tut sich dadurch noch schwerer, die Mär eines völlig egalitären Systems aufrechtzuerhalten. Selbst der bisher so standhafte Gesundheitsreferent weicht erstmals einen Schritt zurück und räumt ein, dass ein gewisser Anteil der Betten für Sonderklassepatienten vorgesehen ist. Deshalb könne es sein, dass diese früher drankommen. Noch korrekter wäre es zu sagen: Deshalb kommen sie früher dran. Jene, die extra bezahlen, erwarten sich etwas dafür. Und sie bekommen es auch. Punkt.
Das allein ist noch nicht verwerflich. Das wäre es erst dann, wenn Normalpatienten medizinisch schlechter behandelt würden. Oder mit akuten Verletzungen so lange zuwarten müssten, dass sich ihr Gesundheitszustand dadurch verschlechtert. Das unterstellt die politische Opposition mit Vorliebe. Es mag in Einzelfällen auch vorkommen, tägliche Praxis ist das nicht. Lange Wartezeiten findet man bei planbaren Eingriffen, nicht bei schweren Krebsfällen.
Dass ein Patient, der mit Hüftschmerzen zwei Monate auf seine Operation wartet, zu bedauern ist, soll an dieser Stelle gar nicht bestritten werden. Dass es weltweit kein System gibt, das Wartezeiten dieser Art gänzlich ausschließt, aber auch nicht.
Es ist verfehlt, die Sonderklassepatienten als das personifizierte Böse hinzustellen und die Krankenhäuser zu geißeln, weil sie diese schnell und gut behandeln. Dadurch hat per se noch niemand einen Nachteil.
Man kann das Pferd auch von der anderen Seite aufzäumen: Die Krankenhausträger brauchen das Geld aus den Privatversicherungen. Allein die SALK verdienen damit 38 Millionen Euro jährlich. Diese Einnahmen helfen, das immer teurer werdende System für alle aufrechtzuerhalten. Also auch für jene, die keine Sonderklasse haben.
Warum es der Politik so schwerfällt, diese Zusammenhänge offen auszusprechen, ist schleierhaft. Offenbar herrscht die Überzeugung, dass man die Wähler besser in trügerischer Sicherheit wiegen sollte, als (vermeintlich) unpopuläre Nachrichten zu überbringen. Das ist kurzsichtig. Die Menschen merken, wenn man sie am Schmäh hält. Und sie verstehen komplexe Zusammenhänge durchaus. Wenn man sie ordentlich erklärt.
Die Spitalskosten sollen sich bis 2030 verdoppeln, prophezeit eine aktuelle Studie. Selbst wenn es gelingt, diese Quote mit Reformen zu drücken, bleibt eine Mehrbelastung, die für die öffentlichen Haushalte nicht einfach zu stemmen sein wird. Vor diesem Hintergrund ist es für das öffentliche System unvermeidlich, sich auch weiterhin die Gelder der Privatkassen zu sichern.
Bei aller Kritik an unterschiedlich langen Wartezeiten und anderen Schwächen, die es zweifelsohne gibt, muss man eines festhalten: Das österreichische Gesundheitssystem ist noch immer sozial und gerecht. Und dabei hochleistungsfähig. Wer das nicht glauben mag, sollte einen Blick über den Tellerrand hinaus werfen. Oder einfach mit Menschen sprechen, die aus anderen Ländern stammen.