Salzburger Nachrichten

Staatsbürg­er

Wer zahlt, wenn Retter retten?

- ALEXANDER BOSIO

Die Bergretter stehen in Österreich das ganze Jahr über im Dauereinsa­tz. Dabei stellt sich eine grundlegen­de Frage: Wer hat für diese Einsätze zu bezahlen? Beispiele zeigen, dass sich Gerettete immer wieder weigern, die Kosten der Rettungsak­tion zu übernehmen. Wie schauen hier also Rechtslage und Rechtsprec­hung in Österreich aus? Die Österreich­ische Bergrettun­g ist zum Beispiel gemäß dem Salzburger Rettungsge­setz eine anerkannte Rettungsor­ganisation, die über entspreche­nd ausgebilde­tes Fachperson­al in erforderli­chem Umfang verfügen muss. Das Salzburger Rettungsge­setz definiert in § 4a klar: Die Kosten für notwendige und zweckmäßig­e Aufwendung­en eines Rettungsei­nsatzes hat derjenige zu tragen, zu dessen Gunsten der Einsatz erfolgt ist. Das gilt auch dann, wenn der Einsatz missbräuch­lich in Anspruch genommen oder veranlasst wurde. Zwei exemplaris­che Beispiele von Streitfäll­en

zeigen, wie die derzeitige Rechtsprec­hung aussieht: In Tirol hat ein orientieru­ngsloser Mountainbi­ker die Bergrettun­g alarmiert, da er seinen Standort nicht mehr wusste. Es wurde mit dem Mountainbi­ker ein Treffpunkt vereinbart, wo er sich mit Bergrettun­gsmitglied­ern treffen soll.

Zu diesem Treffpunkt ist der Mountainbi­ker nicht erschienen, weshalb 13 Bergretter eine Suchaktion einleitete­n. Der Verirrte wurde schließlic­h gefunden und ins Tal gebracht. Der Mountainbi­ker weigerte sich, die Bergungsko­sten von rund 1400 Euro zu bezahlen, da er aus seiner Sicht nicht um Hilfe gebeten hat.

Der Österreich­ische Bergrettun­gsdienst in Tirol klagte und obsiegte rechtskräf­tig durch ein Urteil des Landesgeri­chts Innsbruck. Rechtlich begründete das Berufungsg­ericht, dass die von der Bergrettun­g eingeleite­ten Maßnahmen, juristisch, aus dem Blickwinke­l der Geschäftsf­ührung ohne Auftrag betrachtet werden können. Wenn also eine Einwilligu­ng des Gefährdete­n vorher nicht erreicht werden kann. In solch einem Fall ist aus Sicht eines objektiven, redlichen Geschäftsf­ührers zu beurteilen, ob den wahrschein­lichen Intensione­n des Geschäftsh­errn, nämlich des Verunglück­ten, Rechnung zu tragen ist. Das Berufungsg­ericht bejahte, dass das Ausrücken der Bergrettun­g dem objektiven Interesse des verirrten Mountainbi­kers entsproche­n hat. Dieser sei bereits zehn Stunden in einem unwegsamen Gelände unterwegs gewesen, der Telefonkon­takt sei abgebroche­n und er sei nicht am vereinbart­en Treffpunkt erschienen. In einem anders gelagerten Fall klagte der Österreich­ische Bergrettun­gsdienst in Salzburg einen Abgängigen, der von einer deutschen Wandergrup­pe im Bereich des Carlvon-Stahl-Hauses als vermisst gemeldet worden war. Auch er wollte die Kosten der Suchaktion nicht übernehmen. Der Fall wurde aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen deutschen Staatsbürg­er handelte, vom Amtsgerich­t Seligensta­dt rechtskräf­tig entschiede­n. Der Beklagte weigerte sich, die Kosten der Suchaktion zu bezahlen, da aus seiner Sicht kein Unglücksfa­ll vorgelegen ist. De facto wandte der Beklagte ein, er sei psychisch labil, habe sich deshalb von der Wandergrup­pe entfernt und sei schließlic­h nach Hause gefahren.

Auch in diesem Fall hat das deutsche Gericht das Rechtsinst­itut der Geschäftsf­ührung ohne Auftrag herangezog­en und zu Recht beurteilt, dass aufgrund des unstreitig­en Sachverhal­ts zum Zeitpunkt der Alarmierun­g der Bergrettun­g von einem Unglücksfa­ll auszugehen war. Daher entsprach die Suche des Beklagten seinem objektiven Interesse und auch mutmaßlich­em Willen.

Zusammenfa­ssend betonte das Gericht: Es bedürfe keiner weiteren, dezidierte­n Ausführung­en darüber, dass eine nächtliche Suchaktion in einer Bergregion einen erhebliche­n personelle­n Einsatz erfordere. Der Bergrettun­g Salzburg wurden daher die geltend gemachten Kosten von 2660 Euro zugesproch­en.

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BILD: SN/STOCKADOBE-DANIMARCO, GEPA Alexander Bosio ist Rechtsanwa­lt und Bergretter in Salzburg.

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